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Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 5.1900, Band 2 (Nr. 27-52)

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Nr. 40 (01. Oktober 1900)
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Nr. 40

1900

. JUGEND *

rebus in arduis servare mentem. Wie sym-
pathisch muß dach jeden die heitere Gemütsruhe
berühren, mit der er sowohl nuf die Gegenwart,
wie auch die Vergangenheit, als auch ganz beson-
ders die Zukunft blicft.

Neulich überreichte man dem großen Staats-
mann eine Nummer des Reichsgesetzblattes, der
einen Erlaß enthielt, den er selbst unterzeichnet
hatte. Behaglich lächelnd zeigte er seinen lieben
Angehörigen die Nummer und sagte mit feiner
Grazie: „Ja, ja, der Gummistempel: Es
wird einem doch recht leicht gemachtl"

Besonders der auswärtigen Politik wendet der
allverehrte Staatsmann unablässig rege Aufmerk-
samkeit zu. Vor ein paar Tagen erhielt er eine
Zeitung vom Anfang Juni, (Nach Rußland geht
der Transport nicht eben schnell,) Ein Leuchten
flog über die belebten Züge des alten Herrn: er
erfuhr von einer Flottendemonstration vor Taku,
Ganz ruhig las er den Artikel vor und sagte
dann: „Es ist doch etwas au dieser Welt-
politik, Ach ja, die Chinesen!"

Das tägliche Leben des Kanzlers nimmt einen
durchaus gleichmäßigen Verlauf, Derselbe erfreut
sich eines tiefen, ruhigen Schlafs. Morgens verläßt
er elastischen Schrittes das Bett und erledigt sodann
bis in den späten Abend Geschäfte, — So über-
rascht der Fürst täglich von Neuem seine Umgebung
durch die erstaunliche Frische und Rüstigkeit, die
nach alter deutscher Sitte nach Beendigung des
achtzigsten Lebensjahres einen jeden Staatsmann
auszeichnet.

Nur bei Fürst Bismarck machten sich bekannt-
lich schon im 75. Lebensjahre die Spuren des
Alters so sehr bemerkbar, daß seinem dringend
ausgesprochenen Wunsche, von der Führung der
Amtsgeschäfte enthoben zu werden, an maßgebender
Stelle, wenn auch ungern, entsprochen werden
mußte."

— Busch.

Die mecklenburgischen Lehrer

Lueger und die Nohlennotb

Interviewer: „Also werden Sie, Herr Bürger-
meister, nichts veranlasten, um einer eventuellen
Kohlennoth in Wien vorzubeugen?"

Dr. Lueger: „Ich glaube nicht an eine
Kohlennoth. In kurzer Jett wird
der Rummel vorüber sein. Dann werden
auch wieder die preise heruntergehen."

Lueger sitzt vergnügt alleine
Mir seinem „goldenen Humor."

Ihm lacht die weit im Roscnschcinc,

Er selber kommt sich komisch vor.

Da tritt ein fader wichtigthuer
Herein und stört Luegers Ruh.

„Ich bin," spricht er, „ein Interviewer
Und bitte um ein Interview:

Des Marktes allgemeine Lage
Sowie der Rohlcnwuch'rcr-Bund —
Rurzum: Der Ernst der Rohlenfrage
Gibt jetzt zu schweren Sorgen Grund.

Die Rohlcnnoth greift immer weiter
Und Wien zumal ist arg bedroht . . .."
Lueger unterbricht ihn heiter:

„Ich kenne keine Rohlcnnoth l

wenn pctschck, weimann und Konsorten,

Die Rohlenwuch'rcr-Rumpanci,

Genügend dick und fett geworden,

Dann ist der Rummel bald vorbei.

Sobald er blos genug gestiegen,

Dann wird, das muß man nur verstehn,
Don selbst sofort und mit Vergnügen
Der Rohlenprcis heruntergehn.

Und mangelt's wirklich 'mal an Roh len
Dann Heizen wir mit Juden ein!"

Bei diesen Worten flog's verstohlen
Um seinen Mund wie Sonnenschein.

„Der Schleier der Keatrice"

Der Wiener Burgkheater-Direklor Paul Schien-
ther halte das Schauspiel der „Schleier der
Leatrice" von Arthur Schnitzler abge-
lehnt, nachdem bereits allgemein die nicht un-
begründete Meinung verbreitet war, es werde im
Winker zur Aufführung gelangen, Gegen dieses
„unstatthafte Vorgehen" veröffentlichten Kürzlich
eine Reihe tonangebender Kritiker eine geharnischte
Protesterklärung.

Geh' in ein Rloster, lieber Schlcnthcr!
Dir droht Geschoß nun auf Geschoß. . .
warst Du nicht selbst mal Recensenr der
Berliner braven Tante Voß?

