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Nr. 1

JUGEND

1897

Uitb wem der iliebcspfetl in s Herz gedrungen,

Wünsch' ich der wünsche süßeste Gewährung,

Dein jungen Ehpaar einen strammen Jungen,

Dem Rnopflochkranken die ersehnte Ehrung,

Dem jungen Anwalt viel verrheidigungen,
lind jedem Kahlkopf wünsch ich neue Garung,

Dem Arzt Patienten, diesen aber Heilung,

Den Aktionären zwölf Prozent Vertheilung!

Dem Dichter wünsch' ich, daß ihm Stoff in stille
Für Lieder, Dramen und Romane einfällt,

Den Schönen Rleider, reich aus Sammt und Tülle,
Auf die zudem noch der Brillanten Schein fällt,

Den Dicken Schlankheit und den Magern Fülle,

Dem Alpenkraxler, daß er nicht vom Stein fällt,

Den Schillerpreis erringe jeder Barde,
lind jede Jungfrau Einen von der Garde!

Ich wünsche ferner allen Runstgeweihten
Medaillen, Professorentitel, Grden,

Dem Waidmann Beute, wie zu Fabelzeiten
Sie Nimrod und Hubert» kaum geworden.

Ich wünsche Allen, die das Zweirad reiten,
Gelegenheit zu glänzenden Rekorden,

Den Winzern und den Zechern — keinen Säuern
llnd einen trocknen Sommer unfern Brauern!

Dem Mimen wünsch' ich Lorbeer, ganze Wälder,
fknd Recensenten, die ihn kräftig loben,

Dem Landmann überreiche Erntefelder,
vom Antrag Raniiz stark im Werth gehoben;
Den Herrn Beamten höh're Monarsgelder
find graden Ginn nach unten, wie nach oben,
find jedem Leutnant, daß er bald Premier wird
Und schuldenfrei durch eine gute Fee wird!

Und aus dem Enger« komm' ich nun zum weitern
Der Erde wünsch ich, daß der Friede dauert,

Daß es gelingt, die Wetter aufzuheitern,

Womit sich rings der Horizont ummauert
Und daß am Felsen starker Eintracht scheitern
Des Bösen Pläne, der auf Rache lauert —

Das gilt zumal den Ränken und den Listen
Der pansiavisten und der Chauvinisten!

Jedwedem Land wünsch' ich ein Glück im Stillen,

Ein Parlament von Rlugen und von Edeln,

Die um des Volkes Wohl ihr Amt erfüllen
Und nicht um vortheil nach den eignen Schädeln,

Und jedem Staatsmann wünsch' ich festen Willen
Und jedem Fürsten Räche, die nicht wedeln,

Und Deutschland, daß ihm Gott noch lang erhalte
Den treuen Eckart dort im Sachsenwalde!

Und innig wünsch' ich, daß der Groll der Massen,

Der Haß der Rlassen bald in Dunst zerstiebe,

Nie mehr ein Mensch in bittrer Noch verlassen,

Und keine Thräne ungetrocknet bliebe.

Ein Recht, ein Menschenthum für alle Rassen,

Für Aller Schuld Erlösung durch die Liebe —

Das wünsch' ich auch — doch bin ich nicht verwundert,
Erfüllt sich's erst in späterem Jahrhundert!

Und Jugend wünsch' ich allen Erdensöhnen,

Mit stolzem Gleichmuth jedes Loos zu tragen,

Mit Hellem Jubel sich zu freu'n am Schönen,

Und nicht nach trübem Unkenruf zu fragen;

Die Frömmler und Philister zu verhöhnen
Und gar die Hypochonder, welche sagen:

Die Welt sei alt — lacht's ihnen in die Mhren:

„Die Welt ist jung, als wär' sie heut' geboren!"

Noch blüht das Glück den Starken und den Guten,
Noch lohnt der Ruhm die auserles'nen Geister,
Noch lockt der Himmel uns in Liebesglurhen,

Noch wird die Thatkraft jeder Sorge Meister;
Noch glänzt ein Leitstern uns in Sturmesfluthen,
Der selten irrführt: frohe Hoffnung heißt er —

Die Welt ist jung — ich wünsch' Euch helle Augen,
Die, ihre Jugend zu erkennen, taugen!

Mir selber wünsch' ich, daß an allen Enden
Bald meine Gchaaren fröhlich Einzug halten,

Sich immer mehr der Freunde zu mir wenden,
Daß ich mich immer reicher mag entfalten;

Daß fünfzig-, hunderttausend Abonnenten
Sich Herz und Aug' erfreu'n an meinen Spalten,
Bis daß der Faktor spricht mit düster» Mienen:
„Wirzwingen's nicht, wirbrauchen mehrMaschinen!"

Ein feines Uhrwerk hat gar viele Räder,

Und viele Theilchen machen erst das Ganze —
So wünsch' ich mir, daß allgemach uns Jeder
Sein Scherfiein bringe zu des Werkes Glanze,
Sei's mir dem Pinsel, sei cs mir der Feder —
Und zukunftsfreudig, wie im Blüthenkranze
Die junge Braut sich rüstet zum Altargang,
Beginnt die „Jugend" ihren zweiten Jahrgang!

v. O.
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