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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0127
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Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel. 1^5

ihrer Darstellung dem Künstler am meisten gelegen ist. Die Stadt an der Meeresküste nimmt die
Mitte des Bildes ein und drückt die eigentliche Handlung an die Seite. Ein vom Vordergrund
aus diagonal aufsteigender Bergrücken dient dem Auge als Hilfslinie zum Abmessen der Ent-
fernungen. Viel stärker detailliert sind die Felsen gebildet. Auch in der Wiedergabe der Häuser
und Hütten zeigt sich ein Studium der Einzelheiten, das bisher bei Patinir nicht zu finden war
und an Hintergrundlandschaften Davids, z. B. an die Darstellungen der Geburt Christi in der
Budapester Galerie und in der Sammlung Kaufmann, erinnert.

Das Schisma zwischen der für die Landschaft gewählten Aufsicht und der Vorderansicht der
Figuren, der Felsen, Bäume und Häuser ist geschickt überbrückt bei der Taufe Christi im Wiener

Fig. 3. Joachim Patinir, Martyrium der heiligen Katharina.
Wien, kaiserliche Gemäldegalerie.

Hofmuseum (Taf. X). Durch die sichtliche Unterordnung der einzelnen Motive unter die Gesamt-
stimmung erweckt die Landschaft zum ersten Male den Eindruck eines einheitlichen Ganzen. Als ord-
nendes Mittel erscheint der Jordanfluß, der die Landschaft durchzieht. Er durchmißt erst die Bildbreite,
biegt dann in einem scharfen Knie um und fließt aus der Tiefe heraus bis an die Bildebene heran.
Die Tiefe wirkt um so überzeugender, als ein reichfarbiger Wolkenhimmel das Auge wieder vom
Horizont nach vorn leitet. Die Figuren dieses Bildes sind deutlich beeinflußt von dem berühmten
Hauptwerk Gerard Davids, der um 1502 entstandenen Taufe Christi in der Brügger Akademie.
Dieser Davidsche Einfluß beschränkt sich nicht auf die beiden Hauptfiguren sondern macht sich
auch in den untersetzten Gestalten, die im Mittelgrund der Predigt des Täufers lauschen, geltend.
Zeichnung und Modellierung ihrer Gesichter und Hände und der Faltenwurf zeugen deutlich für
einen Meister aus Davids Nähe und Schulung. Mehr noch als an Tafelbilder des führenden Brügger
Meisters selbst erinnern sie an Miniaturen aus dem Davidkreise; man vergleiche nur das Esels-

dem Patinir abgesprochen. Hingegen ist die Kreuztragung der ehemaligen Sammlung Schacky in München, jetzt im Besitze des
Herrn Paul von Schwabach in Berlin, die Willis derselben Hand zuweisen möchte, wirklich nur Schulwerk. Von einem dritten
Künstler, der bereits einer vorgeschrittenen Zeit angehört und dem Braunschweiger Monogrammisten nahesteht, rührt die ge-
zeichnete Kreuztragnng des Berliner Skizzenbuches her. An diesen Künstler erinnert vor allem die Rückenrigur des Zuschauers
mit dem Tragkorb, die bereits Bruegel vorahnen läßt.
 
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