326
Friedrich Winkler.
ein reiches Gebetbuch derselben Künstler in Lüttich auffinden, das für die Lokalisierung und
Datierung einige Handhaben bietet.
Der Bilderschmuck der Wiener Bibel, die aus der Bibliothek des Prinzen Eugen stammt, ist
ein außergewöhnlich reicher. 1 Der Text ist in holländischer Sprache geschrieben.2 Den ersten
Band schmücken etwa i3o Miniaturen und Rahmen, mit wenig Ausnahmen von kleinem Format,
meist in der Breite einer der zwei Textspalten jeder Seite (etwa g : g cm). Band 2 enthält 110 Minia-
turen. Uber die Datierung läßt sich aus
der Handschrift selbst nichts erschließen.3
Der künstlerische Wert der ein-
zelnen Bilder ist ein sehr verschiedener.
Die hervorragenden Meister übernahmen
selbst nur den Anfang der beiden Bände,
doch haben sie damit anscheinend das
Vorbild für die weitere Ausschmückung
gegeben. Die sehr geringen Helfer kön-
nen hier nicht schlechthin als Gehilfen
aus der Werkstatt der führenden Meister
angesehen werden, da sie weder im Stil
von den bedeutenderen Meistern ab-
hängig sind, noch nach deren Vorzeich-
nungen arbeiteten. L.e Scheidung ist
infolge der bei den geringeren Künst-
lern stereotyp wiederkehrenden Eigentüm-
lichkeiten leicht. Uns werden nur die
zwei Hauptmeister näher beschäftigen.
Im ersten Bande unterscheiden wir
zwei Meister.4 Meister A schuf alle Bil-
der mit Ausnahme von fol. 184'—189',
Fig. 42. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 2771, Fol. 77. jgx' — 207', 224 — 234, 237 — 23g, 26g,
271', 282', 284, welche wir Meister B
zuschreiben.5 Die Bilder des B sind leicht kenntlich. Er liebt weitverzweigtes Geäst, die Farbe
der Baumkrone ist schmutziggrün mit braunen Schatten. Die Wolken sind gleichmäßig über das
Blau verteilte weiße Streifen mit einem Haufen von Punkten oder kommaartigen Strichen auf der
oberen Seite. Die im Vordergrunde angebrachten Architekturen sind unverhältnismäßig klein und
sehr mangelhaft verkürzt, zumal wenn es sich um Außenansichten handelt; das Inkarnat ist meist
unangenehm rot. Schwerer sind die eigenhändigen Werke des A zu erkennen. Sein umfangreichstes
1 Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien II. — Katalog der Miniaturenaussteliung der Hofbibliothek 1902,
Nr. 177. — R. Beer in «Kunst und Kunsthandwerk» 1902 (mit Abb.); derselbe: Bulletin de la Societe francaise de repro-
ductions de manuscrits ä peintures 1912.
1 Ich zitiere zwei der Randnotizen für den Miniator: Fol. 188 des ersten Bandes: «hier slaet een man twe leewen doot
en eene man»; fol. 189 ebenda: «hier staet die engel mit een bloedich zweert / en slaet dat volc doot.»
1 Waagen, a. a. 0., S. 48: «frühestens um 1460». — Katalog der Miniaturenausstellung 1902: «I. Hälfte des XV. Jahr-
hunderts». Ebenso Vogelsang, a. a. O., S. 59: «Dem Gesamtcharakter nach kann die Handschrift nur in der ersten Hälfte
des XV. Jahrhunderts entstanden sein.» — Nach gütiger Mitteilung von W. Vogelsang sind alle seine Bemühungen, das Wappen
des Bestellers festzustellen, umsonst gewesen.
4 Ich nehme von vornherein die zwei ganzseitigen Miniaturen auf fol. 8' und 9 (Gottvater thronend und Himmelskarte
mit den Zeichen des Tierkreises usw.) aus, die durch ihr Format, die einfarbige Ausführung usw. herausfallen. Öer Gott-
vater ist im Stil etwa Petrus Christus verwandt, ist aber im Faltenwurf noch stärker gotisch. Über die Nichtzugehörigkeit
der Bilder s. auch Vogelsang, S. 57, Anm. 2.
3 Diesen Meister erkannte schon Vogelsang, S. 59/60, wenn er auch sein «Oeuvre» nur flüchtig andeutete; vgl. seine ein-
gehende Charakteristik. Dieser B schuf nicht alle Miniaturen im zweiten Bande außer dem Anfang, wie Vogelsang meint,
wenngleich die Hauptmasse der Bilder. Vogelsang hat seine Hand bereits in der Handschrift V 402 im Haag wiedererkannt.
Friedrich Winkler.
ein reiches Gebetbuch derselben Künstler in Lüttich auffinden, das für die Lokalisierung und
Datierung einige Handhaben bietet.
Der Bilderschmuck der Wiener Bibel, die aus der Bibliothek des Prinzen Eugen stammt, ist
ein außergewöhnlich reicher. 1 Der Text ist in holländischer Sprache geschrieben.2 Den ersten
Band schmücken etwa i3o Miniaturen und Rahmen, mit wenig Ausnahmen von kleinem Format,
meist in der Breite einer der zwei Textspalten jeder Seite (etwa g : g cm). Band 2 enthält 110 Minia-
turen. Uber die Datierung läßt sich aus
der Handschrift selbst nichts erschließen.3
Der künstlerische Wert der ein-
zelnen Bilder ist ein sehr verschiedener.
Die hervorragenden Meister übernahmen
selbst nur den Anfang der beiden Bände,
doch haben sie damit anscheinend das
Vorbild für die weitere Ausschmückung
gegeben. Die sehr geringen Helfer kön-
nen hier nicht schlechthin als Gehilfen
aus der Werkstatt der führenden Meister
angesehen werden, da sie weder im Stil
von den bedeutenderen Meistern ab-
hängig sind, noch nach deren Vorzeich-
nungen arbeiteten. L.e Scheidung ist
infolge der bei den geringeren Künst-
lern stereotyp wiederkehrenden Eigentüm-
lichkeiten leicht. Uns werden nur die
zwei Hauptmeister näher beschäftigen.
Im ersten Bande unterscheiden wir
zwei Meister.4 Meister A schuf alle Bil-
der mit Ausnahme von fol. 184'—189',
Fig. 42. Wien, k. k. Hofbibliothek, Cod. 2771, Fol. 77. jgx' — 207', 224 — 234, 237 — 23g, 26g,
271', 282', 284, welche wir Meister B
zuschreiben.5 Die Bilder des B sind leicht kenntlich. Er liebt weitverzweigtes Geäst, die Farbe
der Baumkrone ist schmutziggrün mit braunen Schatten. Die Wolken sind gleichmäßig über das
Blau verteilte weiße Streifen mit einem Haufen von Punkten oder kommaartigen Strichen auf der
oberen Seite. Die im Vordergrunde angebrachten Architekturen sind unverhältnismäßig klein und
sehr mangelhaft verkürzt, zumal wenn es sich um Außenansichten handelt; das Inkarnat ist meist
unangenehm rot. Schwerer sind die eigenhändigen Werke des A zu erkennen. Sein umfangreichstes
1 Waagen, Die vornehmsten Kunstdenkmäler in Wien II. — Katalog der Miniaturenaussteliung der Hofbibliothek 1902,
Nr. 177. — R. Beer in «Kunst und Kunsthandwerk» 1902 (mit Abb.); derselbe: Bulletin de la Societe francaise de repro-
ductions de manuscrits ä peintures 1912.
1 Ich zitiere zwei der Randnotizen für den Miniator: Fol. 188 des ersten Bandes: «hier slaet een man twe leewen doot
en eene man»; fol. 189 ebenda: «hier staet die engel mit een bloedich zweert / en slaet dat volc doot.»
1 Waagen, a. a. 0., S. 48: «frühestens um 1460». — Katalog der Miniaturenausstellung 1902: «I. Hälfte des XV. Jahr-
hunderts». Ebenso Vogelsang, a. a. O., S. 59: «Dem Gesamtcharakter nach kann die Handschrift nur in der ersten Hälfte
des XV. Jahrhunderts entstanden sein.» — Nach gütiger Mitteilung von W. Vogelsang sind alle seine Bemühungen, das Wappen
des Bestellers festzustellen, umsonst gewesen.
4 Ich nehme von vornherein die zwei ganzseitigen Miniaturen auf fol. 8' und 9 (Gottvater thronend und Himmelskarte
mit den Zeichen des Tierkreises usw.) aus, die durch ihr Format, die einfarbige Ausführung usw. herausfallen. Öer Gott-
vater ist im Stil etwa Petrus Christus verwandt, ist aber im Faltenwurf noch stärker gotisch. Über die Nichtzugehörigkeit
der Bilder s. auch Vogelsang, S. 57, Anm. 2.
3 Diesen Meister erkannte schon Vogelsang, S. 59/60, wenn er auch sein «Oeuvre» nur flüchtig andeutete; vgl. seine ein-
gehende Charakteristik. Dieser B schuf nicht alle Miniaturen im zweiten Bande außer dem Anfang, wie Vogelsang meint,
wenngleich die Hauptmasse der Bilder. Vogelsang hat seine Hand bereits in der Handschrift V 402 im Haag wiedererkannt.