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JUSTITIA

Fiel „s.

Vcröerirecum für Krimtttctlitger

Zweiter Theil

was heißt „Rriminaltiger"^

wer ihn kenne, wer selber weiß, was er ist,
Der braucht'» nicht erst zu erfahren,

Und wem er noch nicht vorgestellr,

Den soll Gott vor ihm bewahren I

Dem Philister nur, der die neue Justiz
Für zu menschenfreundlich und lahm hält,
Der das Zuchthaus für ein Vergnügungs-

lokal,

Der den „Tiger" selbst für zu zahm hält,

Der gedankenlos nach prügeln schreit,
Dem gönnt' ich wohl das plaisirchen,
Dem gönnt' ich ein kleines Rendezvous
Mit dem „zahmen", „niedlichen" Thierchen I

&

Themis mit der Binde an ihre
Jünger

Glaubt ihr, mit meiner Linde wollt'

ich sagen:

Auch ihr sollt Linden vor den Augen

tragen?

&

Nur „schneidig!"

Schneidig ist die Futterschneidmaschine,
Schneidet alles, alles, kur; und klein,
Rraut und Unkraut, Stengel, Llatt und

Blüthe,

Auch — die Fi n g e r, bringst Du sie hinein !

&

List Du auch im ganze» gus zu Haus,
Gerechtigkeit lernt
sich nicht aus!

&

„In dubio in mitius!“

„In dubio pro reo!“

Seht ihr's nicht dort an dunkler wand
Auftauchen, wie ein Flammenbild,

Den alten, vielverkannren Spruch:

„Im Zweifel — n e i nI" „im Zweifel —
mild!"

Stoßseufzer von der Anklagebank

tHottO: „Das Scridit Wied sich, zu.
k u i*3 c r Beratung zurück-
ziehen!“

Ihr zieht euch zu „kurzer" Lerarhung

zurück?

was soll mir die Rürze nutzen? —

Daß ich um so kürzer sitzen muß,

Dürftet Ihr schon 7- länger sitzen!

i?»

„Malleus maleficorum“

„Id> bin nod) ein achter Kriminalist,

Don der alten Schule, ein strammer,

Ob der neuen Sammrhandschuhjustiz
Erfaßt mich's wie Rayenjammer!"

Ja, für Dich ist das Jahrhundert zu reif,
Mußtest schwöre» zur „Wilhelmina“,
Deiner ersten Liebe im Herzen treu,
Deiner alten „Carolina“!

Sei zufrieden, der neue Reichsstrafproceß
Liegt Dir nur im Bücherschränke,

Es mag mit dem „peinlichen Halsgerichr"
Liebäugeln Herz und Gedanke!

Aus Deiner edlen Seele stäubr's
wie aus vergilbtem Fascikel,

Darin man „inquisikorifd)" verfuhr
MirHerrn „Schinderhans" und „Hannikel".

Die „ausgcbeinke" moderne Justiz
Laßt Du hinken an logischer Rrücke;
„Moralische Ucberzeugung" ist
Leweis Dir und — Eselsbrücke!

Auf den Delinquenten drischest Du los
Mit moralischem Donnergepolter,

Du vivisecirst den armen Rerl
Mit dialektischer'Folter.

Es hat Dein arrikulirtcs Verhör-
So was vom — „Zangenkneifcn" —

Und zwischen den Zeilen des Urtelspruchs
Hört man — Siockprügel pfeifen, —

Ja, Du bist nod) ein ächrer Kriminalist
Von der alte» Schule, ein strammer —
Ganz deutlid) hämmert in Deinem Gehirn
Der alte — „Hexen hammer "I

Frau Themis schreibt Dir einst auf den Stein
In rnernoriain saeculorurn:

„Hier liegt mein letzter, dem Gorr gcnad?
Mein — malleus maleficorum!"

Meine einzige „Literatur"

Es modert meine Libliorhek
Längst in der Rumpelkiste,

Nur Eins studir' ich fleißig nod):
Die — Dienst- und Alrersliste!

Formalismus

Denk' niemals: „Nun, man kann es ja

riskiren,

Man braucht es nur geschickt;» formuliren !"

Schlichten und Sichren, nid)t Stricke fledzrcn,
Richten sollst Du, 0 Richters nid)k

r e dir e n! —

E

Großer Praktiker

List Du reid) auch an Dienst- und Lebens-
jahren,

Dennoch bleibst Du unerfahren,

Har's nur Akren für Dich und Parteien

gegeben,

Nicht Welt und -Menschen und Menschen-
leben! r>, O,

J. Dic^ (München).
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