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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 1 (Nr. 1-26)

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Nr. 7 (12. Februar)
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Nr. 7

. JUGEND -

1900

Burenlehren

aie erste ist die: daß eine Handvoll german-
ischer Ansiedler und Einsiedler auf wild-
fremdem Boden und im Kampfe mit Wilden
in wenigen Jahrzehnten es zu einer erstaun-
lichen Kraft- und Machtentfaltung
gebracht hat, welche vor Allem auf körperlicher
Tüchtigkeit und Gewandtheit aller Einzelnen,
auf der Stählung der Nerven und Muskeln,
auf der Schärfung der Sinne und des Willens,
auf einfacher Lebensweise und Enthaltsamkeit
beruht. Wäre nicht ihre geradezu künstlerische
Handhabung durchaus moderner Schußwaffen,
man könnte sich in die Urzeiten der Menschheit
versetzt wähnen; sie zeigen den erstaunten Völ-
kern des Erdballes, was für ein ansehnlicher
Kerl der Mensch wieder werden kann,
wenn er will. Vor diesem Beispiel des kleinen
Hirtenvolkes, vor ihrem wundervollen Gottes-
und Volksvertrauen zerstiebt das ganze Moder-
faß jener Afterweisheit, die der seufzenden
Menschheit den Stempel der erblichen Belastung
und des unaufhaltsamen Niederganges auf die
Stirn drücken möchte.

Die andere Burenlehre ist die: daß Vater-
landsliebe und Begeisterung für Frei-
heit und Recht ihre Wunderkraft noch nicht
verloren haben, daß sie einen an Volkszahl
und Neichthum hundertmal überlegenen Gegner
niederzwingen, wenn alle Volkskreise wie ein
Mann für ihre heilige Ueberzeugung Gut und
Blut zu opfern bereit sind. So sehen wir die
Buren zusammenstehen, Männer, Weiber und
Kinder ausnahmslos eingeschworen; da giebt
es nur eine Partei, nämlich diejenige der
Buren, und keine Hand hebt sich auf zum
Verrathe, keine Feder und kein Griffel setzt sich
in Bewegung, den eisernen Willen des Volks-
herzens zu verhöhnen oder durch hinterschlächtig
zwiespältige Nörgeleien irre zu führen. Eine
Lausbubokratie wie bei uns, giebt es bei den
Buren nicht: sie könnte nur von ausländischem
Gesindel importirt werden und dann würde sie
einfach todtgeschlagen.

Die dritte Burenlehre ist die: daß wir Deut-
schen uns in unserer Jugenderziehung
mit mancherlei veralteten Dingen Her-
umschleppen, welche die Wehrkraft des
Volkes direkt beeinträchtigen. Allen Respekt vor
der deutschen Kriegswissenschaft und Leitung.
Aber wenn wir bei den Buren vor Allem die

außerordentliche Schlagfertigkeit des einzelnen
Mannes bewundern und als Grundlage ihrer
beispiellosen Kriegstüchtigkeit anerkennen, so
müssen wir uns fragen, ob bei uns denn wirk-
lich Alles oder auch nur die Hälfte des Rechten
geschieht, um unseren: Heere annähernd ähn-
liche Tüchtigkeit des einzelnen Mannes zu sichern.
An Disziplin freilich können wir es viel-
leicht mit den Buren aufnehmen — ich sage
nur „vielleicht", weil bei uns das wetterharte
Pflichtbewußtsein, die unbedingte Hingabe an
den Dienst des Vaterlandes nicht in allen Volks-
schichten auf gleich starken Füßen steht. Im
Verbände — ja; außerhalb des Verbandes —
wer weiß?

