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1900

JUGEND

Nr. 26

Und daß der Beelzebub umgaht
Und hinter den Schaufenstern staht,

Zudem auch weiset seine Mienen
Gar häufig in dem Spiel der Bühnen,

Um so mir Bildern, Wort und Schriften
Die keuschen Teutschen zu vergiften.

Nun seind die deutschen gar nicht so:
Berichtet steht im Tacito,

Daß Jüngling' mir den Mädchen baden,
Ohn ihrer Seelen Heil zu schaden.

Der Römer wundert sich darob,

Ich weniger, dieweil, gottlob,

Auch heut' noch häufig ich dies seh'

Im Schliersee und im Tegernsee.

Stell' nun solch' Wassernixelein
Gemalt in ein Schaufenster 'nein,

Gleich kommt die hohe Polizei
Mit Pickelhaupt und Spieß herbei.
Schützt sie die Sitt'? Ich glaub' es kaum l
Denn Sitte ist, als wie ein Baum:

Ist er gesund und wurzelfest,

Trotzt er dem Blitz und Sturm auf's Best';
Doch ist er innen wurmzerfressen,

Rracks, schmeißt ein wind ihn in die Rrcsscn.
Auch ist der Zweck der Obrigkeit
Nicht stets gerettet durch ein Rleid:

Sich Dir einmal, o Ordnungsmann,

Ein Modekind von rückwärts an,

Das mit Geschicklichkeit und Rraft
Des Rleides Saum gar sorgsam rafft,
Daß nicht der Schmutz den Stoff benetzet,
Du sichest oft, was Dich ergötzet. —

Noch mehr zu sagen, wär nicht klug,

Der Renner weiß bereits genug.

Doch frag ich Euch zu dieser Stund
Mal mit Vernunft und guten Grund:
wenn Niemand mehr ein Sünder wär,
wo kämen dann die Rinder her???

5.

wer seinen Gast mit Süßigkeit
Rur füttert, schafft ihm Ueblichkeit;

Doch macht auch der sich nicht beliebt,

Der ihm sunst nichts denn wermuth gibt.

Von den scheußlichen Malern

Hier wackeln auch die Eselsohren:

Viel Maler han sich itzt verschworen,

Dem publieo gar nie zu schmeicheln,
Vielmehr es wider's Fell zu streicheln.
Drum mal'n sie nur verrenkte Leiber,
Verzwickte, alte Schauerweiber,

Vor welchen ein argloser Mann
Schier auf den Tod erschrecken kann.

Sicht solch' ein Maler wo ein Bild,

Ein Mägdlein, lieblich, süß und mild,

So randalirt er ohne Zweifel:

„Talentlos, kitschig, fad, pfui Deifell!"
Rurz, was nur reizend und graziös,

Freut andre Leut' und macht ihn bös.
Jedoch, war ein Modell recht alt,
wüst, borstig, krank und Mißgestalt,

So sagt er: „Hierin liegt Charakter!

Mit Wahrheit, Rraft und Tiefe packt er!.
Er wirket nicht mit seinen Stoffen,

Von ihm kann man noch Vieles hoffen!"
Willst Du durchschauen solchen Mann,
Sieh' Dir ihn auf Redouten an,

Wenn sich's um Tanz und Weiber handelt;
Da ist der Gauch Euch ganz verwandelt:
Schier allenthalb sein Auge glitscht,

Wo die Natur was hingekitscht;

Was ihm gemalt bereitet Trauer, .
Umfaßt er hier mit Wonneschauer
Und läßt die Tiefen, wahren, Rräft'gen
Sich einsam an der wand beschäft'gen,
Wo seine eigenen portraiten,

— Wär'n sie lebendig, — sitzen thäten.
Gäb' es Gerechtigkeit auf Erden,

Sic müßten all' lebendig werden,

Und 's müßt' der Maler seine Thaten
Entweder küssen, oder Heuerathen, —

Ich wett', vom Ropf bis zu den Füßen
würd' er sein Bild dann mehr versüßenl —
Posire nicht mit Häßlichkeit,

Ansunst kommst Du in's Narrenkleid l

Der Rünstler etwas Eig'nes schass,
Nachahmen thut allein der Aff, —
Und ich, der mit besond'rem Griff
Nachahmen thut das Narrenschiff.

S.

S.

wenn ich aus der Ausstellung geh',
wie gern ich Dich dann wiederseh',

O du mein Lederkanapee!

