Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

DOI Heft:
Nr. 31
DOI Artikel:
Jahresbericht des Verbandes Deutscher Juweliere, Gold- und Silberschmiede für das Geschäftsjahr 1906/1907
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0282
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.


ist bis jetzt noch nichts bekannt geworden, wie die Angelegenheit
geendigt hat.
Von Wiesbaden ist ein Inserat eingesandt mit folgendem Wort-
laut: „Noch nie dagewesen. Wir sind in der Lage, Ihnen ab-
gebildete Kavalier-Uhrkette mit feinem Berloque und garantiert
ISlcarätiger Goldauflage, der reichste Rentner kann keine schönere
tragen, zum Preise von Mk. 2,25 zu liefern. Keine sogenannte
feuervergoldete Kette, die wir schon für 75 Pfennig liefern“ usw.
Zunächst wurde gegen die inserierende Firma C. R. in B. wegen
der Bezeichnung „garantiert 181carätige Goldauflage“ Strafantrag
gestellt. Bei. der Vernehmung des betreffenden Firmeninhabers er-
klärte dieser, er beziehe die genannten Ketten von der Firma A. B.
in B. In einem jeden Karton, in welchem sich die Ketten befinden,
steht mit Goldschrift eingeprägt: 18karätige Goldauflage. Dann
folgten noch weitere Ausreden. Der Strafantrag hatte infolgedessen
keinen Erfolg. Der Wortlaut der ablehnenden Verfügung des be-
treffenden Amtsgerichtes Berlin-Schöneberg ist höchst sonderbar. Es
heisst wörtlich darin: „1. Die in der Annonce enthaltene Anpreisung
lässt den Mangel der Ernstlichkeit nicht verkennen und 2. der Wert
des Gegenstandes übersteigt 300 Mark, ist also mangels Dringlich-
keit das angerufene Gericht nicht zuständig. Der Wert des Streit-
gegenstandes wird auf 500 Mark festgesetzt“. Hieraus geht also
hervor, dass dem betreffenden Amtsrichter die Gewohnheiten des
Volkes völlig unbekannt sind. Es mag ja richtig sein, dass aka-
demisch gebildete Leute den Wortlaut des Inserates nicht ernst
nehmen. Das gewöhnliche Volk aber läuft gerade derartiger Markt-
schreierei nach. Deshalb ist gegen das Inserat vorgegangen und
müsste streng genommen dem Antrag stattgegeben werden. Wenn
nun der Wert über 300 Mark festgesetzt wurde, so ist von keinem
Menschen zu begreifen, auf welcher Grundlage diese Festsetzung
erfolgt ist; denn es handelte sich um minderwertige Messingketten,
die vergoldet werden.
In einem erneuten Antrag wurde gegen die Firma, welche die
Ketten geliefert hatte, Strafantrag gestellt, welcher ebenfalls keinen
Erfolg hatte, weil die Firma als Grossist sich damit herausgeredet
hat, dass die Ketteu in Oberstein gearbeitet seien.
Darauf ist nun gegen den Fabrikanten der Kette vorgegangen;
aus der Erhebung der Staatsanwaltschaft ist aber zu ersehen, dass
gegen alle drei Beteiligten direkt oder indirekt endgültig es zur
Verurteilung nicht kommen wird, weil den Betreffenden das Be-
wusstsein, eine strafbare Handlung begangen zu haben, nicht nach-
gewiesen werden kann.
Gegen einen ganz kleinen Juwelier R. in B. war bei der Staats-
anwaltschaft der Antrag gestellt worden, dem R. durch einstweilige
Verfügung aufzugeben, den Reklameunfug zu unterlassen, und zwar
die Bezeichnung „Exporteur von Edelsteinen“. Der Antrag wurde
abgelehnt, weil nicht genügend glaubhaft gemacht ist, in wie weit
die behauptete Reklame des Antraggegners über den Rahmen leerer
Anpreisungen hinausgeht bezw. Unwahrheiten enthält. Das Gericht
hatte sich nämlich auf den Standpunkt gestellt, weil der Juwelier R.
behauptet hat, er verschicke Brillanten, wie das ja bei jedem Juwelier
vorkommt, so dass die zur Irreführung geeigneten Angaben tatsäch-
licher Art, die ein strafrechtlicher Eingriff rechtfertigt, nicht gemacht
sind. Beschwerden bei der Oberstaatsanwaltschaft hatten ebenfalls
keinen Erfolg, weil das Gericht nicht weiss, was ein „Exporteur“
bedeutet, die Sache würde sonst einen anderen Verlauf genommen
haben. Es wurde auf die Privatklage hingewiesen, und soll darüber
noch beraten werden, ob diese angestrengt werden soll.
Uhrmacher, die sich Goldarbeiter nennen. In der leidigen An-
gelegenheit, Uhrmacher, die sich zu Unrecht die Bezeichnung Gold-
arbeiter beilegen, hat der Vorstand gegen einen Uhrmacher, welcher
sich Goldschmiedemeister nennt, den Klageweg beschritten und
schwebt die Angelegenheit jetzt vor dem Kammergericht, wo am
7. November dieses Jahres ein weiterer Termin ansteht.
Auf einen Antrag von uns bei der Staatsanwaltschaft ist gegen
einen Uhrmacher in P., welcher sich als Goldarbeiter bezeichnete,
wegen Verstoss gegen das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren
Wettbewerbes von Seiten der Staatsanwaltschaft öffentliche, Klage

