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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 4.1899, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 7 (11. Februar 1899)
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1899

JUGEND

Nr. 7

Der Hund fragt abermals: „Nu?" und
abermals heißt es: „Nee!"

Indeß — alsdann wird der ganze Rumpf
hinter den Vorderpfoten größer und dicker —
fo groß und dick, daß der Leib bald die sämmt-
lichen Thäler unterm Altan ausfüllt.

„Donnerwetter! So blau und so dick!"

Also Knut.

Der Hund fragt aber zum dritten Male:
„Nu?" und zum dritten Male heißt es: „Nee!"

„Ich will's Dir sagen," brüllt nun ärger-
lich der blaue Hopsmajor, dessen Kopf lächer-
lich klein aussieht dem riesigen Sackleibe gegen-
über, „ich bin — das sag' ich Dir unter vier
Augen — das Symbol des vornehmen."

„Dacht ich mir — fcho — schon!" stottert
der Knut, „wi — willst Du — Du mir —
wei — weiter Nichts mi — mittheilen?"

Hopsmajor räuspert sich und bemerkt in
distinguirtem Tonfall: „Ich werde mich ganz
klar aussprechen."

Den Mond umzucken wieder zwei haarfeine
Blitze, Knut beißt noch mal in's Huhn, ärgert
sich, daß er nichts zu trinken hat, freut sich,
daß dem Hunde jetzt die sämintlichen Tannen,
Eichen, Erlen, Buchen und Ahorns in den
Bauch picken — der Hopsmajor aber beginnt so:

„Mein lieber Knut Leincke von Bullerstein,
Du bist sonst ein ganz famoser Kerl, dessen
vornehme Lebensallüren mir schon während
meiner gewöhnlichen Lebenszeit beträchtliche

Genüsse verschafft haben. Du bist unter allen
Umständen 311 allen Zeiten ein wahrhaft vor-
nelimcr Mann, den man ohne Weiteres seines
Umganges würdigen darf. Nimm zunächst inal
eine kleine Prise!"

Der blaue Hopsmajor nimmt fix eine Schnupf-
tabaksdose aus seiner rechten Backentasche und
reicht sie seinem früheren Hausherrn. Beide
schnupfen und niesen, und der Blaue fährt fort:

„Nur dann, wenn Du angetrunken bist —

die Bauern sagen .sternhagelduhn'-dann

bist Du so, daß man Dich nicht für .vornehm'
erklären kann. Mensch, merkst Du nicht, daß
diese Angelegenheit höchst peinlich geworden
ist? Du wirst im angesoffenen Zustande —
und in diesem befindest Du Dich doch in jed-
weder Gesellschaft — thcils zu grob und theils
zu liebenswürdig. Du behältst nicht die Balance.
Du drückst die größten Peter der Menschheit,
die selbstverständlich .Peter' niemals heißen, in
ungebändigter Rührung an Dein edles Ritter-
Herz und merkst gar nicht, daß diesen Petern
Deine Rührung höchst lächerlich vorkommt, da
sie von der ewigen Sehnsucht der Besoffenheit
nicht die blässeste Ahnung haben. Andrerseits
aber geht's wieder folgendermaßen: Merkst Du,
daß Du Dich mit Deiner seelischen Entblößung
lächerlich machst, so haust Du dem nächsten
Besten — und das sind immer noch die Leid-
lichste:: — ohne Scham und Mitleid in's lachende
Antlitz. Und aus solchen Wuthausbrüchen ent-

stehen dann ganz alberne Mopsgeschichten, da
Du nachher von Nichts mehr die blässeste
Ahnung hast und oftmals in sehr wenig vor-
nehmer Weise grade diejenigen um Entschul-
digung bittest, die Du eigentlich hättest ver-
hauen sollen. Mensch, höre: Sterne verkratzen,
mit der Schnauze Alles bedrängen und Sich
recht breit machen — darin allein steckt das
wahrhaft vornehme Wesen — das zügellose
Temperament sollen Andre nicht sehen!!!
Sauf drum hinfüro ganz allein,

Mein lieber Leincke von Bnllerstein!"

Und es gibt einen fürchterlichen Knall, Knut
springt in die Höhe und sieht die Thäler mit
blauen Mondnebeln bedeckt.

In der Hand hält der Ritter noch immer
das Stück Huhn, und der Altan schwimmt —
Alles Rothwein!

„Stimmt!" sagt Knut Lemcke von Bullerstein.

„Gäste!" sagt devot der Knappe, der etwas
verschlafen aussieht.

„Achherrjeh!" schreit dazu der arme Knut,
„0 Karoline!"

Der Knappe eilt davon, der Herr Ritter
folgt ihm, denn die Gäste warten — er inur-
melt in seinen krausen Bart:

„Sauf drum hinfüro ganz allein,

Mein lieber Lemcke von Bullerstein!"

wie der große Knut die Treppen runter-
stolpert — zum Ahnensaal — murmelt er noch:

„Na — nächstens!"
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Max Kleiter: Ausgepumpt
 
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