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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0126
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ii4

Ludwig von Baldass.

Einen deutlichen Fortschritt über diese zwei Bilder zeigt die Ruhe auf der Flucht in der Samm-
lung von Kaufmann in Berlin (Fig. 2).1 Durch den Wald in der Mitte der Tafel hat die Landschaft
ein klares Bildzentrum erhalten. Rechts davon sehen wir aufsteigendes Gebirge, links den weiten
Ausblick auf ein Flußtal. Bedeutend entwickelter ist vor allem die Raumdarstellung. Freilich
ergibt sich an der Stelle, wo die Hintergrundlandschaft an die Terrainwelle des Vordergrundes
stößt, noch eine arge Diskrepanz der Größenverhältnisse. Während einige Motive der Fernlandschaft
noch an Memling erinnern, zeugt die Wiedergabe des Waldes und der Lilien schon von dem
Studium Gerard Davidscher Gemälde. Noch klarer disponiert ist die Landschaft mit der Himmel-
fahrt der heiligen Magdalena, die als «Roelandt Savery» mit der Mailänder Sammlung Crespi im
Friihsommer 1914 in Paris versteigert wurde.2 Der große Felsen in der Mitte des Bildes dient
ebenso als Stützpunkt der Landschaftskomposition wie als Gradmesser der Tiefendistanzen. Die

Fig. 2. Joachim Patinir, Die Ruhe auf der Flucht nach Ägypten.
Berlin, Sammlung Kaufmann.

Ferne ist in reiner Aufsicht dargestellt. Es macht dem Künstler sichtlich Schwierigkeit, die wie
aus der Vogelperspektive gesehene Bodenfläche in die Bildebene hineinzuleiten. Er hilft sich damit,
daß er das Gemälde am unteren Bildrande rechts und links des Felsens mit Buschwerk abschließt.
Einem ähnlichen Bildabschluß begegnen wir auf dem Martyrium der heiligen Katharina in der
Wiener kaiserlichen Gemäldegalerie (Fig. 3).3 Der Horizont ist höher an den oberen Bildrand hinauf-
geschoben, die Fernlandschaft in noch stärkerer Aufsicht dargestellt. Deutlich erkennt man, daß an

1 Dasselbe Thema scheint Patinir mindestens dreimal behandelt zu haben ; leider sind mir die beiden anderen Bilder
nicht im Original bekannt. Ein kleines Bildchen : h. 25, br. 3o cm) im Besitze des Herrn Julius Böhler (Sohn) in München
scheint die primitivste Fassung zu sein; die Baumbehandlung erinnert noch ganz an die frühen Bilder in Karlsruhe und
Antwerpen. Das Gemälde der Sammlung Johnson in Philadelphia (abgebildet in Valentiners Katalog II, Nr. 377) repräsentiert
hingegen ein etwas vorgeschritteneres Stadium der Entwicklung als die Kaufmannsche Ruhe auf der Flucht. Auffallender-
weise ist auf allen drei Varianten die Fernlandschaft links vollkommen gleich gebildet.

2 Abgebildet im Auktionskatalog. Photographie von Anderson, Rom, Nr. 3480.

3 Eine Wiederholung bei R. Douglas in London. Im Raumempfinden und in der Felsenbildung erscheint dem Katha-
rinenmartyrium verwandt die Himmelfahrt Mariae der Sammlung Johnson (Valentiner II, Nr. 378), die aus der Sammlung
Friedrich Lippmann in Wien stammt. Auch die Taufe Christi, die 1914 bei Muller in Amsterdam mit der Kölner Sammlung
Rudolf Pelzer versteigert wurde (Lichtdruck im Auktionskatalog), gehört — wenn eigenhändig — dieser Schaft'enszeit des
Meisters an. Das Wiener Gemälde wurde von Willis (Monatshefte für Kunstwissenschaft VII [1914], S. 45) mit Unrecht
 
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