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E. Tietze-Conrat.
in vielen Fällen auf einen Maler zurückgeht, daß überhaupt den Werken der Skulptur häufig die
Angaben und Entwürfe von Malern, von Maler-Architekten zugrunde liegen.
Giotto hat für den 1327 verstorbenen Bischof von Arezzo Guido Tarlati da Pietramala die
Zeichnung für ein besonders reiches und über alle Maßen verziertes Grabdenkmal entworfen und
soll auch zur Ausführung die Bildhauer Agostino und Agnolo empfohlen haben. Cicognara be-
zweifelt zwar diese von Vasari gebrachte Nachricht; die beiden Künstler wären zu gut, noch der
Vorzeichnung eines anderen zu bedürfen (Vasari-Sansoni I, 434 Anm.). Es ist die Originalitäts-
auffassung des XIX. Jahrhunderts, die dieser Skepsis zugrunde liegt. Der Reliefschmuck des Cam-
panile in Florenz geht auch auf Giottos Erfindung zurück; ob er nur Entwürfe oder wirkliche
«modelli di rilievo» gearbeitet hat, die Andrea Pisano nur in den Stein übertragen mußte, läßt
sich nicht entscheiden. Man möchte a priori annehmen, daß es nicht anders war als bei den
Fig. I. J. Pendel, Elfenbeinrelief.
Wien, Kutisthistorisches Museum.
Tugenden der Loggia dei Lanzi, die von verschiedenen Bildhauern nach den Entwürfen Agnolo
Gaddis skulpiert wurden. Wie wohl so eine Zeichnungsvorlage ausgesehen haben mag? In der
Vorstellung tauchen die grau in grau gemalten Steinbilder Giottos, der Sockel der Arenakapelle
auf — doch eine erhaltene Gruppe von Zeichnungen in Orvieto, London und Berlin 1 möchte uns
einen andern Weg führen. Es sind Teile eines großen Werkes, die ausgeführte Zeichnung einer
Kanzel, wie sie dem Voranschlag oder Kontrakt beigelegt zu werden pflegt;2 doch scheint der
bedeutende Plan niemals zur Ausführung gelangt zu sein. Mit unermüdlicher Sorgfalt sind die
Ornamente gezeichnet: die Pässe in den Bogen, die Rautenmotive in den Zwickeln, an den Pfeilern,
das gerade geführte Rankenwerk, ebenso das engprofilierte Gebälk, das sich um die etwas willkür-
lich verkürzten Figurensockel fortsetzt. Und nicht anders wie diese struktiven und ornamentalen
Glieder sind die figuralen Teile behandelt; man fühlt es, sie waren dem Zeichner nicht wichtiger,
er wollte sie nicht intensiver gestalten als jene unlebendigen. Bei den Reliefs ist der Hintergrund
1 Publiziert von der Vasari-Society, Part I.
2 Nach mündlichen Uberlieferungen des Herrn Dr. Meder, Direktors der Albertina. Der Brauch, juridisch begründet,
hat sich bis heute erhalten.
E. Tietze-Conrat.
in vielen Fällen auf einen Maler zurückgeht, daß überhaupt den Werken der Skulptur häufig die
Angaben und Entwürfe von Malern, von Maler-Architekten zugrunde liegen.
Giotto hat für den 1327 verstorbenen Bischof von Arezzo Guido Tarlati da Pietramala die
Zeichnung für ein besonders reiches und über alle Maßen verziertes Grabdenkmal entworfen und
soll auch zur Ausführung die Bildhauer Agostino und Agnolo empfohlen haben. Cicognara be-
zweifelt zwar diese von Vasari gebrachte Nachricht; die beiden Künstler wären zu gut, noch der
Vorzeichnung eines anderen zu bedürfen (Vasari-Sansoni I, 434 Anm.). Es ist die Originalitäts-
auffassung des XIX. Jahrhunderts, die dieser Skepsis zugrunde liegt. Der Reliefschmuck des Cam-
panile in Florenz geht auch auf Giottos Erfindung zurück; ob er nur Entwürfe oder wirkliche
«modelli di rilievo» gearbeitet hat, die Andrea Pisano nur in den Stein übertragen mußte, läßt
sich nicht entscheiden. Man möchte a priori annehmen, daß es nicht anders war als bei den
Fig. I. J. Pendel, Elfenbeinrelief.
Wien, Kutisthistorisches Museum.
Tugenden der Loggia dei Lanzi, die von verschiedenen Bildhauern nach den Entwürfen Agnolo
Gaddis skulpiert wurden. Wie wohl so eine Zeichnungsvorlage ausgesehen haben mag? In der
Vorstellung tauchen die grau in grau gemalten Steinbilder Giottos, der Sockel der Arenakapelle
auf — doch eine erhaltene Gruppe von Zeichnungen in Orvieto, London und Berlin 1 möchte uns
einen andern Weg führen. Es sind Teile eines großen Werkes, die ausgeführte Zeichnung einer
Kanzel, wie sie dem Voranschlag oder Kontrakt beigelegt zu werden pflegt;2 doch scheint der
bedeutende Plan niemals zur Ausführung gelangt zu sein. Mit unermüdlicher Sorgfalt sind die
Ornamente gezeichnet: die Pässe in den Bogen, die Rautenmotive in den Zwickeln, an den Pfeilern,
das gerade geführte Rankenwerk, ebenso das engprofilierte Gebälk, das sich um die etwas willkür-
lich verkürzten Figurensockel fortsetzt. Und nicht anders wie diese struktiven und ornamentalen
Glieder sind die figuralen Teile behandelt; man fühlt es, sie waren dem Zeichner nicht wichtiger,
er wollte sie nicht intensiver gestalten als jene unlebendigen. Bei den Reliefs ist der Hintergrund
1 Publiziert von der Vasari-Society, Part I.
2 Nach mündlichen Uberlieferungen des Herrn Dr. Meder, Direktors der Albertina. Der Brauch, juridisch begründet,
hat sich bis heute erhalten.