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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0176
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IÖ2

Rudolf Oldenbourg.

nicht bekritteln könnte. Erst unter der Voraussetzung der fertig überdachten Bildgestalt wird die
Natur in Einzelstudien befragt und derart stückweise dem gesamten Zusammenhang zugeführt.
Bei diesem Aneinanderfügen von einzelnen Teilen untergeordneter Bedeutung lag nichts näher,
als daß man Stücke aus bewährten Vorbildern entlehnte, wenn die eigene Erfindung im Augen-
blick nichts Besseres eingeben wollte. Wie Bloemaert gelegentlich den borghesischen Fechter als
Hirten in eine «Anbetung» stellt, so verschmäht auch Rubens nicht, sich fremder Figuren gleich-
sam als Bausteine zu bedienen, ja er folgt dieser Praxis, die wir heute als epigonenhafte Unfrucht-
barkeit zu hart zu verurteilen geneigt sind, bis in sein hohes Alter, später allerdings vorwie-

Fig. 2. Rubens, Die Anbetung der Könige.
Madrid, Prado.

gend, indem er Figuren aus eigenen Kompositionen wiederholt. Die Feststellung solcher Plagiate
nach eigenen und fremden Werken bietet zwar der chronologischen Betrachtung Anhaltspunkte
von gewissem Wert; ihre Bedeutung darf jedoch gerade bei Rubens nicht überschätzt werden, der,
sofern er nur wirklich selber am Werk ist, für jeden Anlaß ein völlig neues Bild findet und
solche Entlehnungen nur wie Ausdrücke gebraucht, die man in zwei Sätzen von ganz verschiede-
nem Sinn wiederholt. Mit der gleichen Unbefangenheit, wie aus der Natur, schöpft er gelegent-
lich aus dem ihm bekannten Material der Kunstgeschichte, wenn sie seinem Gestaltungswillen
gerade etwas Geeignetes zu bieten hatte.

Im ganzen bildet Rubens bis etwa zu seinem dreißigsten Lebensjahre mit dem Vorbehalt
einer ungleich stärkeren Begabung eine reine Parallele zu seinen Vorgängern Fr. Floris, M. de Vos,
O. van Veen u. a. Wie diese, hat auch er den Geist der großen Renaissancemeister zum guten Teil
aus der Hand von zeitgenössischen, also nachklassischen Künstlern empfangen, deren Bedeutung
für den Romanismus erheblich unterschätzt zu werden pflegt. Die Beobachtung Haberditzls,
 
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