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Nr. 26

JUGEND

1900

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UN seht das alte Narrenschiff,
wie segelt es durch Klipp und Riff!
Ich fand es rüstig sehr von Lau,

Mit Rudern und getheertem Tau,

Auch Mast und Steuer richtig dran,

Es fehlte nur der Steuermann.

Hab's drum bewimpelt und beflaggt
Und eine Fahrt mit ihm gewagt. ^

Denn wenn aud) todt Sebastian Lrant,
Viel Narren leben noch im Land,

Die wollen all' auf dieses Schiff
Und winken ihm mit Ruf und pfiff.

's nimmt zwar Kunstnarren nur an Lord,
Doch fehlt es nicht an dieser Sort'.

Viel Maler dort am Ufer stahn
Mit Pinseln und mit Farben dran;

Viel Dichter auch im schwarzen Rocke,
Manch Musikus mit wirrer Locke,

Viel Kritiker mit schwarzen Gallen —
Und kaum ein Weiser unter allen.

So leg denn an, du Schifflein fein —

Die zweite Ladung steiget ein.

Führ' sie ad narragoniam gleich,

Zum Heil für mich und 's deutsche Reich!

l.

Der einst die Buchdruckkunst erfand,

Schuf Rarren viel fürwahr im Land,

D'rum sei er auch als Rarr genannt.

Vom Bücherdrucken

Auf meines Schiffes Maftkorb hoch
Setz ich Gensfleisch von Sorgenloch,

Den Hansen, Gutenberg genannt,
weil er sein' preß' nicht so erfand,

Daß man damit zu feder Stund'

XXxxt gute Lücher drucken kunnt'I
Die Druckerpreffe ist gewiß
Ein schwarzer Drach' mit tausend Fuß',
Die er voll arger List verleiht
An jede Los- und Albernheit,

Daß selbige dann unverwandt
Auf lö00 Füßen läuft ins Land.

Hingegen einer weisen Lehr'

Leiht oft der Drach die Füß' nicht her,
Daß solche oft schon lendenlahm
Und unbekannt zu Tode kam.

Hierin sind scheint's nun die Chinesen
Uns wieder über mal gewesen:

Sie kannten, meldet die Geschicht',

Die Druckerkunst und druckten nicht.

wohlthätiger noch ich dies finde,

Als die berühmte Chinarinde:

Manch Fieber unbekannt war' noch,

Hätt' nicht gedruckt Hans Sorgenloch,
Hätt' nur den Ganskiel lassen walten,
Und sich in Mainz ganz ruhig verhalten.
XXxxn ist das Unheil einmal da;

Vom Nordpol bis nach Afrika
Find' ich gehüllt zu meinem Schmerze
Die Welt in lauter Druckerschwärze.

Seh ich der Schriften grausig Heer,

So denk ich schier, wenn nur der Herr,
Der einst verbrannt in seinem Zorn
Die Bibliothek von hint' bis vorn
Zu Alexandria vor Zeiten,

Mal wieder mög' solch Feu'r bereiten,
Für schlechte Lücher ein Hochgericht!
Doch — so viel Feuer giebt's ja nicht.
Ein pudelnärrisch Handwerk treibt,
wer Bücher druckt und Bücher schreibt
Und meint, daß das was Kluges war.
Ich selber bin auch so ein Narr.

2.

Der Llephant will Bienchen sein
Und sammeln süßen Honig ein;
Zwar ist er riesenstark und klug,
Sein Rüssel doch nicht fein genug.

Vom kräftigen Poeten

Ein' Narr'n traf ich im Buchenhain,

Der sagt', er wollt' ein Dichter sein.

Thät nichts, als unter süßem Flieder
Belauschen Nachtigallenlieder,

Ging meist umher, wo Niemand wohnt
Und guckt großäugig in den Mond.

O Narr! Mich packt das Mitleid gleich!
Aus dir wird nichts im deutschen Reich!!
Bedenk! Die Nachtigall ist jetzt
Als Dichtervogel abgesetzt!

Ihr lyrisches Bemühn belächl' ich,

Ihr Lied ist abgedroschen, schwächlich,
Süß, kitschig, fad, konventionell,

Und nicht modern und aktuell,
willst Du ein rechter Dichter sein.

So kreuch nicht in den Wald hinein
Und Hang dort süßen Träumen nach,
Nein, flieg den Leuten auf das Dach,
Reiß auf den Schnabel möglichst weit
Und schrei', daß männiglich versteiht.
Nicht immer einsam sollst Du trotten.
Hingegen Dich zusammenrotten!

Gesellig flatt're Du zu Essen,

Sowie zu Bällen und Kongressen;

Macht Dir Dein Nächster kein Vergnügen,
So rauf ihn, daß die Federn fliegen;
Auch hopse fleißig um den Mist,

Ob nicht darein ein Körndlein ist;

Sei das Problem auch miserabel:

Nimm es Ln Deinen Dichterschnabel,
Drück es recht dreist und kräftig aus
Und mach' ein künstlich Lied daraus!

Und balde in der Zeitung steht,

„Herr Spatz, ein kräftiger Poet!"

Z.

Der Pfau brüst' sich mit seinem Schweif
Du Rarr, paß auf jetzt und begreif:
Ls Kann so ein gedruckt Gedicht
Mit Punkt und Strichen prunken nicht!

Von den Strichdichterlein

Einst, wenn ein Dichter was gedichtet
Und säuberlich zum Druck gerichtet,
war er gar sorgsam drauf bedacht,

Hier sei ein Komma angebracht

Und hier ein Strichpunkt und dergleichen,

Gedankenstrich und Fragezeichen —

Auf daß der Leser ohne Schwanken
Versteh die schwierigen Gedanken,

Erfass' den tiefen Sinn genau
Und freu' sich an des Satzes Bau.

Itzt hat dies Blatt sich so gewendet:

Ein Satz nicht anfängt oder endet,

Hat nicht ein Komma, keinen Punkt,
Ausschließlich er mit Silben prunkt,

Auf daß der Leser nicht so leicht
Erkenne, wie doch gar so seicht
Das wässerlein im Sande rinne
Und stets von Neuem sich besinne.

Auch druckt man, geistreich, tief und fein
Ein jeglich Hauptwort einfach klein —

Ein Schüler, welcher also schreibt,

In seiner Klasse sitzen bleibt.

Statt in Gedanken übt man sich
Gar fleißig im Gedankenstrich:

Der Dichter kann's nicht selbst besorgen,
Drum muß er's von dem Leser borgen.
Faßt man ein solch Strichdichterlein
Nun einmal teutsch beim Hammelbein,

Und sagt ihm, dieses sei kein Sang,

So schreit es: Dir entgeht der Klang,

Der Weihrauch der berauschten Töne,

Die transcendente Sylbenschönel
O Narr, Du wirst nicht klug hienieden:
Der Klang ist dem Klavier beschieden,

Die Sprach' darf klingen nicht allein,

Es muß auch was dahinter sein!

Sonst singt auf seiner Locospalme
Sogar der Aff' die schönsten psalme!
Schreibt Eure Anfangstypen klein,

Doch laßt das And're größer sein!

4.

Adam aß einen Apfel blos,
worauf die Nacktheit ihn verdroß!

Mir daucht, die Pfaffen Han indessen
Den ganzen Obstbaum leer gefressen.

Von den Nuditätenschnüfflern

Im Land ist jetzt ein groß Geschrei,
was sittlich und unsittlich sei

Julius Diez

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Register
Julius Diez: Zeichnungen zum Text "Nachfuhr zum Narrenschiff"
Fritz Pfeffer: Nachfuhr zum Narrenschiff
 
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