Nr. 3 » JUGEND » ItzS^
August v. Melssl (München).
Loncurrenz
Von Gustav Gugitz, mir Illustrationen von Arpad Schmidham,ner.
^N»AS, was jetzt erzählt werden wird,
geschah zur Zeit, wo überhaupt noch
Wunder geschahen und geglaubt wurden.
Jetzt, wo niemand mehr glaubt, finden es
die Heiligen auch nicht mehr nöthig, Wun-
der zu wirken. Und wenn es ja einem ein-
mal einfällr, ein solches zu thun, so find
von hundert gewiß neunundneunzig darauf
aus, es als die natürliche Wirkung einer
natürlichen Ursache zu erklären. Und da
soll sich ein guter Heiliger dann nicht är>
gern, wenn auch der Hundertste noch blind
und taub ist und bei seinem Glauben
nichts hört, noch sieht.
Also das war an einem schönen Sommer-
sonnrag, die riefen Glocken läuteren ernst
und feierlich, die hohen freundlich, beinahe
etwas lustig, als ob sie wüßten, daß zu
jeder Sache auch - bischen Humor ge-
hört, auch zu ei Wallfahrt. Drinnen
in der großen ' drängte sich unzähli-
ges Volk unter ,üßen Wolken von Weih-
rauch, über denen die Sonne warin und
erhebend spielte, dazu tönte ein schönes
Singen vom Lhor, und die Orgel griff
mit ihren vollen und reichen Rlängen in
die Tiefe aller Herzen. Und so viele er-
hofften sich eine Erfüllung ihrer wünsche,
denn es war ja ein berühmter Wallfahrts-
ort und sie schenkten dem heiligen pankraz
nicht nur Gebete, Weihrauch und Lob-
gesang, sondern da hingen auch silberne
Herzen neben hölzernen Rrücken, und dicke
Wachskerzen brannten reichlich und quäl-
mend, und viele Thaler fielen in den Rlingel-
OL
beutel oder sie wurden den braven Paters
für eine nachdrückliche Messe übermittelt.
Die wünsche waren freilich, je nach
dem, rheils unverschämt, theils zag, halb
berechtigt, halb unberechtigt, fromme und
unfromme waren darunter, alles durchein-
ander. 2lber der heilige Pankeaz hörte
sie alle ruhig und zuckte nicht einmal
dabei. Er wußte übrigens, die Hälfte
Lob war ihm gar nicht vergönnt. Auch
harte er gar keine so große Macht, Alles
zum Besseren zu wenden, Allen zu helfen.
Bei den meisten half er sich zwar damit
hinweg, daß sie seine Hilfe ohnehin nicht
verdienten, den anderen war so zum Theil
ein besseres Loos demnächst bestimmt, die
übrigen mußten eben leiden. Er war auch
nicht ohne Leiden heilig geworden. Frei-
lich, Glück hatte er gehabt, denn, offen ge-
sagt, mit seinen Wundern war es nicht
weit her, er konnte wohl dann und wann
ein bischen Fürbitte einlegen, was aber
strenge geprüft wurde. Aber wie jetzt ein
Arzt durch ein paar glückliche Auren oft
in das Renommee kommt, Alles und Alle
heilen zu können, so ging es mit dem hei-
ligen pankraz. Ein Anderer kann nicht
viel weniger, aber er bleibt ewig unten.
Gegenüber dem heiligen pankraz in
einer anderen Rapelle stand der heilige
Damasus, das war der, der ewig unten
blieb, ein Proletarier. Mit betrübten
Mienen sah er jahraus jahrein, wie sich
drüben bei seinem Loncurrenten das Volk
drängte, indeß zu ihm kaum einer im Tag
ging und dann höchstens, um dort zu schla-
fen, weil es bei ihm am stillsten und kühl-
sten war. Das ärgerte ihn natürlich sehr.
Er gönnte ja gewiß dem heiligen pankraz
alle Ebre, obwohl ihn dieser seit vielen
Jahren kaum einer Ansprache mehr wür-
digte, aber auch er wünschte sich ein bis-
chen Ansehen. Und er erinnerte sich doch
noch der Zeit, wo sie alle beide frisch ge-
schnitzt und angestrichen aus der Werkstatt
eines künstlerischen Paters gekommen waren
und, gerade so wie jetzt zwei junge Doktoren
auf ihren ersten Patienten warten, ver-
geblich sich nach dem ersten hilfebedürftigen
Menschenkind sehnten, dem sie ihre Rrafr,
soweit es ging, zuwenden konnten. Aber
zu so frisch bemalten jungen Heiligen hatte
niemand ein rechtes Vertrauen. Sie mußten
sich gewaltig langweilen, bis die Farben
ei» bischen sprangen und sich verdunkelten.
Sie sagten zu einander meistens: „Gur
geschlafen?"
„Danke der Nachfrage; wie hat Ihnen
das Schläfchen angeschlagen?"
Dann endlich hatte der heilige pankraz
Glück; er, der Damasus wurde dabei ver-
gessen, und der Staub legte sich auf ihn.
wenn er dann einmal gereinigt wurde,
geschah es gewiß nicht ihm zu Ehren, fon-
der» für den heiligen pankraz sollte die
ganze Rirche blank sein, da er dem Rloster
so viel eintrug. Das ärgerte doch den
guten Damasus sehr. Und er dachte Tag
und Nacht darüber nach, wie er dem Empor-
kömmling dort drüben Loncurrenz machen
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August v. Melssl (München).
