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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 34.1918

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I. Teil: Abhandlungen
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Oldenbourg, Rudolf: Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.6169#0177
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Die Nachwirkung Italiens auf Rubens und die Gründung seiner Werkstatt.

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Rubens sei den Caracci viel wesensverwandter als dem gewaltsamen Caravaggio, trifft freilich nur
insofern zu, als er sich in seinen früheren Jahren, abgesehen von der Porträtkunst, in der er dem
Süden gleich ganz neue Gestalten mitteilte, durchaus eklektisch verhielt. Eben deshalb aber
konnten ihm die Caracci, die doch selber nur auf die originale Kunst der Klassiker zurückwiesen
und ihm sozusagen parallel liefen, wenig oder nichts geben. Daß er gelegentlich eine Komposi-
tion Agostinos entlehnt, wie in dem Dresdener Hieronymus, oder fünfzehn Jahre später in der
Anbetung der Könige in Antwerpen Erinnerungen aus einer Radierung Annibales verwendet, fällt
gegenüber den zahlreichen ähnlichen
Beziehungen zu anderen Künstlern
nicht ins Gewicht. Die Caracci blie-
ben in ihrem Streben, die verschie-
denen Elemente der italienischen Lo-
kalschulen nivellierend zu vereinen,
für Künstler, die Anregung aus erster
Hand suchten, überhaupt unfruchtbar.
Wer täglich die Farnesina und die
Sixtinische Kapelle besuchen konnte,
dem wird die Galerie Farnese nicht
viel bedeutet hab^n; und tatsächlich
begegnen wir bei Rubens, der so un-
befangen mitteilt, was ihn beschäftigt,
nie eine Spur dieses während seines
Aufenthaltes in Rom vollendeten Fres-
kenzyklus.1

Wenn er den lebenden Anschluß
an die Klassiker überhaupt bei zeitge-
nössischen Künstlern suchte, so fand
er ihn viel eher bei den sogenannten
Manieristen, mit denen er durch seine
Erziehung schon enge Fühlung besaß
und die ihm die Traditionen der
Hochrenaissance in den Formen des
zeitgenössischen Geschmackes übermit-
telten. Als schlagendes Zeugnis hier-
für steht am Schluß der italienischen
Zeit der Hochaltar der Chiesa Nuova,
dessen Anlage Rubens einem im Gesü

aufgestellten Gemälde von Federigo Zuccaro, dem Lehrer seines Lehrers Otto van Veen, entlehnt.2
Augenscheinlich hielt er es bei diesem aller Augen exponierten Werk für passend, noch einmal
ganz der konservativen, ihm von Jugend an geläufigen Form zu folgen und seine persönlichen

Fig.

Elsheimer, Der Sultan.

Nach einer Nachzeichnung von Rubens gestochen von Soutman.

1 Der von H. Tietze unternommene Versuch, im Gegensatz zu der üblichen Anschauung den selbständigen Charakter
der caraccesken Kunst zu betonen, kann ähnlich wie Kallabs Bemühung, die verblüffende Wirkung von Caravaggios Auf-
treten durch den Hinweis gewisser vermittelnder Beziehungen zum Vorausgehenden abzuschwächen, nur bedingt anerkannt
werden. Der Wert der beiden Arbeiten ist unbestritten, nicht nur durch ihre sachlichen Ermittlungen, sondern gerade dadurch,
daß sie ihren Stoff von einem anderen als dem herkömmlichen Standpunkt beleuchten wollen. Wer jedoch diese Künstler
weniger monographisch um ihrer selbst willen als in ihren Ausstrahlungen auf die zeitgenössische Malerei beobachtet, kommt
im wesentlichen über ihre alte Einschätzung nicht hinaus.

2 Offenbar hat auch die große «Bekehrung Pauli» von Zuccaro in S. Marcello auf Rubens Eindruck gemacht; wenig-
stens wird sie für seine große Komposition (um 1618) in Berlin in gleicher Weise von Bedeutung, wie zur gleichen Zeit die
Schlacht von Anghiari in seinen Jagdbildern nachwirkt.
 
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