Nr. 2
JUGEND
1897
während er die ersten Züge that, „mein
Geld nicht zurückgeben willst, so gib mir
wenigstens einen guten Rath, wie hast
Du es gemacht, daß Du zu Reichthum ge>
langt bist, ohne daß Dir jemand etwas
anhaben kann? Denn, wenn ich Dir etwas
anhaben könnte, zum Teufcll ich würde
gleich zu Gerichte gehen. Also wie machst
Du das?" „Beneide mich nicht," erwiderte
2lnton, „denn Du stehst, was ich mir von
Dir in's Gesicht muß sagen lasten; und
was denkst Du nicht erst Alles im Stillen
von mir! Du nennst mich im Stillen eine»
Lumpen, einen Galgenstrick und was weiß
ich, noch Alles. Und so, wie Du denkst,
denken viele. Glaubst Du, das ist ein an-
genehmes Bewußtsein für zarter empfin-
dende Menschen? Glaubst Du, ich habe
die prunkvolle Wohnung, das Gut in der
Provinz, die Soupers mit schönen Frauen,
die guten weine und die feinen Ligarren,
von denen ich Dir jetzt eine mit Vergnügen
gegeben habe, umsonst? Dafür muß ich
so schlimme Dinge von mir denken lassen.
Ich dagegen denke von Dir, daß Du ein
ehrlicher, braver Mann bist, dem man un-
gezähltes Geld ruhig zum Aufbewahren
geben kann. Ist Dir dieses Bewußtsein
nicht angenehm? Ich sage Dir, das ist
mehr werrh, als alle meine Senl'istc. Sichst
Du, da kommt jetzt meine Equipage lang-
sam herangefahren; ich bin ein wenig zu
Fuße vorausgegangen, um mir Bewegung
zu machen; ich fahre in's Theater, und Du
wirst mir Nachsehen und wirst vielleicht
zwischen den Zähnen murmeln: „Da fährt
er, der Mensch, durch den ich so viel ver-
loren habe." könntest Du an meiner Stelle
dergleichen ertrage»? Ich glaube nicht.
Ich spreche ganz offen zu Dir, denn ich
bin Dir, trotz Allein, noch immer ein guter
Freund. Ich kann Dir nur den einen
Rath geben: Betritt den Pfad nicht, auf
dem ich zu Reichthum gelangt bi»; cin
ehrlicher Name ist das Schönste auf dieser
Welt; bleibe der brave Hermann, der Du
allezeit gewesen bist, und Du wirst auch
weiterhin die Achtung Aller genießen, die
Dich kennen. Und wenn ich auch zu Titel
und würden gelange, was ist das Alles?
Glaube mir: Unrecht Gut gedeihet nicht,
und ehrlich wahrt am längsten." In
diesem 2lugenblick hielt der wagen still,
und Antön wollte dem im abgeschabten
Rocke dastehenden Hermann die Hand rei-
chen. Dieser aber trat einen Schritt zurück
und rief: „Du verwünschter Lcrl, warum
hast Du Dir diesen Rath nicht selbst ge-
geben?" — „Das ist es eben!" sagte Anton,
stieg in den schönen wagen und fuhr davon.
Berthold.
aS
Kussneid
Wenn hübsche Mädchen küssen
Mit einem andern Herrn,
Das neidisch seh’n zu müssen,
Das hab’ ich gar nicht gern.
Doch küssen sich zwei Maiden
Ganz ohne Herrn, der Neid,
Das ist der Scheusslichkeiten
Scheusslichste Scheusslichkeit.
Da macht mich beim Beneiden
Die Zweifelsqual halb toll,
Auf welche von den Beiden
Ich neidisch werden soll!
RUDOLF HIRSCHBERG.
Kleine Münze
Der lange Weg zum Rechte ist häufig
der kurze Pfad zur Armuth.
~9~
Kleine Leute gehen mit starken Stöcken,
Hohen Schuhen und langen Röcken;
Sie sprechen lauter und sitzen breiter
Und kommen mehr als die grossen weiter.
~9~
Die Form ist häufig der starke Panzer
eines schwachen Wesens.
~9~
Der Edle flieht die Schmach,
Der Gemeine den Schmerz.
-9-
Der Blitz zersplittert den Eichenbaum
Und verschont die Hasel am Wiesensaum.
s. K.
Au einen Polemiker
Mancher Streiter verfehlt das Ziel,
Weil er par loul Recht haben will;
Lr glaubt an des Gegners „unglaublichen"
Irrthnm,
Hat selbst Unrecht und schafft nur wirrthum.
Schm.
