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1900

1900

. JUGEND

Nr. 11

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was?

Hört ich nicht eben die Stimme der Klugheit?

Sah ich nicht eben die Königin Vernunft?

Im Onyxsessel?

Umkränzt nn Halbkreis
Von ihren Großen,

Den Drummern und Blöcken
Des höchsten Hochgcbirgs?

VTctit, mein Lieber,

Ich steh am Fenster

Und starr in meinen Garten,

Den dichter, dicker Schnee einhüllt,

Daß kaum ein braunes Aestchen herauslugt.

Ich höre nur das eifrige Schnattern der Enten,
Denen heut Morgen eine gütige Hand
Ein Loch brach im Deich,
wie mollig sie sich fühlen
Im eisigen Wasser!

Und eine große Ruhe ist überall;

weit weg von der Welt liegt mein Garten,

Und der graue, todtstille wintertag
Hat den letzten Laut verschlungen.

Aber hört ich nicht dennoch die Stimme der Klugheit?
Sah ich nicht eben die Königin Vernunft?

Also Kritik!

„Dat mits Icld" —

Singen diese Wahrheit

Nicht schon die Säuglinge von den Dächern?

pfeifen sie nicht schon

Die Spatzen in der wiege?

Und der Kampf mit dem Leben?

Mit den „Bestien", die uns rings umgeben^

„Olle Kamellen!"

Leidenschaft,

Du ewige Erzeugerin

Alles Irdischen und Himmlischen,

Schütze gnädig mein Herz,

Daß es dem kalten Molch Egoismus,

Dem Riesenkraken,

Nicht eines Dags Ln die Fangarme fällt!

Dann mag mich das Kleinvieh,

Die immerheulenden Schakale
Der Lieblosigkeit, der Klatschsucht,

Des Neides, der Scheelsucht,

Der schamlosesten Neugierde,

Der Schadenfreude und Verkleinerungssucht,

Und alle die andern unzählbaren Viecher
Nach Belieben angeifern:

Sie werden sich winselnd ducken,
wenn ich mit heiligem Feuer
Meine ganze Seele
Hellauflachend zu Markte trage!'

Denn die Einsamkeit ist eine Mörderin.

Sie saugt uns, wie der kühlschnäuzige Vampyr-
Das schöne, frische, rothe Blut aus.

Nein, ihr Lieben!

Mitten hinein ins Leben,

Ganz und gar:
wie weich du bist,
wie hart du bist!

Kämpfe, siege,

Oder unterliege:

Bleib nur kampffreudig immerfort!

Und so von Schlacht zu Schlacht stürmend.

In der Linken die Fahne,

In der Rechten das Schwert —

Und so von Frieden zu Frieden singend,

In der Linken den Palmenzweig,

In der Rechten den Eichenkranz —

So durchs Leben.

Dann ist dein heißer Wunsch erfüllt,

Dein heißester in all dem Kampf:

Den täglichen, endlichen Frieden zu finden,

Den Großen Frieden,

Dcn Frieden in Gott. Detlev von Liliencron

Konrad Starke (Brüssel)

Ich möcht’ an den CDast meine Schürze binden,

Ich möchte sie geben den Ölogen und Ölinden;

Und sah’ er sie wehen, von fern in der üuft,

€{r würd’ es wohl ahnen, wohin sie ihn ruft. (wilh. Müller „Bräutigamswahl“)
Index
Konrad Starke: Bräutigamswahl
 
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