Loncurrenz
Von Gustav Gugitz, mir Illustrationen von Arpad Schmidham,ner.
^N»AS, was jetzt erzählt werden wird,
geschah zur Zeit, wo überhaupt noch
Wunder geschahen und geglaubt wurden.
Jetzt, wo niemand mehr glaubt, finden es
die Heiligen auch nicht mehr nöthig, Wun-
der zu wirken. Und wenn es ja einem ein-
mal einfällr, ein solches zu thun, so find
von hundert gewiß neunundneunzig darauf
aus, es als die natürliche Wirkung einer
natürlichen Ursache zu erklären. Und da
soll sich ein guter Heiliger dann nicht är>
gern, wenn auch der Hundertste noch blind
und taub ist und bei seinem Glauben
nichts hört, noch sieht.
Also das war an einem schönen Sommer-
sonnrag, die riefen Glocken läuteren ernst
und feierlich, die hohen freundlich, beinahe
etwas lustig, als ob sie wüßten, daß zu
jeder Sache auch - bischen Humor ge-
hört, auch zu ei Wallfahrt. Drinnen
in der großen ' drängte sich unzähli-
ges Volk unter ,üßen Wolken von Weih-
rauch, über denen die Sonne warin und
erhebend spielte, dazu tönte ein schönes
Singen vom Lhor, und die Orgel griff
mit ihren vollen und reichen Rlängen in
die Tiefe aller Herzen. Und so viele er-
hofften sich eine Erfüllung ihrer wünsche,
denn es war ja ein berühmter Wallfahrts-
ort und sie schenkten dem heiligen pankraz
nicht nur Gebete, Weihrauch und Lob-
gesang, sondern da hingen auch silberne
Herzen neben hölzernen Rrücken, und dicke
Wachskerzen brannten reichlich und quäl-
mend, und viele Thaler fielen in den Rlingel-
OL
beutel oder sie wurden den braven Paters
für eine nachdrückliche Messe übermittelt.
Die wünsche waren freilich, je nach
dem, rheils unverschämt, theils zag, halb
berechtigt, halb unberechtigt, fromme und
unfromme waren darunter, alles durchein-
ander. 2lber der heilige Pankeaz hörte
sie alle ruhig und zuckte nicht einmal
dabei. Er wußte übrigens, die Hälfte
Lob war ihm gar nicht vergönnt. Auch
harte er gar keine so große Macht, Alles
zum Besseren zu wenden, Allen zu helfen.
Bei den meisten half er sich zwar damit
hinweg, daß sie seine Hilfe ohnehin nicht
verdienten, den anderen war so zum Theil
ein besseres Loos demnächst bestimmt, die
übrigen mußten eben leiden. Er war auch
nicht ohne Leiden heilig geworden. Frei-
lich, Glück hatte er gehabt, denn, offen ge-
sagt, mit seinen Wundern war es nicht
weit her, er konnte wohl dann und wann
ein bischen Fürbitte einlegen, was aber
strenge geprüft wurde. Aber wie jetzt ein
Arzt durch ein paar glückliche Auren oft
in das Renommee kommt, Alles und Alle
heilen zu können, so ging es mit dem hei-
ligen pankraz. Ein Anderer kann nicht
viel weniger, aber er bleibt ewig unten.
Gegenüber dem heiligen pankraz in
einer anderen Rapelle stand der heilige
Damasus, das war der, der ewig unten
blieb, ein Proletarier. Mit betrübten
Mienen sah er jahraus jahrein, wie sich
drüben bei seinem Loncurrenten das Volk
drängte, indeß zu ihm kaum einer im Tag
ging und dann höchstens, um dort zu schla-
fen, weil es bei ihm am stillsten und kühl-
sten war. Das ärgerte ihn natürlich sehr.
Er gönnte ja gewiß dem heiligen pankraz
alle Ebre, obwohl ihn dieser seit vielen
Jahren kaum einer Ansprache mehr wür-
digte, aber auch er wünschte sich ein bis-
chen Ansehen. Und er erinnerte sich doch
noch der Zeit, wo sie alle beide frisch ge-
schnitzt und angestrichen aus der Werkstatt
eines künstlerischen Paters gekommen waren
und, gerade so wie jetzt zwei junge Doktoren
auf ihren ersten Patienten warten, ver-
geblich sich nach dem ersten hilfebedürftigen
Menschenkind sehnten, dem sie ihre Rrafr,
soweit es ging, zuwenden konnten. Aber
zu so frisch bemalten jungen Heiligen hatte
niemand ein rechtes Vertrauen. Sie mußten
sich gewaltig langweilen, bis die Farben
ei» bischen sprangen und sich verdunkelten.
Sie sagten zu einander meistens: „Gur
geschlafen?"
„Danke der Nachfrage; wie hat Ihnen
das Schläfchen angeschlagen?"
Dann endlich hatte der heilige pankraz
Glück; er, der Damasus wurde dabei ver-
gessen, und der Staub legte sich auf ihn.
wenn er dann einmal gereinigt wurde,
geschah es gewiß nicht ihm zu Ehren, fon-
der» für den heiligen pankraz sollte die
ganze Rirche blank sein, da er dem Rloster
so viel eintrug. Das ärgerte doch den
guten Damasus sehr. Und er dachte Tag
und Nacht darüber nach, wie er dem Empor-
kömmling dort drüben Loncurrenz machen
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