Die angesichts der modernsten Schußwaffen
immer gebieterischer hervortretende Nothwendig-
keit der aufgelösten Gefechtsordnung und der
denkbar größten Treffsicherheit hat eben nicht
nur die A u s b i l d u n g des einzelnen Mannes,
sondern den einzelnen Mann als solchen
zur Voraussetzung, hier das Wort Mann dop-
pelt und dreifach unterstrichen. Und da bin
ich der Meinung, daß weder mit einer zwei"
oder dreijährigen Dienstzeit noch mit dem Blen-
derthum des Einjährigfreiwilligen, noch mit
irgend einem verspäteten militärischen Drill das
Ideal erreicht wird, das wir Deutschen er-
reichen können, wenn wir wollen. Das
aber geschieht nur durch eine andere, praktischere
Jugenderziehung für den Dienst des
Vaterlandes, gerade während des Lebens-
abschnittes, der dem Heeresdienst voran geht.
Anstatt in diesen Entwickelungsjahren unsere
Bauernburschen verknöchern, unsere städtische
Jugend theils verludern, theils zu halbgelehrten
Geisteskrüppeln heranwachsen zu lassen, — an-
statt Zwanzigjährige qualvoll auf den Exerzier-
plätzen herumzuschinden, sorge man lieber, daß
der Dienstpflichtige als ganzer Kerl, als
„Buer" zu den Fahnen kommt, als findiger
beweglicher Reiter und Turner, als brillanter
Bajonnettfechter und Schütze, vor Allem aber
mit einem sicheren militärischen Geiste.
Englische Sportpflege allein kann diesen Geist,
wie wir gesehen haben, nicht ersetzen.

Auf solche Vorbildung für den Kriegs-
dienst möge man dann zur Ermunterung für
die breitesten Volksschichten Abkürzungen
der Dienstzeit gewähren, — nicht aber wie bis-
her auf eine zweifelhafte Gelehrtenbildung, die
zwar dem Offizier gut ansteht, aber für den

Soldaten' und Unteroffizier ganz entbehrlich,
oft sogar hinderlich ist. Der Segen einer solchen
buerischen Jugenderziehung, den wir in der
deutschen Turnerschaft schon seit vierzig Jahren
vergebens gefordert haben, wird sich nicht blos
in erhöhter Kriegstüchtigkeit, sondern in der
gesammten Lebenshaltung, an Mark
und Bein unseres Volkes erweisen; sie wird
tausende von Familien glücklicher machen, denn
wohin das Strizithum der großen und sogar
der kleinen Städte und die Seuche des Ein-
jährigenexamens noch führen sollen, das weiß
der Teufel!

Darum lernen wir von den Buren!
Eignen wir uns ihre Gesundheit, ihre Charakter-
festigkeit, ihre Vaterlandsliebe, ihre bürgerlichen
und militärischen Tugenden an, soweit es nur
möglich ist, und sorgen wir, daß unsere Müt-
ter so wenig wie die Weiber unserer Stammes-
brüder da unten in Südafrika zu zittern brau-
chen, wenn es — was Gott verhüten möge —
einmal heißen sollte: „Fünfzehnjährige
vor den Feindl" ^ @eoiß Hirth

Shakespeare über Chamberlain

Gadshill: What, ho! chamberlain!
Chamberlain (within): At handl quoth
the pick-purse.

Gadsh.: That’s even as fair as: ,At hand‘
quoth the chamberlain; for thou variest
no more from picking of purses than
giving direction doth from labouring;
thou layest the plat how.

(King Henry IV. I, II, scene 1)

In deutscher Übersetzung:

Gadshill: Heda, Hausknecht!
Hausknecht (drinnen): Ja! Ja! „Bei der
Hand" sagt der Beutelschneider.
Gadshill: Das paßt so gut als: „bei der Hand"
sagt der Hausknecht. Du bist vom Leutel-
schneider nicht mehr verschieden als An
Weisung geben vom Arbeiten. Du machst
die Anschläge!

Erklärung. Infolge des überaus ruppigen
Benehmens der Engländer gegen Deutschland
sehen wir uns veranlaßt, unsere englischen
Namen Bob resp. Dick abzulegen und dafür
die deutschen Namen Hans resp. Fritz anzu-
nehmen.

I)atis frit$

(früher Bob) (früher Dick)
Mitarbeiter der „Jugend"

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