Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) (34.1918)

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Ludwig von Baldass.

Liggeren der Antwerpener St. Lucasgilde entnehmen können, ist, daß Patinir im Jahre 1515 als Frei-
meister der Malerbrüderschaft aufgenommen wurde1 und daß er 1524 gestorben ist. Welches Alter er
erreicht hat, wo er vor 1515 sich aufgehalten hat, ist uns noch unbekannt. Da aber seine frühen
Gemälde deutlich aus der Brügger Tradition herauswachsen, zuerst an Memling anklingen, um
dann immer stärker den Einfluß Gerard Davidscher Kunst zu zeigen, müssen wir wohl einen langen
Aufenthalt des Künstlers in Brügge annehmen. Es erscheint tunlich, die Entstehung sämtlicher

Fig. 6. Joachim Patinir und Qucntin Massys, Die Versuchungen des heiligen Antonius.

Madrid, Prado-Muscum.

bisher besprochener Werke vor der Übersiedlung nach Antwerpen zu mutmaßen. Jedenfalls muß
die Wiener Taufe Christi in Brügge entstanden sein. Der gewaltige entwicklungsgeschichtliche
Fortschritt, der dieses Gemälde über die zweifellos echt signierten Bildchen in Karlsruhe und

Patinirs aufgenommen hat. Doch weist dieser Forscher mit Recht darauf hin, daß die Abweichungen nicht im Sinne Patinirs
gebildet sind.

1 Im gleichen Jahre wird auch ein Meister Gheraet van Brugghe, in dem man wohl mit Recht Gerard David ver-
mutet hat, in die Antwerpener Lucasgilde aufgenommen. Diese Übersiedlung der beiden bedeutendsten Künstler Brügges nach
Antwerpen steht sicher in Zusammenhang mit dem gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung der Scheidestadt, die Brügge be-
reits weit überflügelt hatte. So berichtet uns Guicciardini (Descrizione di tulti i paesi bassi, Anversa MDLXV11, p. 84), daß
im Jahre 1516 alle in Brügge residierenden fremden Kaufleute mit einziger Ausnahme der Spaniolen nach Antwerpen über-
siedelt seien.