Vom modernen Runstgewerbe

Fürwahr, auch dies ist Narretei:

Du sagst der Welt, Dein Sessel sei
Famos, weil schwungvoll er gestaltet
Und von modernem Geist durchwaltet.

O Narr, Du wähnst durchaus umsunst,
Du habest da ein Werk der Runst!

Im Gegentheil, das Werk hat Dich
Und zwickt Dich hinten mörderlich,

Falls Du, wie immer ideal
Drauf sitzend leerst die Raffeeschal'!

Nur der sitzt dorten ungenirt,

Deß' Rörper selber stilisirt
Sich einfügt in den Linienfluß,

Als ein ästhet'scher Hochgenuß.

Du aber, wie im Wonnepfuhl,

Liegst heimlich im Banausenstuhl
Und denkst, wenn es nur Niemand sicht,
wie mir's an Runstverftand gebricht
In allen hintern Regionen!

Dies ist die Art, wie Narren wohnen.
Auch Deinen Schreibtisch lobst Du sehr
Und zeigst ihn allen Gasten her:

Der Rünstler habe darin eben
Einmal sein Bestes ganz gegeben
Und alles Weh, das ihn bedrückt,

In diesem Schreibtisch ausgedrückt!

Doch sitzt man daran just so fein,
wie in der eisern' Jungfrau d'rein
Zu Nürenberg die armen Hexen.

Das heiß' ich Runstgewerbefexen.

7.

Der Aff' gibt auf den Meister acht,
Me er's mit dem Rasiren macht:
Schneid't sich in' Hals, wird ausgelacht.

Vom Vlachahmen in der Runst

Der hat verdient die Schellenkappe,

Der, wie dem Ritter folgt der Rnappe,
Einhertrabt auf der Alten Spur,

Steckt sich in Anderer Natur,

Die ihm nach Eigenart und Sitten
Gar oft nicht auf den Leib geschnitten,
Darumb auch aus der Löwenhaut
Das lang' grau' Ohr gen Himmel schaut.
Die Elster oft, so muß ich hören,

Bringt Löffel, die nicht ihr gehören.

Der Bäcker backt die ganze Rächt,
Denn wenn die Kaffeebas erwacht,
Da muß die Bretzel sein parat.

So machen's jetzt die Maler grad.

Vom Ausstellungsfieber

Dies eine sehr die Narren lieben,

Ein jeglich Ding wird übertrieben,

Und so lang hin- und hergehetzt,

Bis daß der Geist entfleucht zuletzt,

Und schier nur Narrheit übrig blieb:

So auch der Ausstellungsbetrieb.

Sonst war die Ausstellung ein Fest,
Darein man gab das Allerbest,
was einer in geweihter Stund'

Aus seiner Leinwand holen kunnt'.

Jetzt aber so ein Maler sitzt
Und pinselt, kleckst, tupft, reibt und schwitzt.
Daß Hinz und Runz und Privatier
Nur ja das Bild noch ausg'stellt seh'!

Und hat er's d'rin, der bleiche Mann,

So naht die andre schon heran,
wo aber etwas faul und feucht,

Dort gleich das Ungeziefer kreucht.

So schwillt durch Ausstellungen dick
Der Parasit: Zeitungskritik.

Und ist Herrn Meiers Bild wohl gar
Nicht besser, als das vor'ge war,

Gleich kommt das krit'sche Roß geritten :
„Herr Meier ist nicht fortgeschritten!"
(Als ob vom Lenz bis Herbst sich schnell
Entwickeln könnt' ein Raphael!)

Herr Meier wird nervös und krank
Und die Rritik auch, Gott sei Dank!
Nebst Publikum. Denn anzublicken
5000 Bilder mit Entzücken
Ist eine Leistung, die nicht leicht
Der Männer-Stemmklub selbst erreicht.
Steif wird der Hals, die Rnie wanken —
Nach Schnäpsen trachten die Gedanken.
Glücklicherweise hat man schon
Hierfür die Restauration;

Doch wär' mein Rath: baut nebendran
'ne Wasserheilanstalt auch an,

Daß durch die Rraft des wasserfall's
Ruriret werd' der steife Hals,

Die Rnie' auch mittelst wasserhos
Und was ansunsten noch nervios. —

Auch nennt das Ding statt Runstausstellung:
„Fabrik für schnelle Bildherstellung,
Verknüpft mit krit'schem Vogelschießen."
Es kann daraus nur Heil entsprießen.

fritj pfeffcr

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Julius Diez
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Julius Diez: Zeichnungen zum Text "Nachfuhr zum Narrenschiff"
 
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