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Nr. 12

1897

U'Hy..

I^mt will die ^Snimo scheiden.

<L>tiit QjCty fiihnk lief jn 5>fjnl,

<Tlo lilcirlj, nu gnünen COCtihen,
'Vciiylimmf ihn lehken jSfnnljl.

<I>ik min die jSrljntftn ycljcti —

€(iti CGCnUfcn rnufrijf tion fern,

CCnh üben Melsenhöheli
Glüht frljnti den Mbeudsienn.

tCtn hfl (lene Gijpncffcn
ß.n Mloflkniunuenil steh'u,

(Ejiufnm tuih niclfnciujcffcn
Hön' ich ein Glöckchc» geh'».
Geheimnihbollk Lchlcien
Gmwkbo» Baum und Ghon;
fHik stille Godkenfeicn
Venhnllt ki» fremmen Gijon.

Gen I^iirbliuiiih hebt die sFchwingen —
Ons (Inoiff so lind und wkich —
Venlon'ue Wimm eil lilingen
Mus fernem X^cfaclrcid). — — —
CGCic knuchk ihn auf, Geffalken
Gen InnijfB vcntzang'nen Lceit I -
Ich niöchkk Minstehn HMkll
Hion fün hie Mwigbeik.

Franz £aiitjl}ei»rid).

VlttL

(fflicb mir deine Seele nicht!

Denn sie trug der bittren Fülle
Erdeseliges Gewicht
Still noch nicht,

And sie liebt noch ihre Hülle! —

Denn noch perlte selig nicht
Ihrer Schönheit Sehnen über,

And das Leid, das reist und — bricht,
Im Gedicht

Ging es ihr noch stets vorüber. —

Gieb mir deine Seele nicht!

Erst die reife darf ich brechen,

Dost dem Leben still und licht
Zwei ein neues Glück versprechen
Nein — noch nicht,

Gieb mir deine Seele nicht!

WILHELM WEIGAND

G. E. Dodge (München).

Skizze von Paul Linsemann.

Alle Woche einmal besuche ich den Dr. Ed-
mund Meincke. Er ist Germanist aus Passion,
denn er hat es nicht nvthig. Aber sonst ist er
ein Lebenskünstler, da er sich eine ganz behagliche
Philosophie zurecht gezimmert hat, in der sich
samos wohnen läßt. Nur manchmal regnet es
durch eine Dachsuge, aber den Schaden bessert
er bald aus...

Gestern muhte es bei ihm tüchtig geregnet
haben, denn er lag melancholisch auf der Chaise-
longue, als ich kam. Er war heute nicht bei
Humor. Und so wollte ich ihn denn auf sein
Lieblingsthema „Die Edda" bringen. Aber er
reagirte nicht.

Er steckte eine seiner schlveren Importen an
und sagte ohne jede Einleitung:

„Heute Bormittag war die Vergangenheit
bei mir. Jn Gestalt eines Menschen, den ich
schon begraben hatte. Kennen Sie das Gefühl,
Paul? So etwas ist sehr unangenehm. Die
Vergangenheit kam wie ein Gläubiger, ich schlug
mein Schuldkonto auf und fand, das; da gehörige
Posten in ihrem Soll standen.... Es gibt so
ein gleiches Gefühl, wenn man nach einem Ge-
lage im Morgengrauen in das Speisezimmer
tritt und dort die beschmutzten Schüssetn und
Teller, die befleckte Tischdecke, die herabgebrannten
Lichter, die leeren Gläser, vertrocknete Blnnlen,
kurzum — die schmutzige Unordnung erblickt,
lieber alledem so ein klebriger, warmer Dunst.
Auge und Nase werden beleidigt. Wenn man
ihn nicht schon hat, hier kann man den Katzen-
jammer bekommen."

„Nun — und der Gläubiger? Werden Sie
ihn bezahlen?"

„Ja — wenn das ginge! Dann wäre mir
augenblicklich nicht so triste zu Muth. . . Die
Vergangenheit kann man nicht bezahlen: die
Zukunft nimmt keinen Wechsel auf sic an. . .
Ich hatte mit der Vergangenheit schon reinen
Tisch gemacht. Mein Gewissen hatte mit ihr
akkordirt, um nun mal in den kaufmännischen
Bildern zu bleiben. Wir hatten uns, schätze ich,
ans fünf Prozent geciiiigt. Das war noch sehr
anständig, wie? Manche Leute zahlen noch
weniger... Ta tauchte heute dieserMensch wieder
auf. Nach zwanzig Jahren!... Und es wurde
Alles wieder lebendig! . .. Ich Hab' nlich längst
geändert, sozusagen seelisch gehäutet. Aber er
war noch derselbe. . . Kommt da aus Amerika
zurück und denkt, ich sei noch der Alte wie da-
mals und das Leben ginge tvieder so los! . . .

Und ich sah, welch' ein Verschwender ich
war ... wie viel Zeit ich unnütz verthan. Die
Zeit ist so kostbar und wir gehen damit um >vie
die kuratelbedürstigsten Verschwender. Als ob sich
das je wieder ersetzen Uetze! Vom Geld will ich
gar nicht reden, aber von der Kraft und der Ge-
sundheit, die ich verplempert. Scheußlich dumm,
diese ganze Zeit ... Und was man sonst noch
auf dem Schuldkonto hat . .

186
Register
George Ernest Dodge: Ornamentzeichnung
Wilhelm Weigand: Bitte
Paul Linsemann: Der Gläubiger
Franz Langheinrich: Rast
 
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