102
E. Tietze-Conrat.
Zu einer andern Gruppe gehört Cigolis Entwurf zum Reiterdenkmal Heinrichs IV. in den
Ufrizien. Der Sockel ist zwar flüchtiger skizziert; hier mußte der Maler wohl besondere Zeich-
nungen liefern, nach denen Bartolomeo Bordoni, Francavillas Schüler, die Güsse arbeitete (Baldi-
nucci X, ng); aber der Reiter auf dem feinköpfigen Roß ist eingehend bis in die letzten Kleinig-
keiten der geschmückten Rüstung, der gestickten Decke behandelt. Und das zittrige Flattern der
Schärpe kehrt in dem Modelle wieder, das der greise Giovanni Bologna für das große Reiterbild
des Ferdinand Medici goß.1 So dürften auch die Zeichnungen, die sich Bologna für seinen ersten
Cavallo von Cigoli oder Goro Pagani herstellen ließ (Baldinucci VIII, 13 r), nicht nur den ab-
strakten Gedanken festgehalten, den bloßen Concetto variiert haben. Und als Tacca das Denkmal
Philipps IV. modellierte, waren es auch nicht rein sammlerische Interessen, die ihn den König um
eine Skizze von Rubens angehen ließen, wie es Baldinucci gerne darstellen möchte, sondern die
schwierige Ponderierung der Corvetta sollte ihm durch die geniale Zusammenfassung des Malers
erst geläufig werden. Er folgte auch nur alter
Gepflogenheit, als er sich, um die Statue ähn-
licher zu gestalten, noch einen größer ausge-
führten Porträtkopf des Königs erbat (Baldi-
nucci X, 437).
Hier ging die Initiative vom Bildhauer
aus; er war es, der sich um die Unterstützung
des Malers umsah. Auch der andere Fall ist
häufig, daß der Auftraggeber sich mit dem
Maler bespricht, der schon andere Arbeiten
für ihn ausgeführt hat und sein Vertrauen ge-
nießt. Der Maler ist es, der beweglichere
Künstler, der den Wünschen des Mäzens, des
Fürsten, sobald er ihnen nur Ausdruck gab,
mit der schnell aufs Papier geworfenen Skizze
dient. So gewann sich der bevorzugte Maler
des Hofes eine Art Privileg, daß von seinem
Geiste allein die Erfindungen alle stammen müß-
ten, die von vielen Händen in flüchtige Fest-
dekorationen umgesetzt wurden oder vom
Bildhauer im Monument von Stein und Erz
ihr dauerndes Leben bekamen. Hans Burgk-
mairs Entwurf zum Reiterbildnis des Kaisers
Maximilian I.2 ist erhalten, doch das Denkmal, das Jörg Erhart ausführte, ist zugrunde gegangen
und nach der kleinen Abbildung auf dem Stich bei Braun 3 ist die Vergleichung unmöglich. Das
«Muster oder modell», das der Hofmaler Erzherzog Ferdinands, der Bergamaske Francesco Terzio,
1562 für den «Singenden Brunnen» Kaiser Ferdinands I. in Prag entwarf, wird wohl niemals
mehr auftauchen.4 Von Florian Abels Zeichnungen, nach denen anfangs seine Brüder und vor
allem später Alexander Colin die Marmorreliefs in der Innsbrucker Hofkirche ausführten, können
wir uns keine Vorstellung machen, da kein anderes Werk dieses Malers bekannt wurde.5
Der Entwurf ist erhalten, das Werk ist vergangen — das Werk ist geblieben, der Entwurf
verloren. Den seltenen Fall, daß beides, Malervorlage und Bildhauerwerk, noch existieren, stellt das
1 Vgl. meinen Aufsatz «Die Bronzen der fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer», im Kunstgesch. Jahrbuch der
Zentr.-Komm. 1917, der eine Abbildung des Modells und der besprochenen Zeichnung Cigolis bringt.
2 L. von Baldass in diesem Jahrbuch XXXI.
3 Geschichte der Kirche und des Stiftes St. Ulrich und Afra, Augsburg 1817.
4 Oskar Pollak, Studien zur Geschichte der Architektur Prags (1520 —1600), in diesem Jahrbuch XXIX (1910), 126 (mit
Literatur). 5 Literatur bei F. Abel oder A. Colin in Thieme-Beckers Künstlerlexikon.