Du weißt, wie Nadelstiche schmerzen, —

Nun wirst Du selber tärowirr,

Und schirmst Du Dich mir sieben Erzen:

Rein Pallasch hilft, — Du bist pcrschirr!

Der Traum des ewigen Grnießens,

Dein Rönigsrraum in der Ranzlci, —

2lch, nrit dem Schleier Bcarriccns
Riß auch der schöne Wahn entzwei!

Denn Hcrinan» Bahr und Ludwig

Speidel,

Und I. I. David nebenbei —

Vergällen Dir das letzte Seidel
In Deinem lieben Löwenbräu..!

Ich sch' nach etlicher Verwundung

Zum Schatten schwinden Dich — schon heut, - -

Hinschinclzen sch' ich Deine Rundung,

Die, — o wie oft! — mein 2lug erfreut, -
Bis Du — zu ihrer Siegesfeier —

Raum Deinen Drehftuhl mehr erklimmst. . .
Drum rath ich nochmals: „immden Schleier,
wenn Du nicht rasch den „Schleier" nimmst!

Maxi

sollen von dem Herzog-Regenten Albrecht in einer
öffentlichen Ansprache wegen ihres „schlechten
Geistes' scharf getadelt worden sein; die jungen
Lehrer namentlich hätten „Frechheit und Un-
verschämtheit in ihrer Stellung gezeigt" und
Io weiter. Die Nachricht be-
rührt um so peinlicher, weil
man allen Anlaß hat, den
Herzog-Regenten als einen
ebenso verständigen und wohl-
wollenden wie gut deutsch-
gesinnten Fürsten zu schätzen.

Es inuß kein besonderes
Vergnügen sein, heutzutage
einen Schulmeister abzugeben,
am Wenigsten in Mecklen-
burg. Wenn aber so fortge-
fahren wird, den deutscheii
Schulmeister als höheren Stie-
felputzer der Obrigkeit und
Geistlichkeit zu behandeln,
daun ivird die Spezies bald
aussterben. Denn welcher
deutsche Mann von Ehr-
gefühl möchte sich in eine
Stellung begeben, ivo er sich
beschimpfen lassen und oben-
drein das Maul halten muß.

„Ne der heb un gen" kom-
men in allen, sogar in den
höchsten Berufs- und Ge-
sellschafiskreisen vor, ohne
daß mau gleich von „Frech-
heit" und „Unverschämtheit"
reden darf, Größen- und
Mittelpunktswahn sind allge-
mein menschliche Schwächen,
welche gerade die allerhöch-
sten Herrschaften recht milde
beurtheilen sollten.

Hilarius

Der Fremde ging. Rcrrl blieb alleine
mit seinem „goldenen Humor."

Ihm lacht die wclt im Roscnscheine —
Er selber kommt sich komisch vor.

Bolieiuuud

Hm Stammtisch

Salzberger: „Saq'ns amal, Herr Maier, was ist denn eigentli aus i
Maier: „Gh mei', dö fan ganz aus der 2lrt g'schlag'n; der oa is a
wor'n der and're a ,Matbäser oaner a ,Aameliter', zwoa
und oaner sauft gar nix!"

Schon wieder ein Stück verboten in Berlin!
Der Direktion des Lessing-Theaters wurde
vom Polizeipräsidium mitgetheilt, daß sich das
Lustspiel Georg Engels, „Lin Ausflug ins
Sittliche", „seinem Gesammtinhalte nach
nicht zur öffentlichen Auf-
führung eigne". — Da die
Berliner Lustspielverfasser
nach und nach wirklich nicht
mehr wissen können, was
und wie sie schreiben sollen,
wäre cs vielleicht gut, wenn
endlich einmal ein klares und
leichtfaßliches Dicht-Regle-
inent für die preußi-
schen Theater von „sach
verständiger" Seite ausgear-
beitet würde.

Der preußische Minister
des Innern will nicht nur
den öffentlichen Tanzlustbar
keiten energisch zu Leibe
gehen, sondern sein Augeu-
merk sogar auf die „Kaffee-
kränzchen" richten, unter
deren Deckmantel ^gar oft
die sündhaften Tanzbeine
geschwungen werden. Wie
wär's, wenn man im 2ka-
nien der Sittlichkeit den Ver-
kehr zwischen Männlein und
Weibleiu in Preußen gleich
ganz untersagte und z. B.
die Ersteren in West-, die
Letzteren in Dstpreußeu an
siedelte. (Die Damen immer
rechts!) Es wird noch
lange nicht genug re-
giert bei uns!

hre Söhn' wor'n?"
.Franziskaner'
an .Augustiner'

6?9
Register
[nicht signierter Beitrag]: Der preußische Minister...
[nicht signierter Beitrag]: Schon wieder ein Stück...
O. Voigt: Am Stammtisch
Pater Hilarius: Die mecklenburgischen Lehrer
Maxl: Der Schleier der Beatrice
Oskar Blumenthal: Lueger und die Kohlennot
 
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