1908 -■ JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST ■-— 227
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Moderner Frauenschmuck.
Im Museum Galliera zu Paris, einer der schönsten
Ausstellungsbauten der Welt, nahe dem Trocadero, findet
alljährlich eine Sonderausstellung statt, zu der die hervor-
ragendsten Vertreter der Kunstindustrien eingeladen werden.
1902 sah man dort die Buchbinderei, 1903 geschnitztes
Elfenbein, 1904 Spitzen und Stickereien, 1905 geschmiede-
tes Eisen, 1906 Seide und 1907 Porzellan. In diesem
Jahr werden alle Fremden, die nach Paris kommen, die
Exposition de la Parure Precieuse de la Femme be-
suchen, in der tatsächlich die herrlichsten Schätze zu sehen
etwas! Die Modelle sind schwerer, Steine und Metall
auffälliger verarbeitet; vielleicht verlangt es das Publikum
so. Dagegen sind, auch bei den mit höchsten Hofliefe-
ranten-Titeln beehrten Firmen Unter den Linden und in
der Friedrichstrasse die Preise sehr viel billiger als bei
denen der rue de la Paix und der rue Royale, wenn es
sich um Ringe, Armreifen u. dergl. handelt, bei denen die
Goldschmiedearbeit eine hervorragende Rolle spielt. Auch
in Wien und London sind die Preise für Edelsteinwaren
viel niedriger als in Paris. Aber all’ diesen Firmen möchte
haben
sind. Selbst auf der Weltausstellung von
1900 konnte man in den überreichlich
beschickten Hallen des Kunstge-
werbes auf der Esplanade des
Invalides keinen so vollstän-
digen Ueberblick bekom-
men, was die französische
Bijouterie zu leisten im-
stande ist. Es ist
wahr, dass seitdem
diemodernenKünst-
ler Lalique, Fou-
quet und Rene
Foy, die Pfad-
finder des ver-
jüngten Gold-
schmiede - Ge-
werbes , einen
grossen Schüler-
kreis herange-
bildet haben.
In aller Welt
ahmt man ihre
neuartigen Mo-
delle nach, die
stilisierten Blumen,
Schmetterlinge und
aller Art Insekten.
Auch dem historischen
Schmuck der ägyptischen,
alexandrinischen und by-
zantinischen Epoche
sie wieder zu Ehren verholten.
Die Diamanten, Rubine, Saphire und
Smaragden werden nicht mehr in
der effektvollsten Weise in Platin-
fassung auf rotleuchtendes Gold
gesetzt, damit vor allen Dingen der
Wert der Steine in die Augen
springe; den Geschmack der Snobs macht die wahrhaft ästhe-
tisch empfindende Frau nicht mehr mit, sie verlangt diskre-
teres Geschmeide, geistvoll erdachte Ornamentik. Eine Hals-
kette oder Haarspange wird nicht bloss nach dem Tarif
des Karats abgeschätzt, sondern auch nach der Qualität
man aufs wärmste anraten, nach dem Musee
Galliera zu pilgern, um sich dort eine
Lektion in feinstem modernen Ge-
schmack zu holen.
Eine grosse Anzahl Maler
und Bildhauer beschäftigt
sich in Paris in ihren
Musestunden damit,
modernen Schmuck
zu ersinnen, ganz
wie in München
die kleine Ge-
meinde von
„Kunst im
Handwerk“;
und man muss
sich fragen, ob
diese sog. Di-
lettanten der
Goldschmiede-
kunst nicht im
Zuge sind, ihren
Meister Lalique
zu übertreffen.
Rene Lalique hat
sich darauf be-
schränkt, in der Ex-
position de la Parure
einige Spangen zu
zeigen, geschaffen, die
Tülldraperien des in Mode
stehenden Directoire-Kleides
festzuhalten. Doch diese Spangen
sind wieder grossen Stils: In ge-
schwärztem Silber, mit dicken Ame-
thysten besetzt, eine byzantinische
Spange; ein Tannenzweig, Silber
leicht grün getönt, mit Knospen
aus Kristall, goldübersponnen;
orangefarbener Seide, von grün-
Diamanten besetzten Blättern gehalten;
Darstellung eines von Wenzel Jamnitzer
ausgeführten Astrolabiums.
