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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 35.1920-1921

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Glück, Gustav: Rubens' Liebesgarten
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https://doi.org/10.11588/diglit.6170#0064
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Gustav Glück.

Argote de Molinas der Herzog Karl von Burgund dargestellt war, wie er mit der Herzogin und
Damen und Kavalieren auf die Jagd geht, alle in Weiß gekleidet, in seltsamen Kostümen und Hüten
nach der Mode seines Landes. Auch hier steht im Mittelpunkte der Darstellung ein gedeckter
Tisch; daran lehnt, einen Falken auf dem Arm, der Herzog, ohne Zweifel Philipp der Gute, nicht
Karl der Kühne, und daneben steht die Herzogin, in der man Philipps zweite Gemahlin, Bonne
d'Artois (f 1425), zu erkennen glaubt. Eine große Anzahl von Herren und Damen des Hofes
umgibt, plaudernd und lustwandelnd, das herzogliche Paar; alle sind in weißer Kleidung, die noch
im XVI. Jahrhundert bei Festlichkeiten burgundischer Fürsten gebräuchlich geblieben zu sein
scheint.1 Selbst die Musikanten, die Diener, ein Falkenjäger und der Hofnarr des Herzogs (dessen
Identität durch eine Zeichnung des Porträtalbums der Bibliothek von Arras nachgewiesen ist) sind
in Weiß gekleidet. Im Hintergrunde geht an dem nahe von einem Schloß gelegenen Weiher eine
Entenjagd vor sich.

Der sogenannte «große Liebesgarten» erscheint uns wie eine kurzgefaßte Darstellung genau
desselben Vorwurfs: eines Jagdfrühstücks im Freien. Aber auch in Bezug auf den Stil ist die Überein-
stimmung zwischen Stich und Bild sehr groß: man vergleiche die lockere Art der Komposition, die

Fig. 4. Niederländisch 1463, Fackeltanz am burgundischen Hofe.
Wien, Sammlung des Herrn Dr. Albert Figdor.

Behandlung der Gewänder, die Haltung und Bewegung der einzelnen Figuren, von denen besonders
der an dem Tische lehnende, die Fußspitzen ausstreckende Herzog und auch einer der Musikanten
auf dem Bilde in ihrer Stellung genau dem Kavalier, der einer Dame den Becher reicht, auf dem
Stiche entsprechen. Ohne Zweifel entstammen beide Kunstwerke demselben Kreise, sie gehören zu den
am Hofe Philipps des Guten entstandenen sittenbildlichen Darstellungen, deren ursprüngliche An-
zahl man sich nicht zu gering denken darf. Abgesehen von den verlorenen Sittenbildern Jan van
Eycks, unter denen auch eine «Otternjagd» genannt wird, hat es sicherlich manche Gemälde mit
Szenen aus dem gesellschaftlichen Leben des burgundischen Hofes gegeben. Durch ein interessantes Ölbild
in der Sammlung des Herrn Dr. Figdor in Wien (Fig. 4),2 das einige Jahrzehnte später entstanden
sein muß als die bisher genannten Darstellungen, werden wir an denselben Hof geführt: hier haben
sich — wenn die beigefügten Inschriften richtig sind3 — Philipp der Gute und seine dritte

1 Van Mander (ed. Floerke I, S. 202) erzählt von einem solchen Feste, das Adolf von Burgund dem Kaiser Karl V.
gab und bei dem der Maler Mabuse unter den in weißen Damast gekleideten Personen des Hofes in einem prächtigen Kleide
aus kunstvoll bemaltem weißen Papier erschien, ein Künstlerscherz, der dem Kaiser sehr gefallen haben soll.

2 Zuerst abgebildet bei Paul Lacroix, Mceurs, usages et costumes au moyen-äge et ä l'epoque de la renaissance, Paris
1871, Taf. zu p. 260.

3 Da die Bildnisähnlichkeiten nicht schlagend sind und da die Beischriften nicht sicher aus der Zeit der Entstehung
der Darstellung stammen, sind Zweifel nicht ganz unberechtigt. Auffallend ist es jedenfalls, daß die als «Monsieur d'Estampes»
 
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