Nr. 21
JUGEND
1897
Die Felsenbrr'icke
Die ferne Felsenstadt hängt fest,
Lin sonnenfunkelnd Falkennest.
An Hügeln unten gähnt ein Helles Thor,
Weinberge klettern aus der Au empor;
An Thürmen, Lck und Winkeln angeklebt
Balkone, Treppen, Gallerien,
Rings Bogengänge hoch die Stabt umzieh'n.
Und mitten in der steilen Lücke
Aus pfeilerhohem Abgrund schwebt
Die Felseubrücke...
bseiß röthet Mauer sich und Stein,
Die Fenster schicken blendend rothen Schein,
Der Horizont wird blauverschwommen — —
3n’s Gisenschloß kracht schwer das Thor,
Und klirrend rollt der Riegel vor —
Ich sah doch lange niemand kommen — —
Da donnert die Brücke von Rossehufen,
Ein Reiter, goldgepanzert, reitet ein,
Und Frauen treten auf die Treppenstufen,
Weiße Gewänder glüh'n im Abendschein,
vernehmlich hallt ein Helles Freudenrufen
Aus Säulenreihn. . .
Schon küßt der Nachtwind Blum' und Blatt,
Auf stillen Feldern wird der Nebel dicht;
Da flammt's von Fackeln in der Felsenstadt,
In allen Fenstern flackert Licht.
Musik, Tanz, Geigenschall ertönt,
wie Winterglocken klingt's im Weihnachtsglücke,
Und nächtlich noch von Schritten
dröhnt
Die Felsenbrücke.
Wilhelm von Scholz.
Fransensfeste
Franzens feste, Du Thor des Frühlings,
D’raus dem fröstelnden, nordischen
Fremdling
Lenzeswogen der Blüthenbäume
Warm und lachend entgegenströmen —
Sage, warum diese dräuenden Mienen,
All’ diese Mauern und diese Gräben,
All’ diese Wälle, d’raus ungezählte
Riesenkanonen zum Ftimmel starren..?
Ach, ich vergass! Ich gedachte der Zeit
nicht,
D’rin uns Aermsten zu leben vergönnt ist.
Ach, Europa rüstet den Frieden,
Tief in die wonnigsten Thäler der Berge
Tragen sie düster das Werk der Zerstörung,
Tragen sie seufzend des Krieges Bild. —
Franzensfeste, Du Thor des Frühlings:
Einst — ich weiss es — ranken und
schwanken
Blaue Syringen empor die Mauern,
Goldener Regen weht von den Zinnen,
Und auf den Wällen wildert die Rose.
Doch aus den leeren Kanonenscharten
Klingt’s wie der Klang der gefüllten Gläser,
Klingt es wie silbernes Mädchenlachen,
Klingt’s wie Gesang frohseliger Menschen..
— Lass’ uns träumen von
Deiner Zukunft,
Franzensfeste, Du Thor des
Frühlings!
Bozen, Ostern 1897. Otto Erich Hartlehen.
Hans Christiansen (Paris).
130
JUGEND
1897
Die Felsenbrr'icke
Die ferne Felsenstadt hängt fest,
Lin sonnenfunkelnd Falkennest.
An Hügeln unten gähnt ein Helles Thor,
Weinberge klettern aus der Au empor;
An Thürmen, Lck und Winkeln angeklebt
Balkone, Treppen, Gallerien,
Rings Bogengänge hoch die Stabt umzieh'n.
Und mitten in der steilen Lücke
Aus pfeilerhohem Abgrund schwebt
Die Felseubrücke...
bseiß röthet Mauer sich und Stein,
Die Fenster schicken blendend rothen Schein,
Der Horizont wird blauverschwommen — —
3n’s Gisenschloß kracht schwer das Thor,
Und klirrend rollt der Riegel vor —
Ich sah doch lange niemand kommen — —
Da donnert die Brücke von Rossehufen,
Ein Reiter, goldgepanzert, reitet ein,
Und Frauen treten auf die Treppenstufen,
Weiße Gewänder glüh'n im Abendschein,
vernehmlich hallt ein Helles Freudenrufen
Aus Säulenreihn. . .
Schon küßt der Nachtwind Blum' und Blatt,
Auf stillen Feldern wird der Nebel dicht;
Da flammt's von Fackeln in der Felsenstadt,
In allen Fenstern flackert Licht.
Musik, Tanz, Geigenschall ertönt,
wie Winterglocken klingt's im Weihnachtsglücke,
Und nächtlich noch von Schritten
dröhnt
Die Felsenbrücke.
Wilhelm von Scholz.
Fransensfeste
Franzens feste, Du Thor des Frühlings,
D’raus dem fröstelnden, nordischen
Fremdling
Lenzeswogen der Blüthenbäume
Warm und lachend entgegenströmen —
Sage, warum diese dräuenden Mienen,
All’ diese Mauern und diese Gräben,
All’ diese Wälle, d’raus ungezählte
Riesenkanonen zum Ftimmel starren..?
Ach, ich vergass! Ich gedachte der Zeit
nicht,
D’rin uns Aermsten zu leben vergönnt ist.
Ach, Europa rüstet den Frieden,
Tief in die wonnigsten Thäler der Berge
Tragen sie düster das Werk der Zerstörung,
Tragen sie seufzend des Krieges Bild. —
Franzensfeste, Du Thor des Frühlings:
Einst — ich weiss es — ranken und
schwanken
Blaue Syringen empor die Mauern,
Goldener Regen weht von den Zinnen,
Und auf den Wällen wildert die Rose.
Doch aus den leeren Kanonenscharten
Klingt’s wie der Klang der gefüllten Gläser,
Klingt es wie silbernes Mädchenlachen,
Klingt’s wie Gesang frohseliger Menschen..
— Lass’ uns träumen von
Deiner Zukunft,
Franzensfeste, Du Thor des
Frühlings!
Bozen, Ostern 1897. Otto Erich Hartlehen.
Hans Christiansen (Paris).
130