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1897

JUGEND

Nr. 5

Inspiration

Noch einer Dritten denk' ich jetzt;

Sie mochte von ungefähr der bleichen
Tiefroth gelockten Trudel gleichen,

Die just die Kanne niedersetzt.

Sie hatte so ihre eig'nen Sachen,

Und ihre Art war ernst und reif —

Die Mädels nannten sie kalt und steif,

Ulan sah sie auch selten mit ihnen lachen.
Doch hatte sie g'rade nichts zu thun,

Dann mochte sie gern in der Ecke ruh'n
Und heimlich init verliebtem Wesen
Lin Bildlein streicheln, ein Brieflein lesen.
Und rief man sie dann, so wußte nie,
wem es gegolten, die Marie,

Fuhr jäh empor aus tiefem Traum
Und ging wie trunken durch den Raum.
Zerstreuter ward sie Tag um Tag
Und sie verschwand mit einem Schlag.

Ich fragte nach ihr —r sie sagten mit Lachen,
Sie nähe jetzt fleißig an Kindcrsachen.

viel später einmal, wie ich gerne thu',

Sah ich den Wellen des Flusses zu
Vom Brückenbogen. Sie schossen jäh,

Denn im Gebirge schmolz der Schnee,

Sie kamen mit Brausen wie Donnerrollen
Und führten zwischen des Liscs Schollen
Entwurzelte Bäume und Aeste herbei —

Da, plötzlich erklang ein Iammerschrei:

„Dort schwimmt ein Weib!" — Sie
kamen in Saufen

Mit Stangen und Seilen herbeigelaufen,
Und wußten kein Ende mit gutem Rath,
Doch nur ein Einziger schritt zur That.
Lin Bursche sprang in die tosenden

wogen

Und hat auch am wehr mit Müh' und Roth
Die blasse Marie aus dem Wasser gezogen —
Verlorene Mühe: sie war schon tobt 1
Da lag sie am Ufer. Von Wasser troffen
Die rothen lhaare; wie Marmorstein
Das weiße Gesicht; die Augen, offen,

Sah'n wie ein grausiges Räthsel d'rcin.

Auf ihren schmalen, gelblich blassen
Und fest geschlossnen Lippen lag
Lin trotzig Weh, ein wildes Sassen,

Mie's Jenen, die mit langen «Dualen
Lin karges, kurzes Glück bezahlen,

Wohl ihre Züge furchen mag.

Gar Viel zieht so an mir vorüber,

Das Line froh, das Meiste trüber,
wenn ich die Mädels im Laft
von Tisch zu Tische schwirren seh'.

Und fragen möcht' ich mitleidsbang,
was Feder wohl die Norne sang?
wie viele werden von Luch Zwölfen
Sich fromm geduldig weiterhelfen,

Bei mühevollem Tagwerk munter?
wie viele schlingt der Strom hinunter?
was wird aus Eurem süßen Lachen
Zuletzt das bitt're Leben machen —
verderben, Stumpfsinn oder Noth?

Ist auch nur Liner von Luch Allen
Lin bess'rcs Loos vielleicht gefallen,

Lin Glück in Ehren bis zum Tod?

v. O.

Und fester drückt das braune Weib
An seinen Schatz den schlanken Leib
Und stammelt ihm trunken und selig ln's Dhr:
„Da hast Du mich ganz, Du zager Thor!

Ich gebe Dir Alles, was ich bin,

Ich gebe Dir Leib und Seele hin —

Und wenn's meine letzte Stunde wär,

Säst Du mich nur lieb — was verlang' ich

mehr!"

Und wieder senkt sich Mund zu Munde,
Vergessen hat das junge Paar

Die Welt und Alles, was wird und war-

vom Thurm dröhnt eine späte Stunde.

Lin lauer Sauch liebkost die Au,

Im Grase blinkt der weiße Thau —

Es ist, als wäre die ganze Nacht
Zn Lieb und Glück allein gemacht.

* * *

Kaum hat der Mai noch ausgcblüht,

Sat auch dies Feuer ausgeglüht.

Der Bursche kommt wohl zum alten Platz
Und wartet unter dem welken Flieder,

Allein das Mädel kommt nicht wieder —

Sie hat seit heut' einen andern Schatz.

So manches liebe Fahr darauf,

Da hat mich meines Schicksals Lauf,

Nachdem er mich weit umhergctragen,

In eine ferne Stadt verschlagen.

Ich Hab mit Freunden schlecht und recht
Bis nah zum Sahnenschrei gezecht,

Und wie ich schläfrig sie verlassen,

Führt mich der weg durch enge Gassen.

Ich wähnte schon, daß Alles schliefe —

Da löst sich aus des Schattens Tiefe
Lin Weib und folgt mit heiscrm Gruß
Und scheuem Lockruf meinem Fuß.

Iust scheint ihr das Laternenlichl
In's grell bemalte Angesicht
Und auf der Kleider seid'ne Fetzen —

Mich trifft ihr Blick — mir stockt das Blut
In tiefem Ekel und Entsetzen;

Den Blick, ich kenn' ihn lang und gut:

So hat in voller Iugendpracht
I» einer Maicnmitternacht
Die braune Liese mir verzückt
Im Licbesrausch in's Aug' geblickt.

Und jetzt —und jetzt I — Lin Goldstück klirrt
Auf dem Asphalt; sie nimmt's verwirrt,

Und schaut mir fremd und fragend nach —
Ich fliehe wie Liner, der was verbrach.

Und seh' ich weiter die flinken Mädel,

So denk' ich wohl an die blonde Grethel,

Die auch einst ein paar Iährchen lang
I» diesem Saus die Kanne schwang:

Lin süßes Gesicht; tiefblau und rund
Die großen Augen; klein der Mund;

Das Saar wie aus bleichem Gold gesponnen;
Geschmeidig und schlank die seine Gestalt,
wie Liner Feen und Elfen malt
Und Königskinder und Madonnen.

Ein junger Poet aus unserm Kreis,

Der liebte das blonde Grethlein heiß,

Ihm reifte ein ganzer Band Gedichte
I», Sonnenschein dieser Liebesgeschichte,
weiß Gottl Er hätte daran gedacht
Und Grethel zu seinem Weib gemacht,

Doch aber — allein — und so — und dann —
Man möchte gar oft, was man nicht kann.
Der Dichter verscholl. Die Grethel sah
Ich wieder in großer gloria.

Sie saß in ihrem eigenen wagen,

Satt' um den Sals einen Zobelkragen,
Brillanten im <vhr, war roth und dick
Und glänzte vor lauter Fett und Glück.

Ach! Nur das waizengelbe Saar
Gemahnt der Grethel, die einstmals war.
Und neben ihr saß der Gemahl: ein feister
Behaglicher Sausherr und Bäckermeister.

F, Dannenberg,

€in Irisches Gedicht:

Ein Regenbogenspiek,

Erzeugt vom SonnenÜcht,

Das durch die Thräne kiek.

A. i.

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