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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 33.1916

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I. Theil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.6168#0105
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Geschichte der venezianischen Skulptur im XIV. Jahrhundert.

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mentes. Mit Ausnahme jenes des Dogen Francesco Dandolo vom Jahre i33c), das in seiner ursprüng-
lichen Gestaltung nicht mehr erhalten ist, hatten wir es bisher fast immer mit frei auf vier Säulen
ruhenden Sarkophagen zu tun, die alle an den vier Seiten Reliefs trugen. Neu war nur das toska-
nische Motiv des Paradebettes am Grabmal des Bischofs Castellano, das aber mit keiner äußeren
Architektur in Verbindung stand. Hier hingegen haben wir die älteste uns in Venedig bekannte
Form des Wandnischengrabes vor uns, die architektonische Betonung der Wand, des Grab-
males wegen, das, von einer Nische gerahmt, dadurch eine größere
Wirkung erlangt.

Wir sind in der Entwicklung der venezianischen Skulptur, einer
neuen Richtung folgend, bis hinauf in die dreißiger Jahre des Tre-
cento gelangt. Für die gleiche Zeit wurde bereits das Fortleben einer
byzantinisch-einheimischen Richtung festgestellt; außerdem begegne-
ten uns nun Werke, die in einem engen Zusammenhang mit der Kunst
der Toskana stehen. Abgesehen von einer allgemeinen Grundlage,
konnte aber kein direkter Einfluß des Giovanni Pisano wahrgenommen
werden: die Madonna der Arenakapelle blieb gegenüber den hier be-
handelten Bildwerken in einer vornehmen und erhabenen Isolie-
rung. Deutlich hingegen ergaben sich Einwirkungen der sienesischen
Bildhauerschule, der popularisierenden Kunst des Tino da Camaino,
vermengt mit römischen Motiven, zuletzt auch florentinische Ein-
schläge, d. h. solche, die der florentinisch - lokalen Umwertung des pisa-
nischen Stiles angehören. Somit keine direkte Einflußlinie, kein mo-
numentales Werk wie das Grabmal des Petrus Martyr von Giovanni
di Balduccio, das mit einem Schlage die Gesamtentwicklung Mailands
und der Lombardei mitreißen konnte; nur vereinzelte Beispiele des
neuen Stiles und auch diese nicht alle in Venedig, sondern hauptsäch-
lich in der Provinz. Es hat den Anschein, als ob in Venedig der von
Byzanz geerbte Konservatismus nicht nachgelassen hätte. Die offi- Fig. 62. Verkündigungsengel,
zielle Kunst, die in dem Sarkophag des Dogen Francesco Dandolo Venedig, iMuseo Corrcr.

ihren besten Repräsentanten hat, blieb der byzantinisierenden einhei-
mischen Richtung treu, während in der Frari-Kirche für einen florentinischen Gesandten ein
Grabmal in neuem Stile errichtet wurde. Udine, eine reiche Stadt im Besitze des Patriarchen
von Aquileja, holte, um den wundertätigen Odoricus zu ehren, einen Bildhauer aus Venedig heran,
sicher einen bekannten Künstler, der mit den toskanischen und den französischen Neuerungen ver-
traut war. Der Pfarrer von S. Simeone ließ wahrscheinlich durch einen in Venedig eingewan-
derten Römer mit eigenem Gelde dem Titularheiligen seiner Kirche ein prächtiges Grabmal errichten,
wogegen ein unbekannter Gläubiger derselben Kirche ein Devotionsrelief weihte, das dem Stile
und der Qualität nach den Arbeiten des Filippo de Sanctis angereiht werden kann. Mit diesen
Werken dringt im Veneto der toskanische Stil ein. Mit dem Grabdenkmale des Francesco Dandolo
feiert hingegen die byzantinisierende Kunst Venedigs ihr letztes offizielles Auftreten. Das nächste
Dogengrab, nur ein paar Jahre jünger, ist einer der ersten Vertreter einer neuen Richtung, die
für die Weiterentwicklung der Skulptur in Venedig die maßgebende wurde.

VII.

Im Jahre 1342 starb Bartolomeo Gradenigo, der i33g nach dem Tode des Francesco
Dandolo zum Dogen ernannt worden war. In der Vorhalle von S. Marco wurde ihm ein
Grabmal errichtet. Es hat die Form eines einfachen Wandgrabes (Fig. 58). Der Sargkasten ist
oben und unten stark profiliert; an den Ecken stehen die zwei Verkündigungsfiguren, in der Mitte

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