1897
6
J ÜGENÖ
t
Nr. Z
ujinnt, dem gehört des Anderen Land
und Volk und Vieh. Seid ihr einverstan-
den, meine Krieger?" Alle stimmten zu,
und entschlossen willigte Marsuk unter
dem Beifalle seiner Leute ein, die ebenso
leidenschaftliche Liebhaber des edlen Schach-
spiels waren, wie die des Irschak; wie
aus einem Munde riefen sie: „Jal" Alle
Becher wurden mit Milch vollgeschenkt,
und nachdem man sich gelabt hatte, erhoben
die Priester ihre Hände und flehten zum
Himmel, er möge den würdigeren der zwei
Fürsten zum Herrn werden lassen über
beide Stämme. Der Ausgang des Spieles
sollte ein Gottcsurtheil sein und durch ihn
wolle Allah verkünden, welcher von den
Zweien wegen seiner Gerechtigkeit, Milde
und Weisheit es mehr verdiene, die Herr-
schaft zu übernehmen. Nun wurde unter
größter Spannung der entscheidende Lampt
eröffnet. Ernsten Antlitzes thaten die Für-
sten Zug um Zug; aber immer mehr erhellte
sicb das Auge Marsuks, denn auf seine
Seite neigte sich die Wagschale; es wurde
klar, daß er gewinnen müsse. Da erhob
sich Irschak, riß den Dolch aus der Scheide
und stieß ihn dem Marsuk in die Brust.
Im ersten Augenblick war Alles starr und
stumm, dann begann wildes Geschrei, und
Irschak's wache schaarte sich um ihren
Herrn, und die Gegner schwenkten rache-
glühend ihre Waffen. Da winkte ein Prie-
ster vom Stamme des Gerödteten mir der
Rechten und gebot Ruhe. „Allah", sagte
er, „har für Irschak entschieden; ihr sehr,
Marsuk kann nicht weiter spielen. Daher
ist Irschak der Sieger, und das beweist, daß
er der Gerechtere, Mildere und weisere
ist. Allah ist groß, und unersorschlich sind
die Wege, aus denen er die Menschen leitet."
Irschak aber ergriff nun riefbewegt das
Wort und redete also: „Wohl hast Du ge-
sprochen, o Priester. Ein kostbarer Zobel-
pclz sei dein Lohn. Ich bin nur ein schwa-
cher Erdensohn, aber Allah har meinen
Geist erleuchtet und meinen Sinn gestärkt.
Ich habe gcthan, was Allah gewollt hat.
Er hat mich bis hieher geführt und wird
mich auch weiter führen, mich und Euch
Mus.
Christian h'iut (München).
Alle. Ihm allein fei die Ehre; sagen wir
ihm Dank." Und Alle flelen nieder und
dankte» Gott und huldigten dem gerechten,
weisen und milden Irschak.
Unrecht Gut gedeihet nicht
Anton hatte seine geschäftliche Lauf-
bahn als armer junger Mann begonnen,
sich aber durch allerlei Unternehmungen
das Geld seiner Mitmenschen erworben
und war so im Laufe der Jahre zu an-
sehnlichem Reichrhum gelangt. An einer
von ihm gegründeten Aktiengesellschaft
harre auch einer seiner ehemaligen Schul-
kollegen, der brave Hermann, sein kleines
Vermögen verloren. Eines Tages traf
Anton den Hermann auf der Straße; der
letztere trug einen abgeschabten Rock und
einen schlechten Hur und sah vergrämt aus.
Anton fragte ihn, wie es ihm gehe: „Schlecht
genug," sagte Hermann; „Du weißt viel-
leicht: ich habe mein bischen Capital an
Deiner Gründung verloren. Du könntest
mir wahrhaftig etwas davon zurückgeben."
