Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Nr. 26

JUGEND

1900

I

Kolksstimmen M BuMuckerkunst

Privatier LZuber

Ja, die Buchdruckerkunst wenn net war!
Mit was sollt ma denn einschlafen nach
dem Essen, wenn ma ka Zeitung net hättl
Und ma woaß doch glei, wo's an Bock
gibt oder frische Spanferkel und braucht
net erst umanander z'laufen.

Der Herr Pfarrer:

Jesses, Maria und Joseph — wenn
man die Beicht- unb Wahlzettel alle schrei-
ben müßt!

Der Aristokrat:

Bedenken Sic nur, ma chere — ohne
Gutenberg keinen Gothaischen Ratenderl

Der Kadett:

Man erfahrt doch, wo Barterzeugungs-
mittel zu haben sind, ohne erst jemanden
fragen zu müssen.

Der Agrarier

Ja, ja, die Buchdruckerkunst ist einer
der Hauptfaktoren des Ruins der Land-

6

w

wirthschaft. Ohne sie keine Bücher, keine
Zeitungen, keine Schule — die Leute blie-
ben, wie wir sie brauchen — da steht schon
wieder „Hcnckcll trocken" — muß doch ein-
mal Versuch machen!

Der Hausknecht (aus dem Briefsteller
abschreibend):

„Bange Ungewißheit mit schmerzlichem
Zweifel in trotz alledem hoffnungsfreudiger
Seele wagend —" Sakra, wenn ma dös
Zeug net so druckt vor eahm hätt', könnt'
man's dem Luader net halber so schön
hinreib'n!

Der Schweinemetzger:

Der Gutenberg that's verdienen, daß
man ihn zu unserm Schutzpatron machen
thätl wenn der net gewesen war', in
was sollt man nachher die waar' alle ein-
wickeln l

Der Mönch:

Die Buchdruckerkunst ist doch der aller-
größte Segen für unsereins! Ich danket
schön für das Bücherabschrcibcn!

Der Student (am 2$. Bücher vom Gestell
herabnehmend):

Hab' ich auch noch so hoch jüngst Peter

Hele gepriesen —

wenn ich verschmachte nicht heut, dank

ich es, Gutenberg, Dir!

Kilian

(Zeichnungen von Arpad Schmidhammer)

412

Michel der Seemann

Lin Gruß aus Deutsch-Amerika
von H. I. Urban (New-Pork) *)

Was Klingt da übers blaue Meer
von heimathlicher Lrden?

Dem Michel ist's zu eng zu Land,

Der Michel will nun Kurzer Hand
Lin brauner Seemann werden!

Wohl Dir, daß Du die Zeit begreifst
Und Kannst ins Weite blicken —

Aufs blaue Meer muß heut hinaus
Lin Zeder, der im kleinen Haus
Richt Lust hat zu ersticken.

Die magre Scholle nährt nicht mehr
Wie einst — daß Gott erbarme!

Doch wo sich wiegt der Palmenbaum
Weit überm Wasser, ist noch Raum
Für junge Köpf' und Arme.

Glück auf denn, Sohn, zur Meeresfahrt!
Zedoch vor allen Dingen
Bau' Panzerschiffe Dir zu Haus
Und viel Kanonen pflanz' darauf,

Dann mag Dir's wohl gelingen.

Denn ringsumher liebt Riemand Dich,
Du bist zu hoch gewachsen,

Das neiden Dir die Rachbarn all,
Franzos und Ruß auf jeden Fall
Und gar die Angelsachsen.

vor Angelsachsen hüte Dich.

Wo sie auch mögen hausen,

Sie triefen stets von Deutschen-Haß
Und gönnen keinem Andern was,
Woll'n Alles selber schmausen.

wir >, die wir uns allhier

Mit A 'ft ssen zanken:

©b der • Faust und deutscher Geist
Auch re: V n Segen rings erweist —

Der Leu, ’■ wird's uns danken.

Laß' jedem Andern seine Ruh',

Wo's ihm behagt zu liegen,

Doch zeigt Dir einer grob die Faust.
Dann haue zu, daß es ihm graust,

Und daß die Fetzen fliegen.

Dann, Michel, sollst Du einmal seh'n,
Wie aufhört das Gestichel,

Wie selbst bei Bruder Zonathan
Und bei Zohn Bull Du bist fortan
Der liebe, gute Michel.

Sei stark, mein Sohn, und bleibe stark,
©hn' Haß und ohne Liebe —

„Das beste Schiff zum besten Heer!"
Denn Deine einz'ge Zriedenswehr
Zst Furcht vor deutschem Hiebe.

Und stolz im fernsten Wunderland
Zeig' Deines Volkes Zahne,

Daß Alles, was flch Deutscher nennt,
Mit Dir flch freudig Eins bekennt:
„Auch ich bin ein Germane!"

Dann wird der Besten Traum erfüllt:
Wo immer Deutsche wohnen,

Soll keiner mehr verloren geh'n —
Deutschland, wo Deutschlands Zahnen

weh'n!

Lin Volk in allen Zonen!

*) Der Herr Verfasser schrieb der „Zugend" bei
Uebersendung der Verse: „Was das Gedicht anbe
trifft, sa möchte ich erläuternd bemerken, daß es so
ungefähr die Stimmung von ganz Deut sch-Ame-
rika wiedergibt. Wir sind hier durch die Bank, von
Rew-Pork bis San Francisko, begeisterte Zlotten-
freunde und können nicht begreifen, wie in der alten
Heimath auch nur ein vernünftiger Mensch gegen
die geplante große Kriegsflotte sein kann."
Index
Kilian: Volksstimmen zur Buchdruckerkunst
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Volksstimmen zur Buchdruckerkunst"
Henry F. Urban: Michel der Seemann
 
Annotationen