Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nr. 3

JUGEND

1892

schrieen alle: „Wunder über Wunderl" Und
der Gauch war bald von Hunderten umringt.

Der aber, noch ganz erschrocken, erzählte
zitternd, da er fürchrere, ob seines Betruges
tüchtig verprügelt zu werden, ein Langes
und Breites von seinen Leiden und wie er
inbrünstig und bescheiden zu dem unbe-
kannten Heiligen gesteht hätte, daß er durch
ein Zeichen von ihm geheilt werden möchte.
Und da stürzte der Heilige auf ihn und
berührte ihn sanft. Von der Beule erzählte
er nichts. Da schrie Alles wieder Mirakel,
beschenkte Alles den Geheilten großmürhig
und wandte sich dem Heiligen zu, den man
auf dem Bauch plärr harre liege» lasten,
weil die Leute immer zuerst den Schelmen
helfen. Er wurde feierlich aufgerichrer und
die Gebete, der Weihrauch, die Rcrzen
wandten sich ihm zu, der ein so sichtbares
Wunder verübt harre. Ganz verdutzt blieb
der heilige pankraz, der schon immer so
etwas geahnt hatte, allein. Aber er blieb
es nicht nur jetzt, sondern auch fernerhin.
Die Mönche wandten alles Augenmerk auf
den heiligen Damasus und seit jenem Wun-
der vermehrte sich der Strom der Pilger,
und ruhig sah Damasus seiner Verehrung,
die sein Werk war, zu. Indeflen wurde es
bei dem heiligen pankraz still und kühl,
und bald sah man nur hin und wieder einen
müden Pilger dort sein Schläfchen machen,
worüber der heilige Damasus fein lächelte.
Als der Sommer vorbei war, waren die
Wunder des pankraz ganz und gar ver-
gesten. Damasus war en vogue.

Das natürlich konnte dem Pankraz nicht
recht sein; es kränkte ihn nicht bis auf's
Blut, aber bis auf die Farbe, die reichlich
absprang. Den ganzen Winter grübelte
er darüber nach, wie er doch wieder den
alten Auf zurückgewinnen könnte. Er ver-
tröstete sich auf die nächste wallfahrrszeit,
wo ihm schon das Richtige cinfallen würde.
Den heiligen Damasus blickte er aber gar
nicht mehr an. Ihm Alles wegzuschnappen,
das war doch unfein.

Indessen verdroß es den Schelm mit
den Rrücken und Binden, daß sein einträg-
liches Handwerk aufgcdeckt war, da er nicht

arbeiten wollte. Aber er beschloß, sein gutes
Glück zu versuchen, und als der Frühling
nahte, verkleidete er sich sorgfältig, machte
er sich jämmerlicher als zuvor und seufzte
erbärmlicher. So ging es wieder zu dem
Wallfahrtsort. Reichlich waren schon die
Almosen geflossen, denn man achtete seiner
nicht genau unter den Viele» und manch-
mal wandte er sich lächelnd zum heiligen
Damasus und legte ihin dar, wie er doch
nur durch ihn sein Glück gemacht habe. Er
solle ihn in seinen Bitten doch auch bedenken.
Der Heilige aber wandte sich entrüstet ab,
da er doch einem Solchen jetzt nichts mehr
verdanken wollte. Auch schämte er sich vor
dem heiligen pankraz.

Da geschah cs, daß der Schelm an
einem heißen Tag zu dem verlassenen
pankraz ging, sein Schärflein zählte und
hin und wieder hinauflächelre, wie über
dessen Ungemach, was den heiligen pan-
kraz sehr verdroß. Dieser erkannte auch
den Betrüger und es siel ihm bei, wie er
ja doch den heilige» Damasus einfach nach-
zumachen brauchte. Gesagt, gerhan. Er
siel herunter, traf aber den Gauch, daß er
blurete, allerdings vor erneutem Schrecken
noch mehr lief. Alles fing an, Wunder zu
schreien und man glaubte, der verlassene
Heilige wolle sich zeigen; bald holte man
den hinkende» Schelm ein. Aber da ge-
schah das llnglück: viele von» vorigen Jahr
erkannten den Geheilten jetzt — und nun
ging cs an ein prügeln, Schimpfen und
Schreien. An ein Wunder aber dachte Nie-
mand. Da erzählte nun der Gedemüthigte
leise und reuig, wie er voriges Jahr
nach seiner wunderbaren Heilung
kein Handwerk bekommen hätte,
wie er überhaupt während sei-
ner Gebrechlichkeit keines ge-
lernt hätte. So hätte er sich,
wiewohl schweren Herzens,
aufgemachr, uin ein Almo-
jen als falscherRranker
zu erbitten. Er här-
te ohnehin jetzt eine
tüchtige Wunde am ^

Beine bekommen.

Da waren alle Leute mitleidig, gaben
ihm reichlich, aber von einem Wunder sag-
ten sie nichts, denn es war keine Runst,
einem eine Wunde am Bein zu versetzen,
das war ein — Zufall. Noch weniger war
es ein Wunder, einen Gesunden gesund zu
machen. Da war der heilige Damasus

doch ein anderer_Und so ließen sie den

hcrabgefallenen Heiligen im Staub liegen.

„Ja freilich einen Gauner entdecken, das
nennen die Leute nie ein Wunder, Mitleid
haben sie »och mit ihm," meinte der heilige
pankraz ächzend. Er war stark beschädigt,
denn er war aus mürberem Holz. Als er
wieder auf seinem Postament einsam und
verlasse» stand, zwinkerte er hinüber zum
heiligen Damasus und meinte dabei:

„Es müssen halt immer Schelme Zu-
sammenkommen ..."

weiter sagte er nichts. So war es ja
immer auf der Welt, wenn man vorwärts
kommen wollte.

wer aber inehr Wunder gekhan hat,
der heilige pankraz oder der heilige Dama-
sus, darüber schweigen die Lhroniken. Auch
glauben ja die Leute jetzt nichts mehr.

44
Register
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen