1900
. JUGEND
Nr. 21
Da das Theater der ganzen modernen Weltanschau-
ung entgegengesetzt ist, ist es zur Unfruchtbarkeit ver-
dammt. Der Roman, die bildende Kunst sind epischen,
parteilosen Charakters; sie können sich daher ändern
und bestehen bleiben. Das versagt dem Theater sein
Organismus; es ist auf die Vergangenheit angewie-
sen, stellt sich in Gegensatz zu unserer Kultur und
trocMet ein. Denn eine Heuchelkunst kann niemals
dauernd bestehen- Marionetten, deren Drähte sie
klappern hören, langweilen auch die Philister.
Unsere Bühnenzukunft zeigt uns die Gegenwart des
amerikanischen und englischen Theaters; geht doch auch
unsere wirtschaftliche Entwicklung in immer kleiner
werdendem Abstand denselben Weg. Und die gleiche
soziale Lage hat bei Völkern gleicher Rasse noch immer
die gleiche Kunst gezeitigt. Und wie ist die Gegenwart
der anglosächsischen Bühne? Nie, seit des späten
Römerthums und des welkenden Byzanz bösen Tagen
ward ähnliche Verkommenheit bei einem großen, ge-
sunden, gebildeten Volke gesehen. Es ist wahr, der
Kapitalismus ist in seiner reinsten — das ist schmutzig-
sten — Ausprägung überhaupt kunstschädlich; aber
im Drama hat er am verheerendsten gewirkt. Eine
öde Sensationsmeierei, die alle Mittel erregter Ge-
schäftsgier gebraucht; kunstfremde Star-Reklame — ein
wüstes Gemenge agirender Dirnen und ihrer Repor-
ter. Und es scheint mir zweifellos, daß die Neu-
romantik unserer Märchendramen, in die sich die be-
drängte Bühnenkunst scheu verkroch, schließlich in sensa-
tionellen Ausstattungsstücken amerikanischen Genres
versumpfen wird. So könuen wir die traurige Zu-
kunft unseres Theaters air Amerikas trauriger Gegen-
wart sehen. Prüde, heuchlerisch, albern, wie ein Lese-
buch oder ein Pietistentraktätchen, von keinem Sturm-
wind des Geistes bewegt, begeisterungslos und ge-
schäftlich wie ein Comptoir in der City. Ueber das
Weltmeer her können wir es hören mit trübem Schau-
der: der große Pan ist todt. Finiä artium! . . .
Matrosen-Maat (zu ungeschickten Rekruten): „Rerls, Luch dürfen wir nich
an's Land lassen, sonst ist's aus mit dem Flottenenthusiasmus!"
An unsere verebrltcben Abonnentent
)a Merteljahrspreis für dis „Jugend" wird vom Juli 6. )s, ab M. S.5S
betragen. Der Grund zu der kleinen Erhöhung um 50 p>fg. pro Quartal liegt einerseits in dem Miß-
verhältniß zwischen dem Abonnements- und dein KummernprelS, welch letzterer (30 Pfg.) für das
Quartal 211. 3.90 ausmacht; andrerseits in dem Umstande, daß die „Jugend" bisher einige hundert-
tausend 2Nark meHr gekostet als eingeboacht hat. Obschotr die „Jugend" m öffentlichen Lokalen und
Lesezirkeln von Kunderttausenden gelesen wird, so beträgt ihre ständige Auslage doch nur 40,000.
Da hierbei nur die Gebildetsten und geistig freiesten der Nation in Betracht kommen, so läßt sich die
Aahl der Abonnenten nicht beliebig hinausschrauben, und es bleibt dem Verlage zur Erzielung einer einiger -
maßen befriedigenden Bilanz nichts anderes übrig, als eine kleine Erhöhung des Abonnementsxreifes
vorzunehmen.
wir wissen, daß unsere verehrlichen Abonnenten diesen kleinen Aufschlag ohne Murren ertragen
und der „Jugend" deshalb nicht untreu werden. Ja wir geben uns sogar der Erwartung hin, daß viele
gelegentliche Leser sich in ständige Abonnenten verwandeln werden.
Auch für alle früHeren Jahrgänge und Quartale der „Jugend" tritt vom Juli d. Is. ab der
gleiche vierteljahrsxreis von M. 3.30 ein.
Der Preis der einzelnen Nummern bleibt dagegen nach wie vor zo Pfennig,
«ünch-n. Zärbergraben 2». Der Verlag der „Zugend"
;;;
. JUGEND
Nr. 21
Da das Theater der ganzen modernen Weltanschau-
ung entgegengesetzt ist, ist es zur Unfruchtbarkeit ver-
dammt. Der Roman, die bildende Kunst sind epischen,
parteilosen Charakters; sie können sich daher ändern
und bestehen bleiben. Das versagt dem Theater sein
Organismus; es ist auf die Vergangenheit angewie-
sen, stellt sich in Gegensatz zu unserer Kultur und
trocMet ein. Denn eine Heuchelkunst kann niemals
dauernd bestehen- Marionetten, deren Drähte sie
klappern hören, langweilen auch die Philister.
Unsere Bühnenzukunft zeigt uns die Gegenwart des
amerikanischen und englischen Theaters; geht doch auch
unsere wirtschaftliche Entwicklung in immer kleiner
werdendem Abstand denselben Weg. Und die gleiche
soziale Lage hat bei Völkern gleicher Rasse noch immer
die gleiche Kunst gezeitigt. Und wie ist die Gegenwart
der anglosächsischen Bühne? Nie, seit des späten
Römerthums und des welkenden Byzanz bösen Tagen
ward ähnliche Verkommenheit bei einem großen, ge-
sunden, gebildeten Volke gesehen. Es ist wahr, der
Kapitalismus ist in seiner reinsten — das ist schmutzig-
sten — Ausprägung überhaupt kunstschädlich; aber
im Drama hat er am verheerendsten gewirkt. Eine
öde Sensationsmeierei, die alle Mittel erregter Ge-
schäftsgier gebraucht; kunstfremde Star-Reklame — ein
wüstes Gemenge agirender Dirnen und ihrer Repor-
ter. Und es scheint mir zweifellos, daß die Neu-
romantik unserer Märchendramen, in die sich die be-
drängte Bühnenkunst scheu verkroch, schließlich in sensa-
tionellen Ausstattungsstücken amerikanischen Genres
versumpfen wird. So könuen wir die traurige Zu-
kunft unseres Theaters air Amerikas trauriger Gegen-
wart sehen. Prüde, heuchlerisch, albern, wie ein Lese-
buch oder ein Pietistentraktätchen, von keinem Sturm-
wind des Geistes bewegt, begeisterungslos und ge-
schäftlich wie ein Comptoir in der City. Ueber das
Weltmeer her können wir es hören mit trübem Schau-
der: der große Pan ist todt. Finiä artium! . . .
Matrosen-Maat (zu ungeschickten Rekruten): „Rerls, Luch dürfen wir nich
an's Land lassen, sonst ist's aus mit dem Flottenenthusiasmus!"
An unsere verebrltcben Abonnentent
)a Merteljahrspreis für dis „Jugend" wird vom Juli 6. )s, ab M. S.5S
betragen. Der Grund zu der kleinen Erhöhung um 50 p>fg. pro Quartal liegt einerseits in dem Miß-
verhältniß zwischen dem Abonnements- und dein KummernprelS, welch letzterer (30 Pfg.) für das
Quartal 211. 3.90 ausmacht; andrerseits in dem Umstande, daß die „Jugend" bisher einige hundert-
tausend 2Nark meHr gekostet als eingeboacht hat. Obschotr die „Jugend" m öffentlichen Lokalen und
Lesezirkeln von Kunderttausenden gelesen wird, so beträgt ihre ständige Auslage doch nur 40,000.
Da hierbei nur die Gebildetsten und geistig freiesten der Nation in Betracht kommen, so läßt sich die
Aahl der Abonnenten nicht beliebig hinausschrauben, und es bleibt dem Verlage zur Erzielung einer einiger -
maßen befriedigenden Bilanz nichts anderes übrig, als eine kleine Erhöhung des Abonnementsxreifes
vorzunehmen.
wir wissen, daß unsere verehrlichen Abonnenten diesen kleinen Aufschlag ohne Murren ertragen
und der „Jugend" deshalb nicht untreu werden. Ja wir geben uns sogar der Erwartung hin, daß viele
gelegentliche Leser sich in ständige Abonnenten verwandeln werden.
Auch für alle früHeren Jahrgänge und Quartale der „Jugend" tritt vom Juli d. Is. ab der
gleiche vierteljahrsxreis von M. 3.30 ein.
Der Preis der einzelnen Nummern bleibt dagegen nach wie vor zo Pfennig,
«ünch-n. Zärbergraben 2». Der Verlag der „Zugend"
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