erhoben. Nach langwierigen Verhandlungen' darüber, was unter
einem Goldarbeiter zu verstehen ist, erfolgte dennoch Freisprechung,
weil dem Beklagten nicht nachgewiesen werden konnte, dass er
wissentlich gegen die Bestimmungen des Gesetzes verstossen habe.
Da gerade diese Frage von allgemeinem sehr erheblichen Interesse
ist, lassen wir die Gründe aus dem Erkenntnis hier folgen. Die-
selben lauten:
„Der Angeklagte betreibt in P. das Uhrmachergewerbe und
handelt daneben auch mit Goldwaren, fertigt auch kleinere Neu-
arbeiten in Goldwaren und bessert Goldwaren aus; endlich graviert
er Namenszüge, Wappen und dergl. in Metall. Er ist gelernter
Uhrmacher und hat während seiner Lehrzeit bei dem verstorbenen
Ehemann der Zeugin S. auch gelernt, Trauringe weiter und enger
zu machen, Steine einzusetzen, Scharniere anzulöten, sowie sämtliche
Hartlötungen auszuführen. Grössere oder schwierige Neuarbeiteu
oder Ausbesserungen an Schmucksachen lässt er durch einen Haus-
arbeiter in Berlin anfertigen. Endlich bezieht er auch fertige Schmuck-
sachen von den Fabriken“.
Der Angeklagte hat im Courier für die Prignitz und im Prig-
nitzer Tageblatt unter dem 13. und 16. November 1906 und auch
zu anderen Zeiten eine Anzeige folgenden Inhaltes einrücken lassen:
„Grösstes Lager in Uhren, Gold- und Silberwaren, Schmucksachen
jeder Art, in hochmoderner Ausführung. Trauringe in massiv Gold
und goldplattiert in allen Weiten stets am Lager. Trauringe nach
Mass innerhalb 2—3 Stunden. Atelier für Neuarbeiten, Gravierungen.
Reparaturen jeder Art. R . .. . S ...., Uhrmacher und Goldarbeiter“,
Indem der Angeklagte sich in den Anzeigen als Goldarbeiter
bezeichnet und sich zur Anfertigung von Neuarbeiten und Repara-
turen empfiehlt, beabsichtigt er den Anschein eines besonders günstigen
Angebots hervorzurufen. Denn das Publikum wird sich sowohl beim
Ankäufe von Gold- und Silberwaren, als besonders auch bei Neu-
anfertigungen und Ausbesserungen mit Vorliebe an einen Sachver-
ständigen, also einen gelernten Goldarbeiter, wenden, da es seiner
Sachkunde Vertrauen entgegenbringen muss. Die Anzeige enthält
deshalb zugleich eine Angabe ü' ; die Beschaffenheit der Her-
stellungsart von Waren oder gewerblichen Leistungen; denn jeder
Leser wird aus ihr entnehmen, dass die angepriesenen Leistungen
von einem Goldarbeiter, d. h. einem gelernten Handwerker ausgeführt
werden. Diese Angaben sind unwahr und zur Irreführung geeignet.
Nach dem wohlbegründeten Gutachten des Sachverständigen Men-
zel und dem Gutachten der Handwerkskammer zu Berlin ist unter
einem Goldarbeiter dasselbe wie ein Goldschmied, d. h. ein Kunst-
handwerker, der einen ordnungsmässigen Lehrgang von drei bis
vier Jahren durchgemacht hat und imstande ist, sämtliche in das
Fach schlagende Arbeiten auszuführen, zu verstehen. Der Angeklagte
hat aber selbst nicht behauptet, dass er alle einschlägigen Arbeiten
eines Goldschmieds verstände; unerheblich ist es, ob er, wie als er-
wiesen erachtet werden kann, die in einer kleinen Stadt gewöhnlich
vorkommenden, kleinen Goldschmiedearbeiten auszuführen versteht.
Das berechtigt ihn noch nicht, sich Goldschmied oder Goldarbeiter
zu nennen. Denn weder versteht er alle Goldschmiedearbeiten aus-
zuführen, noch hat er einen ordnungsmässigen Lehrgang bei einem
Goldschmiede durchgemacht. Sein Lehrherr L. war nach Aussage
seiner Witwe nur gelernter Uhrmacher, nicht auch gelernter Gold-
schmied und verstand auch nicht alle Goldschmiedearbeiten herzu-
stellen, sondern nur einige wenige untergeordnete. Endlich hat er
diese unwahren Angaben auch in Zeitungen, also öffentlichen Be-
kanntmachungen, gemacht. Es verstösst mithin sein Verhalten aller-
dings gegen den § 1 des Reichsgesetzes zur Bekämpfung des unlauteren
Wettbewerbes. Dennoch kann eine Verurteilung gemäss §§4, 12, 13
des Gesetzes nicht erfolgen, weil dem Angeklagten nicht nach-
gewiesen werden konnte, dass er wissentlich gegen die Bestimmungen
des Gesetzes verstossen habe. Es kann dem Angeklagten geglaubt
werden, dass er die Bezeichnung als Goldarbeiter nicht für die In-
anspruchnahme des Kunsthandwerkes des Goldschmiedes angesehen
hat und dass er sich für befugt erachtet hat, sich die Bezeichnung
beizulegen, weil er die gewöhnlich vorkommenden Arbeiten eines
Goldarbeiters auszuführen verstände. Jedenfalls ist ihm das Gegen-

256
 
Annotationen