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Nr. 3

JUGEND

Am Scheidewege

1897

Kind, lass uns leise auseinandergehn,

Dass nie sich wieder unsre Wege streifen
Und niemals wieder Deine jungen Augen
So märchenglücklich in den meinen ruhn.

Kind, zaudre nicht! Nur dann wird unsre Seele
Den traumesweichen Hauch, der uns umfliesst,

So innigstill und ungetrübt bewahren,

Denn dieser Stunde Duft kehrt niemals wieder.

Wir schritten schlendernd durch den Frühlingstann,
Es hüpft der Bach durch moosiges Gestein,

Durch dunkle Zweige winkt des Himmels Blau,

Die Falter flattern und der Vogel singt,

Die Blumen lachen zwischen Farrenbüschen:

Es war so waldesheimlich und so traut.

Und als Du müde warst, da stützt’ ich Dich
Mit festem Arm, Du aber gabst zum Danke
Mir zagend-scheu den hellen Blüthenstrauss,

Den Deine kleine weisse Hand gepflückt —

O dieser Stunde Duft kehrt niemals wieder.

So still und wunschlos schritten wir dahin,

So voll Vertrauen, so geschwisterlich,

Als müsst’ es treu für alle Zeiten dauern,

Und doch, Kind, lass uns auseinandergehn!

Ich war Dir gut, so wie ein Bruder gut,

Das war nicht Liebe; und auch Du, mein Kind,
Glaub’ mir, Du liebst mich nicht. Doch wenn wir fürder
So noch beisammen durch die Wälder schreiten,

— Wir sind so jung, der Frühling ist so licht —
Dann wird sich langsam, langsam Alles wandeln.
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