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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0175
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Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.

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sischen Tradition fordert, liegt es ihm zunächst durchaus fern, sich durch gewagte, eigenwillige
Kundgebungen seines Talentes irgendwie hervorzutun. Während er die Lehren seiner Schule in
sich aufnimmt und sich handwerklich vervollkommnet, bleibt das Kapital seiner persönlichen
Gaben hinter den Vorschriften des Üblichen, Schicklichen und Nachahmenswerten lange Zeit fast
unberührt liegen. Nach vollendeter Lehrzeit eilt er wie alle anderen Studiengenossen über die
Alpen, um an den geweihten Stätten der klassischen Kunst den Schwur seiner Treue abzulegen.
Was er hier sah, mußte ihm zu-
nächst mehr durch die originale
Frische als dem Wesen nach neu
erscheinen; denn er fand nur tau-
sendfach bestätigt, was ihm von
Jugend auf eingeprägt war. So
zögert er auch nicht, sich in der
«Helena» von 1601, die er Raffaels
Cäcilie nachbildet, offen zum römi-
schen Klassizismus zu bekennen
und ihm auch in den riesigen
Gemälden der «Taufe» und «Ver-
klärung» von 1604—1605 weiter
nachzueifern. Zugleich folgt er

. einer sehr ausgesprochenen Nei-
gung für die venezianische Farbe
und scheint damit die von der
ganzen Epigonenkunst geforderte
Yerquickung von römischer Zeich-
nung mit venezianischem Kolorit
endlich verwirklichen zu wollen,
wobei er freilich ebenso wie seine
Vorgänger verkennt, daß diese
beiden Elemente einander aus-
schließen. Mit seiner mehr dem
Geschmack als dem tieferen Sinn
nach venezianischen Farbe model-
liert er die Körper weiter in der
Art der römischen Meister, von

'denen allmählich Michelangelo mit
seinem Hang zum Kolossalen den
maßvollen Raffael bei ihm ver-
drängt.

Neben der Ästhetik der
romanistischen Schule vertritt Rubens auch ihre eigentümliche Arbeitsweise in reinster Form.
Von früh auf wurden die Schüler angehalten, auf ein Abgerundetes, Vollendetes hinzuarbeiten
und erst nach Festlegung des Gesamtkonzeptes auf die einzelnen Teile einzugehen. Auch der
flüchtigste Entwurf sollte nicht fragmentarisch oder eine anspruchslose Notiz aus dem Alltag sein
sondern bis zu einem gewissen Grad die Rundung eines abgeschlossenen Gebildes besitzen. Für
Rubens blieb diese Norm zeitlebens geltend. Er hat wohl nie eine Arbeit als mißglückt oder
«verhauen» unvollendet stehen lassen müssen sondern die jeweils gestellte Arbeit immer gleich
auf den ersten Wurf voll gelöst und dadurch in seinem ganzen unabsehbaren Schaffen eine ge-
schlossene, gleichwertige Vollendung erreicht, die man zwar insgesamt ablehnen, jedoch schlechthin

Fig.

Rubens, Die Disputa der Kirchenväter.
Antwerpen, St. Paul.
Stich von Snyers.
 
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