Nr. 26
JUGEND
1897
Rothe Mosen, röche...
' \ S'-
Rothe Rosen, rothe
Letzte Sommergabeir —
Der große Pan, der todte,
Liegt darin begraben!
Der große Gott, der Dan ist, todt —
Ach per;, was will das werden?
Du bkutigrothes Rosenroth
Die särbst du rings die Erden!
O Rosenroth, du warmes Blut,
Doher bist du geflossen?
Ich hatte doch mein Her; so gut
Verriegelt und verschlossen!
Das ist ein rother Wimmeksthau,
Sind blutige Götterthranen —
Die Sonne blutet im Aetherbkau,
Die Dekt vergeht vor Sehnen — —
Ach! auf des großen Gottes Gruft
Da spielen rothe Flammen.
QD Rosendust, o Grabeslust,
Schnürst mir das Her; zusammen!
Von allen Zweigen rinnt's wie Blut -
Sie rüsten rings 511m sterben,
Sie beben noch in welker Duth —
And müssen doch verderben.
Der blasse Abend niedersinkt,
Der Purpur ist verglommen —
So kühl und still — und leise klingt
Ein Singsang — öd-verschwommen:
Rothe Rosen, rothe.
Letzte Sommergaben —
Der große Pan, der todte,
Liegt darin begraben.
Ernst von Wolzogen.
Otto Eckmann (München).
Hauty
Eine seltsam? Geschichte von S. Lagerlöf
Es war einmal vor achtzig Jahren ein
kleiner Junge, der ging auf den Markt
hinaus und spielte Kreisel. Dieser kleine
Junge hiess Rüben, Er war nur drei Jahre
alt, aber er schwarfjj seine kleine Peitsche
schon so tapfer, wie'irgendeiner, und liess
seinen Kreisel hefUtn^chnurren, dass es
eine Freude war. ,
An jenem Tage vor achtzig Jahren war
recht schönes Frühlingswetter. Der März
war gekommen, und die Stadt war in zwei
Welten getheilt, eine weisse und warme,
wo der Sonnenschein herrschte, und eine
kalte und dunkle, ih der Schatten war.
Ueber dem ganzen Markt lag Sonnenschein
mit Ausnahme eines schmalen Streifens
längs der einen Häuserreihe.
Nun geschah es, dass der kleine Junge,
so tapfer er war, es müde wurde, sei-
nen Kreisel herumschhurren zu lassen,
und sich nach einem Ruheplatz umsah.
Ein solcher war nicht schwer zu finden.
Es gab dort zwar keine Bänke oder Sophas,
aber jedes Haus war mit einer Steintreppe
versehen. Der kleine RUben konnte sich
nichts Bequemeres denken.
Er war ein kleiner, gewissenhafter
Kerl. Er hatte eine dunkle Ahnung, dass
seine Mutter nicht haben -Wollte, dass er
auf den Treppen fremder Leute sitze.
Mutter war arm, aber gerade darum durfte
es niemals aussehen, als Wenn man et-
was von Anderen nehmen wollte. So ging
er denn hin und setzte sich auf ihre eig-
ene Steintreppe, denn sie wohnten auch
am Markt.
Die Treppe lag im Schatten, und es
war dort recht kalt. Der Kleine stützte
den Kopf an das Geländer, zog die Beine
hinauf und sass so behaglich, wie noch
nie. Ein Weilchen sah er zu, wie der
Sonnenschein draussen auf dem Markte
tanzte, wie die Jungen sprangen lind die
Kreisel sich drehten — dann schloss er
die Augen und schlief ein.
Er schlief gewiss eine ganze Stunde.
Als er erwachte, fühlte er sich nicht so
behaglich, wie beim Einschlafen, sondern
es kam ihm Alles so schrecklich unge-
müthlich vor. Da ging er weinend zur
430
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Rothe Mosen, röche...
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Rothe Rosen, rothe
Letzte Sommergabeir —
Der große Pan, der todte,
Liegt darin begraben!
Der große Gott, der Dan ist, todt —
Ach per;, was will das werden?
Du bkutigrothes Rosenroth
Die särbst du rings die Erden!
O Rosenroth, du warmes Blut,
Doher bist du geflossen?
Ich hatte doch mein Her; so gut
Verriegelt und verschlossen!
Das ist ein rother Wimmeksthau,
Sind blutige Götterthranen —
Die Sonne blutet im Aetherbkau,
Die Dekt vergeht vor Sehnen — —
Ach! auf des großen Gottes Gruft
Da spielen rothe Flammen.
QD Rosendust, o Grabeslust,
Schnürst mir das Her; zusammen!
Von allen Zweigen rinnt's wie Blut -
Sie rüsten rings 511m sterben,
Sie beben noch in welker Duth —
And müssen doch verderben.
Der blasse Abend niedersinkt,
Der Purpur ist verglommen —
So kühl und still — und leise klingt
Ein Singsang — öd-verschwommen:
Rothe Rosen, rothe.
Letzte Sommergaben —
Der große Pan, der todte,
Liegt darin begraben.
Ernst von Wolzogen.
Otto Eckmann (München).
Hauty
Eine seltsam? Geschichte von S. Lagerlöf
Es war einmal vor achtzig Jahren ein
kleiner Junge, der ging auf den Markt
hinaus und spielte Kreisel. Dieser kleine
Junge hiess Rüben, Er war nur drei Jahre
alt, aber er schwarfjj seine kleine Peitsche
schon so tapfer, wie'irgendeiner, und liess
seinen Kreisel hefUtn^chnurren, dass es
eine Freude war. ,
An jenem Tage vor achtzig Jahren war
recht schönes Frühlingswetter. Der März
war gekommen, und die Stadt war in zwei
Welten getheilt, eine weisse und warme,
wo der Sonnenschein herrschte, und eine
kalte und dunkle, ih der Schatten war.
Ueber dem ganzen Markt lag Sonnenschein
mit Ausnahme eines schmalen Streifens
längs der einen Häuserreihe.
Nun geschah es, dass der kleine Junge,
so tapfer er war, es müde wurde, sei-
nen Kreisel herumschhurren zu lassen,
und sich nach einem Ruheplatz umsah.
Ein solcher war nicht schwer zu finden.
Es gab dort zwar keine Bänke oder Sophas,
aber jedes Haus war mit einer Steintreppe
versehen. Der kleine RUben konnte sich
nichts Bequemeres denken.
Er war ein kleiner, gewissenhafter
Kerl. Er hatte eine dunkle Ahnung, dass
seine Mutter nicht haben -Wollte, dass er
auf den Treppen fremder Leute sitze.
Mutter war arm, aber gerade darum durfte
es niemals aussehen, als Wenn man et-
was von Anderen nehmen wollte. So ging
er denn hin und setzte sich auf ihre eig-
ene Steintreppe, denn sie wohnten auch
am Markt.
Die Treppe lag im Schatten, und es
war dort recht kalt. Der Kleine stützte
den Kopf an das Geländer, zog die Beine
hinauf und sass so behaglich, wie noch
nie. Ein Weilchen sah er zu, wie der
Sonnenschein draussen auf dem Markte
tanzte, wie die Jungen sprangen lind die
Kreisel sich drehten — dann schloss er
die Augen und schlief ein.
Er schlief gewiss eine ganze Stunde.
Als er erwachte, fühlte er sich nicht so
behaglich, wie beim Einschlafen, sondern
es kam ihm Alles so schrecklich unge-
müthlich vor. Da ging er weinend zur
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