„Das gehr nicht," versetzte Anron, „denn
es ist Alles längst ordnungsmäßig ver-
bucht. Aber hier" — und damit zog er
eine Cigarre aus seiner Tasche — „hier
hast Du etwas Gutes zum Rauchen." Her-
mann lehnte ab, aber Anron drang in ihn:
„Wer das Kleine nicht ehrt, ist das Große
nicht werth," bemerkte er, reichte dem
einstigen Schulkollegen die Cigarre und bot
ihm Feuer. „Nicht wahr? das schmeckt;
das rauchst Du nicht alle Tage," fügte er
hinzu, „wenn Du mir," sagte Hermann,
-7
6
J ÜGENÖ
t
Nr. Z
ujinnt, dem gehört des Anderen Land
und Volk und Vieh. Seid ihr einverstan-
den, meine Krieger?" Alle stimmten zu,
und entschlossen willigte Marsuk unter
dem Beifalle seiner Leute ein, die ebenso
leidenschaftliche Liebhaber des edlen Schach-
spiels waren, wie die des Irschak; wie
aus einem Munde riefen sie: „Jal" Alle
Becher wurden mit Milch vollgeschenkt,
und nachdem man sich gelabt hatte, erhoben
die Priester ihre Hände und flehten zum
Himmel, er möge den würdigeren der zwei
Fürsten zum Herrn werden lassen über
beide Stämme. Der Ausgang des Spieles
sollte ein Gottcsurtheil sein und durch ihn
wolle Allah verkünden, welcher von den
Zweien wegen seiner Gerechtigkeit, Milde
und Weisheit es mehr verdiene, die Herr-
schaft zu übernehmen. Nun wurde unter
größter Spannung der entscheidende Lampt
eröffnet. Ernsten Antlitzes thaten die Für-
sten Zug um Zug; aber immer mehr erhellte
sicb das Auge Marsuks, denn auf seine
Seite neigte sich die Wagschale; es wurde
klar, daß er gewinnen müsse. Da erhob
sich Irschak, riß den Dolch aus der Scheide
und stieß ihn dem Marsuk in die Brust.
Im ersten Augenblick war Alles starr und
stumm, dann begann wildes Geschrei, und
Irschak's wache schaarte sich um ihren
Herrn, und die Gegner schwenkten rache-
glühend ihre Waffen. Da winkte ein Prie-
ster vom Stamme des Gerödteten mir der
Rechten und gebot Ruhe. „Allah", sagte
er, „har für Irschak entschieden; ihr sehr,
Marsuk kann nicht weiter spielen. Daher
ist Irschak der Sieger, und das beweist, daß
er der Gerechtere, Mildere und weisere
ist. Allah ist groß, und unersorschlich sind
die Wege, aus denen er die Menschen leitet."
Irschak aber ergriff nun riefbewegt das
Wort und redete also: „Wohl hast Du ge-
sprochen, o Priester. Ein kostbarer Zobel-
pclz sei dein Lohn. Ich bin nur ein schwa-
cher Erdensohn, aber Allah har meinen
Geist erleuchtet und meinen Sinn gestärkt.
Ich habe gcthan, was Allah gewollt hat.
Er hat mich bis hieher geführt und wird
mich auch weiter führen, mich und Euch
Mus.
Christian h'iut (München).
Alle. Ihm allein fei die Ehre; sagen wir
ihm Dank." Und Alle flelen nieder und
dankte» Gott und huldigten dem gerechten,
weisen und milden Irschak.
Unrecht Gut gedeihet nicht
Anton hatte seine geschäftliche Lauf-
bahn als armer junger Mann begonnen,
sich aber durch allerlei Unternehmungen
das Geld seiner Mitmenschen erworben
und war so im Laufe der Jahre zu an-
sehnlichem Reichrhum gelangt. An einer
von ihm gegründeten Aktiengesellschaft
harre auch einer seiner ehemaligen Schul-
kollegen, der brave Hermann, sein kleines
Vermögen verloren. Eines Tages traf
Anton den Hermann auf der Straße; der
letztere trug einen abgeschabten Rock und
einen schlechten Hur und sah vergrämt aus.
Anton fragte ihn, wie es ihm gehe: „Schlecht
genug," sagte Hermann; „Du weißt viel-
leicht: ich habe mein bischen Capital an
Deiner Gründung verloren. Du könntest
mir wahrhaftig etwas davon zurückgeben."
„Das gehr nicht," versetzte Anron, „denn
es ist Alles längst ordnungsmäßig ver-
bucht. Aber hier" — und damit zog er
eine Cigarre aus seiner Tasche — „hier
hast Du etwas Gutes zum Rauchen." Her-
mann lehnte ab, aber Anron drang in ihn:
„Wer das Kleine nicht ehrt, ist das Große
nicht werth," bemerkte er, reichte dem
einstigen Schulkollegen die Cigarre und bot
ihm Feuer. „Nicht wahr? das schmeckt;
das rauchst Du nicht alle Tage," fügte er
hinzu, „wenn Du mir," sagte Hermann,
-7