E. Tietze-Conrat.
Zu einer andern Gruppe gehört Cigolis Entwurf zum Reiterdenkmal Heinrichs IV. in den
Ufrizien. Der Sockel ist zwar flüchtiger skizziert; hier mußte der Maler wohl besondere Zeich-
nungen liefern, nach denen Bartolomeo Bordoni, Francavillas Schüler, die Güsse arbeitete (Baldi-
nucci X, ng); aber der Reiter auf dem feinköpfigen Roß ist eingehend bis in die letzten Kleinig-
keiten der geschmückten Rüstung, der gestickten Decke behandelt. Und das zittrige Flattern der
Schärpe kehrt in dem Modelle wieder, das der greise Giovanni Bologna für das große Reiterbild
des Ferdinand Medici goß.1 So dürften auch die Zeichnungen, die sich Bologna für seinen ersten
Cavallo von Cigoli oder Goro Pagani herstellen ließ (Baldinucci VIII, 13 r), nicht nur den ab-
strakten Gedanken festgehalten, den bloßen Concetto variiert haben. Und als Tacca das Denkmal
Philipps IV. modellierte, waren es auch nicht rein sammlerische Interessen, die ihn den König um
eine Skizze von Rubens angehen ließen, wie es Baldinucci gerne darstellen möchte, sondern die
schwierige Ponderierung der Corvetta sollte ihm durch die geniale Zusammenfassung des Malers
erst geläufig werden. Er folgte auch nur alter
Gepflogenheit, als er sich, um die Statue ähn-
licher zu gestalten, noch einen größer ausge-
führten Porträtkopf des Königs erbat (Baldi-
nucci X, 437).
Hier ging die Initiative vom Bildhauer
aus; er war es, der sich um die Unterstützung
des Malers umsah. Auch der andere Fall ist
häufig, daß der Auftraggeber sich mit dem
Maler bespricht, der schon andere Arbeiten
für ihn ausgeführt hat und sein Vertrauen ge-
nießt. Der Maler ist es, der beweglichere
Künstler, der den Wünschen des Mäzens, des
Fürsten, sobald er ihnen nur Ausdruck gab,
mit der schnell aufs Papier geworfenen Skizze
dient. So gewann sich der bevorzugte Maler
des Hofes eine Art Privileg, daß von seinem
Geiste allein die Erfindungen alle stammen müß-
ten, die von vielen Händen in flüchtige Fest-
dekorationen umgesetzt wurden oder vom
Bildhauer im Monument von Stein und Erz
ihr dauerndes Leben bekamen. Hans Burgk-
mairs Entwurf zum Reiterbildnis des Kaisers
Maximilian I.2 ist erhalten, doch das Denkmal, das Jörg Erhart ausführte, ist zugrunde gegangen
und nach der kleinen Abbildung auf dem Stich bei Braun 3 ist die Vergleichung unmöglich. Das
«Muster oder modell», das der Hofmaler Erzherzog Ferdinands, der Bergamaske Francesco Terzio,
1562 für den «Singenden Brunnen» Kaiser Ferdinands I. in Prag entwarf, wird wohl niemals
mehr auftauchen.4 Von Florian Abels Zeichnungen, nach denen anfangs seine Brüder und vor
allem später Alexander Colin die Marmorreliefs in der Innsbrucker Hofkirche ausführten, können
wir uns keine Vorstellung machen, da kein anderes Werk dieses Malers bekannt wurde.5
Der Entwurf ist erhalten, das Werk ist vergangen — das Werk ist geblieben, der Entwurf
verloren. Den seltenen Fall, daß beides, Malervorlage und Bildhauerwerk, noch existieren, stellt das
1 Vgl. meinen Aufsatz «Die Bronzen der fürstlich Liechtensteinschen Kunstkammer», im Kunstgesch. Jahrbuch der
Zentr.-Komm. 1917, der eine Abbildung des Modells und der besprochenen Zeichnung Cigolis bringt.
2 L. von Baldass in diesem Jahrbuch XXXI.
3 Geschichte der Kirche und des Stiftes St. Ulrich und Afra, Augsburg 1817.
4 Oskar Pollak, Studien zur Geschichte der Architektur Prags (1520 —1600), in diesem Jahrbuch XXIX (1910), 126 (mit
Literatur). 5 Literatur bei F. Abel oder A. Colin in Thieme-Beckers Künstlerlexikon.