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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Berenson, Bernard: Eine Wiener Madonna und Antonellos Altarbild von S. Cassiano
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0049
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Kine Wiener Madonna und Antonellos Altarbild von S. Cassiano.

39

Bewegung wie die des Tuches, das über dem Halsausschnitt des Engels in derselben «Verkündi-
gung» sichtbar wird. Selbst eine solche Zufälligkeit wie die seitliche Verschiebung der untern
Vorhanghälfte rinden wir genau so auf dem Hintergrund dieses Bildes. 'Wollte man Vergleiche
ziehen mit Werken, die noch nicht allgemein als Arbeiten Antonellos anerkannt werden, wie
z. B. der Madonna Mr. Bensons, so würden sich noch viel augenfälligere Ähnlichkeiten rinden; aber
mit Absicht suche ich solche nur bei Gemälden, die Signaturen, Dokumente und innere Merkmale
als solche außer Frage stellen.

Hände sind für einen Künst-
ler womöglich noch bezeichnen-
der als Falten. Die zwei in der
linken unteren Ecke, die das
Glas halten, sind so vollständig
den Händen des Engels in Syra-
kus oder denen der Madonna
in Messina (Fig. 6) ähnlich, daß
sie allein genügen würden, unser
Staunen zu erregen, wenn das
Werk, in dem sie sich vorfin-
den, nicht von Antonello wäre.
Die rechte Hand mit den Kir-
schen hat denselben energisch
zurückgebogenen Daumen wie
die eben erwähnte Madonna in
Messina und die Jungfrau in der
Svrakusaner «Verkündigung».
Was die andere Hand in unse-
rem Bilde betrifft, so gleicht sie
der des Gregor im Polyptichon
von Messina in aurfallender Weise.

Selbst solche Kleinigkeiten
wie die Blättchen und kleinen
Kreise, die den Thron verzieren,
rinden sich im Bilde von Syrakus
wieder, ebenso die wenige, nur
angedeutete gotisierende Gravie-
rung, z. B. das Vierblatt, das wir
auf dem Sitze sehen können.

Wir gaben zu, daß zwischen den zwei Gesichtern unseres Bildes und Gesichtstypen auf
anderen Bildern Antonellos keine große Ähnlichkeit besteht. Wenn wir aber unsere Aufmerksam-
keit Einzelheiten zuwenden, so fehlt es nicht an Ähnlichkeiten. So erinnert die Modellierung von
Mund und Kinn des Kindes an den Dresdener «Sebastian» (Fig. 7); und wenn der Mund der
Jungfrau geschlossen wäre, würde er mehr als einem in Antonellos Bildnissen ähneln. Endlich
ist das Haar des Kindes mit seinen rebellischen Locken mit solch lebendigem Pinselstrich gemalt,
daß es uns an den «Gabriel» in Syrakus erinnert.

So weisen also Komposition und Eigentümlichkeiten der Wiener Madonna auf Antonello als
ihren Schöpfer hin und es bleibt nur übrig, zu erwägen, ob nichts in dem Bilde ein späteres
Datum als 1479, das Todesjahr Antonellos, bedingt, und dann zu untersuchen, ob es die Quali-
täten einer Arbeit seiner Hand hat. So sehr ich auch gesucht habe, ich konnte doch keinen An-
haltspunkt dafür rinden, daß es später als 1479 geschaffen wurde. Es ist vielmehr guter Grund

Fig.

Madonna aus der Verkündigung von Antonello da Messina.
Svrakus. Palazzo Bellomo.
 
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