(Nach einem zeitgenössischen Holzschnitt.)
eine Orchidee
goldenen, mit
dazu für einen Hut ganz neu erdachte Nadeln, die zweifels-
ohne bald in allen möglichen Nachahmungen die Runde
um den Erdball machen werden, überall wo schöne Frauen
der Künstlerarbeit. In Laliques Atelier sieht man nicht
Mengen von Waren aufgespeichert, sondern in den Glas-
kästen und auf den Tischen nur ganz wenige kleine
Meisterwerke, jedes für sich besonders durch Etuis und
Spiegelwirkung zur Geltung gebracht. Man darf, ohne
sich national etwas zu vergeben, auch einmal bei einem
anderen Volk die Ueberlegenheit auf einem bestimmten
Gebiete feststellen. Jüngst schenkten wir den Auslagen
der Berliner Juweliere recht eingehende Aufmerksamkeit,
und es muss gesagt werden, dass sie ihren Pariser Kollegen
immer dicht auf den Fersen folgen; aber es fehlt doch
Hutmonumente ins Haar setzen, Pariserinnen, Misses,
Japanerinnen und — Negerweiber; stilisierte goldene
Aehren, deren Grannen bei jeder Bewegung zittern. Jedes
Stück bis ins Feinste vollendet.
Fouquet ist weniger Goldschmied und mehr Juwelier.
Aber er ist als Juwelier, was Lalique als Goldschmied
ist, wohl ohne Uebertreibung der erste in der Welt. Den
Beweis hierfür liefert allein schon ein Diadem, das den
schlanken Körper einer Libelle darstellt, die Flügel ein
Hauch durchschimmernder Emaille, der gestreckte Körper
Rubine, so dicht aneinandergesetzt, dass man glauben
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Moderner Frauenschmuck.
Im Museum Galliera zu Paris, einer der schönsten
Ausstellungsbauten der Welt, nahe dem Trocadero, findet
alljährlich eine Sonderausstellung statt, zu der die hervor-
ragendsten Vertreter der Kunstindustrien eingeladen werden.
1902 sah man dort die Buchbinderei, 1903 geschnitztes
Elfenbein, 1904 Spitzen und Stickereien, 1905 geschmiede-
tes Eisen, 1906 Seide und 1907 Porzellan. In diesem
Jahr werden alle Fremden, die nach Paris kommen, die
Exposition de la Parure Precieuse de la Femme be-
suchen, in der tatsächlich die herrlichsten Schätze zu sehen
etwas! Die Modelle sind schwerer, Steine und Metall
auffälliger verarbeitet; vielleicht verlangt es das Publikum
so. Dagegen sind, auch bei den mit höchsten Hofliefe-
ranten-Titeln beehrten Firmen Unter den Linden und in
der Friedrichstrasse die Preise sehr viel billiger als bei
denen der rue de la Paix und der rue Royale, wenn es
sich um Ringe, Armreifen u. dergl. handelt, bei denen die
Goldschmiedearbeit eine hervorragende Rolle spielt. Auch
in Wien und London sind die Preise für Edelsteinwaren
viel niedriger als in Paris. Aber all’ diesen Firmen möchte
haben
sind. Selbst auf der Weltausstellung von
1900 konnte man in den überreichlich
beschickten Hallen des Kunstge-
werbes auf der Esplanade des
Invalides keinen so vollstän-
digen Ueberblick bekom-
men, was die französische
Bijouterie zu leisten im-
stande ist. Es ist
wahr, dass seitdem
diemodernenKünst-
ler Lalique, Fou-
quet und Rene
Foy, die Pfad-
finder des ver-
jüngten Gold-
schmiede - Ge-
werbes , einen
grossen Schüler-
kreis herange-
bildet haben.
