Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 29.1908

DOI issue:
Nr. 41
DOI article:
Der praktische Graveur
DOI article:
Schrift- und Monogrammsiegel
DOI article:
"Gravierung gratis"
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.55854#0320
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
==□ BEILAGE ZUM JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST. ==

Beschaffenheit des Petschaftes selbst. Man denke an
die Wichtigkeit des unversehrten Zustandes der Siegel
an wertvollen Depots, an Testamenten, Schuldurkunden
über Immobilien etc. oft nach Jahrzehnten noch! Aber
auch bei solchen „offiziellen“ Siegeln braucht die Aus-
führung nicht ins Plumpe und Grobe zu geraten, nicht
schwerfällig oder gar ordinär zu sein, wenngleich hier,
wie schon angedeutet, mehr Gewicht auf die Deut-
lichkeit der Umschrift bezw. des Wappens, auf die
Kraft, mit der die Gravierung selbst ausgeführt wird, gelegt
werden muss.
Der Fachmann, der Graveur, dem im Laufe seiner Praxis Hunderte
und Tausende von Monogrammen und ihren Abdrücken unter die
Hände kommen, vermag in den meisten Fällen aus gewissen kleinen
Kennzeichen an den Siegeln festzustellen, welcher Art das
Petschaft war, mit dem der einzelne Abdruck erfolgte.
Unsere Abbildungen zeigen einige Abdrücke ver-
schiedener Siegel, von goldenen Siegelringen, silbernen
und bronzenen etc. Petschaften, sowie auch Siegel mit
gewöhnlichem Holzgriff. Der Schrift- oder Monogramm-
charakter ist in den letzten Jahren mehr den modernen
Formen entsprechend graviert worden.

Der künstlerische Geschmack und die technische
Fertigkeit des Graveurs kommen neben der Zweck-
bestimmung des Petschafts (ob für behördlichen, ge-
schäftlichen oder privaten Gebrauch — ob im letzteren
Falle für einen Herrn oder eine Dame) und der damit
zusammenhängenden Art seines Materials bei der Aus-
führung der Schrift und der Verzierungen des Siegels
überhaupt vorwiegend zur Geltung. Je tüchtiger der
Graveur in seinem Fache ist, mit je grösserer Liebe er
an dem Entstehen eines solchen kleinen Gebrauchs- bezw. Luxus-
gegenstandes schafft, desto befriedigender wird das Ergebnis sein.
Technik und künstlerischer Geschmack, oft auch historische Kennt-
nisse müssen da gleichmässig Zusammenwirken, und das ist oft nicht
leicht. Gute Muster, eine auf Grund reicher Werkstatterfahrung
ausgearbeitete Unterweisung über alle Einzelheiten sollte darum
jeder Graveur eifrig benutzen.
Über das Gravieren von Schrift- und Monogramm-
siegeln, sowie über die Herstellung eines guten Siegel-
abdrucks gibt das im Verlag von Herrn. Schlag Nachf. in
Leipzig erschienene Buch „Der praktische Graveur“ in
kurzen, aber leicht verständlichen Worten Aufschluss und
zweckmässige Anleitung.



„Gravierung gratis“.


In vielen Geschäften der
Goldwarenbranche hat sich
in jüngster Zeit leider ein
Übelstand herausgebildet,
der dazu angetan ist, denWert
einer Gravierung herabzu-
setzen. Beim Einkauf z. B.
von Trauringen wird als
Lockmittel häufig für die

Kundschaft gross angepriesen „Gravierung gratis“.
Unwillkürlich muss man an die Warenhäuser oder
dergleichen Geschäfte denken, welche beim Einkäufe

SCHRIFT- UND


auch beim Einkauf anderer
Gegenstände gratis gewährt
werden. Die Folge davon ist,
dass der Goldschmied, um
sich ein Geschäft nicht ent-
gehen zu lassen, die Gravie-
rung beim Graveur recht billig
zu bekommen sucht. Jedes
Goldwarengeschäft sollte viel-


mehr darauf halten, einen möglichst angemessenen
Preis für die Gravierung zu fordern, und zwar
nach einer im Geschäft hängenden Preisliste, welche

wieder den üblichen Preisen der Graveure am Platze

von 1 Mark an eine Tafel Schokolade oder sonst

MONOGRAMM-SIEGEL.

irgend eine Zugabe versprechen. Für diejenigen
Goldschmiede, speziell in grösseren Städten, welche
die Gravierung nicht selbst ausführen und viel Ringe
verkaufen, kann die Zugabe mit der Zeit zu einem
recht erheblichen Faktor werden, zumal wenn es
sich verwirklichen sollte, was die Graveure anstreben,
höhere einheitliche Preise für auszuführende Gravierungen
zu erreichen. Wenn man bedenkt, dass namentlich in
den Grossstädten einzelne Graveure ganz erstaunlich
niedrige Preise für die Gravierung von Trauringen be-
rechnen, so ist es mit Freuden zu begrüssen, wenn die
Graveure geschlossen, ähnlich dem Hamburger Vorbilde,

oder ausserhalb entspricht. Versucht die Kundschaft,
zu handeln, um die Gravierung „recht billig“ zu er-
langen, so liegt die Schuld nicht am Käufer, sondern
am Verkäufer, wenn er nicht versteht, es dem Käufer
verständlich zu machen, dass man auf einen so wert-
vollen Gegenstand eine gewöhnliche billige Gravierung
nicht anbringen kann. Die Gravierung soll doch den
Gegenstand zieren und verfeinern. Wenn der Goldschmied
zum Käufer sagt: „Sie können die Gravierung gewöhn-
lich, ganz einfach haben, da ist es billig; wenn Sie aber
etwas Besseres, dem Gegenstand entsprechend Schönes
haben wollen, kostet es etwas mehr“, so glaube ich sicher,


Graviert
Robert Neubert,
Dresden.


einheitliche Preise für Gold- und Silbergravierungen begehren.
Dabei ist freilich nicht zu verkennen, dass sich die Sache

der Käufer wird bei einem besseren Gegenstand lieber ein paar
Groschen mehr zahlen, um auch mit der Gravierung des Objektes

soll

usw. usw.


Glashütte

schwierig durchführen lässt mit Rücksicht auf die grosse Ver-
schiedenheit der Gegenstände, ferner auf den Umstand, ob die
Gravierung schwierig oder leicht anzubringen ist, oder ob sie
künstlerisch schön und vollendet gehalten sein
Jedenfalls birgt die Zusicherung „Gravierung
gratis“ insofern eine grosse Gefahr für die
Graveure in sich, als das Publikum sich daran
gewöhnt und schliesslich mit der Zeit in den
Glauben versetzt wird, die Gravierung müsste

Ehre einzulegen. Arbeit soll man nicht verschenken; es gibt andere
Dinge und Mittel, in den Augen des Käufers entgegenkommend zu
erscheinen und sich einen guten Stamm von Kundschaft zu sichern.
Durch das „Gratis-Gravieren“ erscheint auch jede bessere Gravie-
rung in den Augen der Interessenten wertlos,
■k und das wäre für denjenigen, welcher die Gra-
vierung ausführt, gewiss kein Ansporn, etwas
Gutes, auch in künstlerischer Beziehung Befrie-
digendes zu schaffen. —N.
 
Annotationen