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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Planiscig, Leo: Randglossen zu Venedigs Bronzeplastik der Hochrenaissance
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0028
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20

Leo Planiscig.

Von der Pseudo-Tavaniflgur des Morganschen Klopfers ausgehend, will ich nun eine kleine,
vorläufig sicher nicht abgeschlossene Gruppe von typisch und stilistisch ähnlichen Statuetten aus
dem späten venezianischen Cinquecento besprechen: Abwandlungen dieser Figur, eine von der
anderen abhängig, eine Art Kette bildend, die uns schließlich zu einem Urbilde führt und uns die

Möglichkeit verschafft, einen konkreten Künstlernamen mit den
vielen Varianten eines und desselben Typus zu verbinden.

Die hier abgebildete Fortitudo-Statuette der Esten-
sischen Kunstsammlung zu Wien1 (Fig. 21) steht der Mor-
ganschen Frauenfigur am nächsten: die gleiche Gestalt, die ihren
nach vorne gebeugten, erhobenen rechten Fuß auf den undefi-
nierbaren zylindrischen Gegenstand stellt; die Haltung des Kopfes
und des rechten Armes, die Behandlung der Gewänder, deren
Falten, schließlich der unter der Brust geschnürte Gürtel sind
in beiden Fällen gleich. Nur die linke Hand erhebt sie nicht
zur Brust sondern hält damit ihr Attribut, die geborstene Säule,
das Zeichen der Stärke.

Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß wir hier Varianten des-
selben Modells vor uns haben, und zwar Varianten, die auf
Grund stilistischer Analogien demselben Künstler, respektive der-
selben Werkstatt zuzuschreiben sind. Man vergleiche die Köpfe,
den scharfen Schnitt der Augen, die Bildung der Nase, den
kleinen, halboffenen Mund! Beide Figuren lassen sich aber auf
einen in der Plastik der zweiten venezianischen Cinquecentohälfte
häufigen Typus zurückführen, der einen qualitativ höchst wert-
vollen Repräsentanten in der Judith-Statuette des Kaiser
Friedrich-Museums (Fig. 22) hat. Der Berliner Bronzenkata-
log2 führt das Stück unter der Bezeichnung «Alessandro Vittoria
und seine Werkstatt» an und unterläßt es nicht, die Uberein-
stimmung mit der «Venetia» auf dem «signierten Türklopfer
Giovanni Antonio Tavagnis bei Pierpont Morgan» festzustellen.
Tatsächlich ist die Umrißlinie bei allen drei Figuren dieselbe.
Auch die Judith hebt ihren rechten Fuß, nur daß sie ihn dies-
mal motiviert auf den Kopf des Holofernes stützt. Die linke
Hand hält sie, gleich der «Venetia», zur Brust erhoben, während
die Rechte (ungleich besser und artikulierter) an die Seite ge-
senkt ist. Einzelheiten in der Gewandbehandlung sind verschie-
den: kaum mehr die großen Flächen, welche die Bauchpartie
deutlich durchblicken lassen, sondern bewegtere Falten, unruhig
im Barockwind flatternd, nur am rechten, vorgebeugten Knie glatt aufliegend.

Nur die hohe Qualität in der Ausführung hindert uns, diese Judith-Figur mit den zwei
zuerst erwähnten Statuetten in engere Beziehung zu bringen. Betrachten wir hingegen einige
ihrer Varianten, wie etwa die Judith im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien (Fig. 23)3
oder die Judith mit dem Schwerte im Kunstgewerbemuseum zu Graz (Fig. 24)/ Werke,

1 Wien, Estensische Kunstsammlung, Inv.-Nr. 203. Braune Naturpatina und Spuren eines alten schwarzen Lacks.
H. 17 cm.

2 Goldschmidt, a.a.O., Nr. 12. Braune Natur- und dunkle Lackpatina. H. 19-2 cm. Hier wird auf die Oberein-
stimmung mit der «Venetia» des sogenannten Tavani-Klopfers hingewiesen. — Siehe auch Bode, Renaissance-Ausstellung,
Berlin 1898, Taf. XXXI, 3.

3 Bronzenkatalog Nr. 12. Braune Naturpatina und Reste eines alten schwarzen Lacks.

4 Vgl. Braun in «Kunst u. Kunsthandwerk» 1907, S. 531. — Ausgestellt 1907 im Kaiser Franz Josef-Museum zu Troppau.

Fig. 3o. Vincenzo Danti, Die Tochter
der Herodias.
Florenz, Baptistcrium.
 
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