In aller Welt
ahmt man ihre
neuartigen Mo-
delle nach, die
stilisierten Blumen,
Schmetterlinge und
aller Art Insekten.
Auch dem historischen
Schmuck der ägyptischen,
alexandrinischen und by-
zantinischen Epoche
sie wieder zu Ehren verholten.
Die Diamanten, Rubine, Saphire und
Smaragden werden nicht mehr in
der effektvollsten Weise in Platin-
fassung auf rotleuchtendes Gold
gesetzt, damit vor allen Dingen der
Wert der Steine in die Augen
springe; den Geschmack der Snobs macht die wahrhaft ästhe-
tisch empfindende Frau nicht mehr mit, sie verlangt diskre-
teres Geschmeide, geistvoll erdachte Ornamentik. Eine Hals-
kette oder Haarspange wird nicht bloss nach dem Tarif
des Karats abgeschätzt, sondern auch nach der Qualität
man aufs wärmste anraten, nach dem Musee
Galliera zu pilgern, um sich dort eine
Lektion in feinstem modernen Ge-
schmack zu holen.
Eine grosse Anzahl Maler
und Bildhauer beschäftigt
sich in Paris in ihren
Musestunden damit,
modernen Schmuck
zu ersinnen, ganz
wie in München
die kleine Ge-
meinde von
„Kunst im
Handwerk“;
und man muss
sich fragen, ob
diese sog. Di-
lettanten der
Goldschmiede-
kunst nicht im
Zuge sind, ihren
Meister Lalique
zu übertreffen.
Rene Lalique hat
sich darauf be-
schränkt, in der Ex-
position de la Parure
einige Spangen zu
zeigen, geschaffen, die
Tülldraperien des in Mode
stehenden Directoire-Kleides
festzuhalten. Doch diese Spangen
sind wieder grossen Stils: In ge-
schwärztem Silber, mit dicken Ame-
thysten besetzt, eine byzantinische
Spange; ein Tannenzweig, Silber
leicht grün getönt, mit Knospen
aus Kristall, goldübersponnen;
orangefarbener Seide, von grün-
Diamanten besetzten Blättern gehalten;
Darstellung eines von Wenzel Jamnitzer
ausgeführten Astrolabiums.
(Nach einem zeitgenössischen Holzschnitt.)
eine Orchidee
goldenen, mit
dazu für einen Hut ganz neu erdachte Nadeln, die zweifels-
ohne bald in allen möglichen Nachahmungen die Runde
um den Erdball machen werden, überall wo schöne Frauen
der Künstlerarbeit. In Laliques Atelier sieht man nicht
Mengen von Waren aufgespeichert, sondern in den Glas-
kästen und auf den Tischen nur ganz wenige kleine
Meisterwerke, jedes für sich besonders durch Etuis und
Spiegelwirkung zur Geltung gebracht. Man darf, ohne
sich national etwas zu vergeben, auch einmal bei einem
anderen Volk die Ueberlegenheit auf einem bestimmten
Gebiete feststellen. Jüngst schenkten wir den Auslagen
der Berliner Juweliere recht eingehende Aufmerksamkeit,
und es muss gesagt werden, dass sie ihren Pariser Kollegen
immer dicht auf den Fersen folgen; aber es fehlt doch
Hutmonumente ins Haar setzen, Pariserinnen, Misses,
Japanerinnen und — Negerweiber; stilisierte goldene
Aehren, deren Grannen bei jeder Bewegung zittern. Jedes
Stück bis ins Feinste vollendet.
Fouquet ist weniger Goldschmied und mehr Juwelier.
Aber er ist als Juwelier, was Lalique als Goldschmied
ist, wohl ohne Uebertreibung der erste in der Welt. Den
Beweis hierfür liefert allein schon ein Diadem, das den
schlanken Körper einer Libelle darstellt, die Flügel ein
Hauch durchschimmernder Emaille, der gestreckte Körper
Rubine, so dicht aneinandergesetzt, dass man glauben