Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1902 .JUGEND* Nr. 1

..ALT HEIDELBERG, DU FEINE_ Wilhelm Trübner (Frankfurt a. M.)

Heue Gedichte

Von "Josef Victor Scheffel
(Bisher nicht verSttentllcht)

7m Sdrwarjwald

Zum Feldberg, wo aus tiefem Schacht
Die junge Wiese quillt,

Senkt oft sich in der Maiennacht
Ein schimmernd Wolkenbild.

Sahst du dort den Schleier flattern
Uni den Hals, den lilienweißen?
Solche Schleier zu ergattern,

Sohn, muß man im Schnellzug reisen.

Einmal kommt das Glück gefahren,
Einmal nur — dann ist's vorüber!
Zeitig streb' drum, dir zu wahren
Deinen Platz ihm gegenüber.

Leid bringt manch' dunkeles Atlaskleid,

Und Leid manch' dunkle Passion;

Leid bringt auch des Tunnels Dunkelheit! .

. . In Frankreich erfuhr ich's, mein Sohn!

Seit damals bin ich den Tunneln Feind,
Und find's insbesondre verkehrt,

Daß stets eine Lampe im Wagen erscheint,
Wenn man in's Dunkel einfährt!

Dann glänzt die Tanne stisch bethaut
Und alle Büsche blüh'n;

Dem Wandrer, der die Wolke schaut,
Wird's wie verklärt zu Sinn.

Und ans des Nebels duft'gem Kreis
Hebt sich's, wie eine Hand:

. . . Der alte Hebel segnet leis
Sein alemannisch Land.

Huf der Bisenbabn

>.

Sohn, versäume keinen Bahnzng!

Sei genau auf die Sekunde!

Denn du weißt nicht, was im Anzug
In der Flucht der nächsten Stunde.

Sonst wie andre arme Narren
Magst du drauß' im Wartsaal bleiben
Und mit pfälzischen Cigarren
Grau'nvoll dir die Zeit vertreiben.

Sohn, versäume keinen Bahnzug,

Sei genau auf die Sekunde!

Denn du weißt nicht, was im Anzug
In der Flucht der nächsten Stunde.

ii.

Und so du durch einen Tunnel fährst,

Mein Sohn, Hab' Sorge und Acht,

Daß du der Nachbarin Lippen nicht gehrst
Jni unterirdischen Schacht.

in.

Und hat dich im Fahren ein Reim erfreut,
Mein Sohn, versag ihn dem Drucke,

Daß nicht die Schaar dickhäutiger Leut
Bedauernd die Achsel drob zucke.

Denn just was am lustigsten summt und schwirrt,
Was leichtbeschwingt, tändelnd und froh ist:
Das ist's, was Solche zumeist beirrt,

Weil ihr Sinn schwerfällig und roh ist.

Doch bist du mit solch böotischem Mann
In dasselbe Coupo gerathen:

Mein Sohn, dem treibe den Filzhut an!

— 's wird seinem Schädel nicht schaden.

9
Register
Wilhelm Trübner: Alt-Heidelberg, du feine
Joseph Viktor v. Scheffel: Neue Gedichte
 
Annotationen