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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Baldass, Ludwig: Die niederländische Landschaftsmalerei von Patinir bis Bruegel
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0142
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i3o

Ludwig von Baldass.

steht in der Auffassung in starkem Gegensatz zur gleichzeitigen holländischen Kunst. Zu Beginn
des XVI. Jahrhunderts begegnen wir in Holland statt epischer Schilderung überall lyrischer Stim-
mungsmalerei. Gegenüber dem weiten Weltbild herrscht der enge Bildausschnitt. Auch die ein-
zelnen Motive sind auf den Gemälden der führenden holländischen Künstler, zu denen auch der
Harlemer Jan Joest zu zählen ist, viel weniger in jener allgemein idealisierenden Form gehalten
wie in Flandern und häufig der heimischen Natur unmittelbar entnommen. Dieser in der Land-
schaftsmalerei besonders stark ausgeprägte Unterschied des süd- und nordniederländischen Tempe-
raments findet seine Erklärung in der eng an die Tradition gebundenen, technisch höchst voll-

Fig. 16. Jan Mostaert, Die Verstoßung der Hagar.
München, Sammlung Oertel.

endeten Kunstübung in Belgien und in der Möglichkeit einer freieren Entfaltung der Individualität
in Holland. Wenn nun der bewegliche Jan de Cock in seinem Eremitenbilde nicht nur den inti-
men Reiz der erwähnten Gemälde des Engebrechtsz zu erreichen trachtete sondern auch dessen
Technik des Farbenauftrages und der Pinselführung sich anzueignen bestrebt war, so war er doch
keineswegs blind für die großen Errungenschaften des seit 1515 mit ihm in derselben Stadt leben-
den Joachim« Patinir. Ein Zeugnis tiefgehender Anregungen von dieser Seite ist das Bissingsche
Christophorusbild. Das Gemälde kann sich freilich an malerischer Vollendung und an Reichtum des
Details mit dem Patinirschen Christophorus im Escurial nicht messen. Aber es bedeutet eine Weiter-
entwicklung, daß die Vertiefung nicht jäh in die Tiefe hineingeführt sondern durch eine das Bild
quer durchziehende Diagonale erreicht wird. Der vom Bildrand überschnittene große Baum schließt
die Komposition im Sinne der holländischen Kunst ab. Wie Quentin Massys, so stellt auch Jan
de Cock die Figuren des Vordergrundes bereits in Aufsicht dar. Durch das Mittel der Uberschnei-
dung werden die von rechts in die Wasserfläche hineinspringenden Landzungen überzeugend als
hintereinander befindlich dargestellt. Der koloristische Unterschied zwischen den weißen Felsen des
 
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