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Nr. 10

JUGEND

1898

Fortunatus Folinas Abenteuer

Von Jean kamsau.

An jenem Tage, dem 25. September des
Jahres . . . übrigens, was thut’s zur Sache?
Die folgende Geschichte ist ja doch wahr . . .
also, an jenem Tage um 2 Uhr Nachmittags
war Fortunatus Folinas auf dem Boulevard
Haussmann glücklich.

Und hört warum:

1. war es schön,

2. thaten ihm seine Schuhe nicht weh,

3. hatte ihn eben eine vorübergehende
hübsche Frau freundlich angeblickt.

Das waren die Hauptgründe.

Es gab ja gewiss noch eine Menge andere,
so z. B. das Wohlbefinden der Seinigen, das
Steigen der Curse, das Bewusstsein erfüllter
Pflicht etc. etc.

Aber das alles sind
ja nur Nebensachen und
das reinste Glück, das
ein Mensch je em-
pfunden haben mag,
kommt vielleicht nur
davon, dass seine Weste
ihn nicht zu sehr be-
engt, dass es warm
ist, wenn er ohne
Ueberzieher ausgegang-
en ist, dass es regnet,
wenn er seinen Regen-
schirm mitgenommen
hat, und von tausend
anderen Nichtigkeiten
von höchster Bedeut-
ung. —

Im Augenblicke nun,
in dem Fortunatus Foli-
nas sozusagen in Glück
aufging, kam ihm ein
Gedanke, der ihm ver-
hängnisvoll werden
sollte.

Wie, wenn ich in
einen Omnibus stiege?
sagte er zu sich.

Folinas war allzu
ehrgeizig.

Der ersehnte Omni-
bus kam heran.

Besetzt.

Es sieht nach nichts
aus und ist ungeheuer-
lich. Der Verfall von
Königreichen hat sicher
lieh nie einen bedeu-
tenderen ersten Anstoss
gehabt.

Folinas war sehr
ärgerlich.

Er machte wilde
Geberden.

Ilm! Das ist ekel-
haft! brummte er.

Dann drehte er un-
bewusst seinen Stock
in der Luft, gleichsam
um sich an den Gegen-
ständen der Umgebung
dafür zu rächen, dass der
Omnibus besetzt war. Lithographie

»Nein, mein Herr! Nein, nein!« erklärte er
stürmisch einem zudringlichen Zettelausträger,
der ihm eine Annonce entgegenstreckte.

Wenn man dem Johann einen Faustschlag
versetzt, tröstet es einen immerhin ein wenig
darüber, von Jakob einen Fusstritt bekommen
zu haben.

Da man auf dem engen Strassenpflaster
eine dicke Dame mit schwellenden Formen
sich vorwärtswälzen sah, die die Auslage-
kasten bedrohte, schob Folinas heimtückisch
seine Ellbogen vor und weigerte sich, sie
durchzulassen.

> — — Aber, mein Herr!«

»Nun! Gnädige Frau, ich wollte-<

Folinas suchte.

> -in den Omnibus steigen!« fuhr er

wuthschnaubend fort.

Salzwasser

Es war ganz da oben, ruc Rochechouart.
Da ward Fortunatus Folinas plötzlich pur-
purroth.

Nun gut! Nur das hat noch gefehlt! murrte
er und verschränkte die Arme.

Ach! es war aber wirklich fürchterlich!
In seinem Schuh, da, unter der linken
Zehe, meine Herren! fühlte er einen Nagel.

Dennoch ging er weiter. Bei jedem Schritt
schien der Nagel zu wachsen. Hat man je
so etwas erlebt?

Plötzlich fand Folinas an einer Strassen-
ecke einen Marronimann, der sich eben nieder-
liess. Schon! dachte er. So ist also der
Winter da? —

Dann suchte er seine Börse in der Tasche:
Ich werde um 4 Sous von diesen Erstlingen
für meine Frau kaufen. Er ging den Marroni-

Wieder etwas fürch-
terliches, hört!-

Es waren noch nicht
für 4 Sous gebratene da!
Oh! Das Unheil 1
Folinas wartete.

Es war neben einem
Weinhändler.

Ein Betrunkener, der
herauskam, stiess ihn
an. Fortunatus Hut kol-
lerte natürlich zur Erde.

Er bückte sich, um
ihn aufzuheben.

Olt! Die Ironie der
Omnibusse 1 EineTram-
way fuhr darüber hin I
Eine leere Tramway!

Da machte Folinas
eine tragische Geberde,
und seine Perrücke löste
sich ab.

»Ei, ei, der liebe
Folinas!« sagte eine
Stimme im selben Au-
genblick.

Sein Bureauchef im
Justizministerium.

»Danke! — —- —
sehr gut. Und Ihnen?«
stammelte Folinas und
richtete seine Haare
zurecht.

Und da er seinen
Hut unversehrt auf dem
Pflaster liegen sah, stürz-
te er sich eiligst darauf,
wobei er ein Kind zar-
ten Alters, das seinem
Chef gehörte, umstiess.

Als Fortunatus Fo-
linas alles wiedergefun-
den hatte, seine Haare,
seinen Hut und seine
Haltung, sah er, dass
sein Chef fort war und
die Marroni auch eine
andere Richtung ein-
geschlagen hatten. Der
Händler hatte sie jeman-
dem anderen verkauft.
Folinas sah mit furcht-
Charles Shannon (London). barem Blick den Aus-

164
Register
Charles H. Shannon: Salzwasser
Jean Rameau: Fortunatus Folinas' Abenteuer
 
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