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1898

JUGEND

Nr. 19






Er -







Rudolf Wünsch (München).

der Chpresse, die der Bäume stärkster, gleicht.
Denn die Stunden und die Tage Deines Glücks
sind nun vorüber, und Glück und Freude pflückt
man nicht zwei Mal im Leben, wie man in jedem
Jahr die Rosen Paestums zwei Mal pflückt. Du
wirst auf Erden schon Dein Grabtuch tragen,
wie es die Muselmänner Mekka's thun."

„Morella!" schrie ich aus, „Morella! sag mir,
>vie iveisjt Du dieL?" — Sie aber drückte ihren

Kopf leis in die Kissen, und während dann ein
leichtes Zittern ihr durch den ganzen Körper
ging, entschlief sie sanft und ihre Stimme hört'
ich nie mehr.

Und dann, >vic sic's vorhergesagt, begann ihr
Kind - das sic geboren, während sie verschied,
und das erst athmete, nachdem die Mutter auf-
gchört, zu athmen — begann ihr Kind, eine
Tochter, erst zu leben. Und sic wuchs schön heran

an Körper und an Geist und war daS reine Eben
bild von der Dahingegangcnen, und ich liebte sie
so Heist und innig — nie hätte ich geglaubt, dast
ich einen Menschen je so würde lieben können.

Doch, nach nicht allzu langer Zeit, begann der
Himmel jener reinen Neigung sich durch Kummer,
Schmerz und Gram zu trüben. Wie ich schon
sagte, wuchs das Kind an Geist und Körper schön
heran. Wohl war das rasche Wachsthum ihres
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Rudolf Wünsch: Meduse
 
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