H. Rossmann (München),
JUGEND
1897
während er die ersten Züge that, „mein
Geld nicht zurückgeben willst, so gib mir
wenigstens einen guten Rath, wie hast
Du es gemacht, daß Du zu Reichthum ge>
langt bist, ohne daß Dir jemand etwas
anhaben kann? Denn, wenn ich Dir etwas
anhaben könnte, zum Teufcll ich würde
gleich zu Gerichte gehen. Also wie machst
Du das?" „Beneide mich nicht," erwiderte
2lnton, „denn Du stehst, was ich mir von
Dir in's Gesicht muß sagen lasten; und
was denkst Du nicht erst Alles im Stillen
von mir! Du nennst mich im Stillen eine»
Lumpen, einen Galgenstrick und was weiß
ich, noch Alles. Und so, wie Du denkst,
denken viele. Glaubst Du, das ist ein an-
genehmes Bewußtsein für zarter empfin-
dende Menschen? Glaubst Du, ich habe
die prunkvolle Wohnung, das Gut in der
Provinz, die Soupers mit schönen Frauen,
die guten weine und die feinen Ligarren,
von denen ich Dir jetzt eine mit Vergnügen
gegeben habe, umsonst? Dafür muß ich
so schlimme Dinge von mir denken lassen.
Ich dagegen denke von Dir, daß Du ein
ehrlicher, braver Mann bist, dem man un-
gezähltes Geld ruhig zum Aufbewahren
geben kann. Ist Dir dieses Bewußtsein
nicht angenehm? Ich sage Dir, das ist
mehr werrh, als alle meine Senl'istc. Sichst
Du, da kommt jetzt meine Equipage lang-
sam herangefahren; ich bin ein wenig zu
Fuße vorausgegangen, um mir Bewegung
zu machen; ich fahre in's Theater, und Du
wirst mir Nachsehen und wirst vielleicht
zwischen den Zähnen murmeln: „Da fährt
er, der Mensch, durch den ich so viel ver-
loren habe." könntest Du an meiner Stelle
dergleichen ertrage»? Ich glaube nicht.
Ich spreche ganz offen zu Dir, denn ich
bin Dir, trotz Allein, noch immer ein guter
Freund. Ich kann Dir nur den einen
Rath geben: Betritt den Pfad nicht, auf
dem ich zu Reichthum gelangt bi»; cin
ehrlicher Name ist das Schönste auf dieser
Welt; bleibe der brave Hermann, der Du
allezeit gewesen bist, und Du wirst auch
weiterhin die Achtung Aller genießen, die
Dich kennen. Und wenn ich auch zu Titel
und würden gelange, was ist das Alles?
Glaube mir: Unrecht Gut gedeihet nicht,
und ehrlich wahrt am längsten." In
diesem 2lugenblick hielt der wagen still,
und Antön wollte dem im abgeschabten
Rocke dastehenden Hermann die Hand rei-
chen. Dieser aber trat einen Schritt zurück
und rief: „Du verwünschter Lcrl, warum
hast Du Dir diesen Rath nicht selbst ge-
geben?" — „Das ist es eben!" sagte Anton,
stieg in den schönen wagen und fuhr davon.
Berthold.
aS
Kussneid
Wenn hübsche Mädchen küssen
Mit einem andern Herrn,
Das neidisch seh’n zu müssen,
Das hab’ ich gar nicht gern.
Doch küssen sich zwei Maiden
Ganz ohne Herrn, der Neid,
Das ist der Scheusslichkeiten
Scheusslichste Scheusslichkeit.
Da macht mich beim Beneiden
Die Zweifelsqual halb toll,
Auf welche von den Beiden
Ich neidisch werden soll!
RUDOLF HIRSCHBERG.
Kleine Münze
Der lange Weg zum Rechte ist häufig
der kurze Pfad zur Armuth.
~9~
Kleine Leute gehen mit starken Stöcken,
Hohen Schuhen und langen Röcken;
Sie sprechen lauter und sitzen breiter
Und kommen mehr als die grossen weiter.
~9~
Die Form ist häufig der starke Panzer
eines schwachen Wesens.
~9~
Der Edle flieht die Schmach,
Der Gemeine den Schmerz.
-9-
Der Blitz zersplittert den Eichenbaum
Und verschont die Hasel am Wiesensaum.
s. K.
Au einen Polemiker
Mancher Streiter verfehlt das Ziel,
Weil er par loul Recht haben will;
Lr glaubt an des Gegners „unglaublichen"
Irrthnm,
Hat selbst Unrecht und schafft nur wirrthum.
Schm.
H. Rossmann (München),