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1902

JUGEND

*

Nr. 1

Reue Gedichte

von Joseph Ulktor Scheffel*)

buronen-frühstück

Erscheint der Tag
Und ist nian wach,

So nimmt man eine Prisen,

Drauf das Gewehr,

Um einen Bär

:sum Frühstück sich zn schießen.

So leben sie
Des Morgens früh
Im Lande der Herrn Huronen!

Auch ein Känguruh
Ist gut dazu
Oder ein Salamander;

Dann zündet man
Ein Feuer an
llud bratet sie selbander.

So leben sie rc.

^ Der Häuptling schleicht
Fudeß sich leicht
Zur nächsten Wollplantage,
stiehlt mit seinem Sohn
Eine Branntweintonn',

Denn das ist keine Blamage!

So leben sie rc.

Dann erheben sie still (sic? I)

Ein Huronengebrüll,

Den großen Geist zn preisen,

And sind sie zurück,

Bcginnr's Frühstück

Mit Branntwein und — Fleischspeisen.

So leben sie rc.

Und sind sie voll,

Dann geht es toll,

Die Herren werden erbittert.

Sw erheben M’

^inen Mordrandal,

Daß rings der Urwald zittert.

So leben sie rc.

Dann holzt man sich
Ganz fürchterlich,

Daß die Haar' vom Schädel fliegen,

Und hören nicht ans,

Bis All' vom Haus'

Ermordet ringsum liegen.

So leben sie

Des Morgens früh

Im Lande der Herrn Huronen,

Trotz Ach und Weh
Und hui-di-e-eh!

Möcht' ich selbst bei ihnen wohnen!

Grinksprucb

Ein braver Kerl trinkt iinmerdar,

So viele Tag' es gibt im Jahr:
Dreihundert fünf und sechszig!

Und wenn das Jahr ein Schaltjahr ist,
Trinkt er als Biedermann und Christ
Dreihundert sechs und sechszig!!

Zvsto beiden, ans dem J-ibre Itzkw stammenden bisl,^
Nderofsentlichten Gedichte verdanken wir Herr «Gey-
LUstizratb Sckwanitz in Weimar, der Winienemc-

!'cJM4/45 mit Scheue! zusammen in Aidelb«gübeAvrn-
)err eifctn**.«- -Hrieb uns: „Tie Verse sind von uveriprn-

i>er öaune^ngeaeben, obwohl der D i ch t e r s e l b ft
' und cnir nicht das .Oneipgenie war. für das
nach leicht würde angesehen werden können."

beliebt waren. Die ganze Malerei stammt
aus der #ett kurz vor der Reformation,
da auch in diesem schwäbischen Kloster
ein gar vergnügliches Leben und rech,
weltliche Sitten herrschten. Bon dem 911>!
Johannes Entenfuß, unter dessen Regi-
niente die Malerei entstand, ist überlie-
fert. dass er 1518 „wegen üblen Hausens"
abdauken mußte. Von 9llters her hatte
das Kloster im Bau und der Pflege des
Weins, der in der Umgebung gedeiht, des
trefflichen Eilfingers. eine kulturelle
Aufgabe gefunden. Auch in derBlüthe-
zut des Klosters war beim Ausschmuck
desselben Bezug aus die edle Winzerkunst
und ihr Produkt genommen, wie das
Weinlaub und die Trauben an Kapitäleu,
Schlußsteinen und Konsolen int Kreuz-
gang und Kapitelsaal, vor Allem aber
die zwischen Reben arbeitenden Wein-
gartner in dem kostbaren Schnttzwerl
der Chorstühle in der Kirche beweisen.
Ein strenger Sittenrichter des Resoi
malionszcitalters, Tobias Wagner,
hat in der 1010 erschienenen Schrift
„Evangelische Censür rc." an jenxr Ma-
lerei aus der Zeit des Abts Johannes
Entensuß ein ernsthaft Aergerniß ge-
nommen. Es heißt darin: „Wem das
Kloster Maulbronn bekannt, der Halls
können mit seinen 9lugen sehen, wie in
dem Vorhofs selbiger schönen erbauten
Kirchen oben im Schwibbogen unter
anderen Gemälden auch eine Gans ab-
g malt steht, an welcher eine Flasch .. ■
und dergleichen hangen, neben einer
zur nassen Andacht wohl gar kompo-
nirlen Fuga folgenden Tenors mit
ihrem unterlegten Text, gleichwohl nur
den iiiitialibim litari» ,A. V. K. L.
H. IV. All Voll, Keiner Leer, Wein Her!"'

Das war ein Fund für den im Heidelberger
„Engeren" gepflegten Humor, als Scheffel von
dieser Stelle erfuhr! Es war um die Mitte der
Sechziger Jahre, da der Dichter schon damit um-
ging. den für die Freunde in früheren Jahren ge-
dichteten Liederschatz im „Gaudeamus" zu sammeln,
und bestrebt war, ihn noch um einige neue Num-
mern in gleicher Tonart zu ergänzen. Er fuhr
nach Maulbronn, das ihm längst bekannt war. Und
hier begann er, sich auf seine Weise in die Entsteh-
ungszeit der „Fuge" hineinzuträuinen. Die That-
sache, daß einer der Eckthürme der ganzen Klosteran-
lage der „Faustthurm" heißt, woran sich die
Sage knüpft, der Zauberer ür. Johann Faust habe
in ihm längere Zeit gewohnt und der Goldmacher-
kunst obgelegen, gab ihm das epische Motiv zu
dem Lied, in welchem Faust im Winterreseklorium
der „nassen Andacht" der Mönche als Gast des
9lbts Johannes Entensuß beiwohnt und unter dem
Zauber des „Eilfingers" sich des Versuchs, Gold zu
machen, entschlägt:

„Mit Hermes Trismegistos List
Wird keins erlaboriret,

Die Sonne ist der Alchhmist,

Der's flüssig deslilliret:

Wenn's durch die Adern glüht und rollt
Mit des Eilfingers Wonnen,

Dann habt Ihr Gold, habt ächtes Gold,

Und ehrlich selbst gewonnen.

A. V. K. L. W. H.

Haec vera practica i"

Das ganze herrliche, von freudiger Kunst be-
seelte Baudenkmal der 9lbtei erregte aber auch
Scheffel's ernstes Interesse. Der Aufenthalt in dem
vor dem gewaltigen Klostergehöst gelegenen „Gast-
haus zur Post" mit seinem guten Eilfinger gefiel
ihm so wohl, daß er in den folgenden Jahren wieder-
holt zu längerer Sommerfrische in Maulbronn weilte.
Wie mir Eduard Paulus erzählt hat. bezog der Dich-
ter den uiigemein malerisch gelegenen, baumui»-
schattetcn, epheuumsponnenen Faustthurm. Der
Thurm bildet die südöstliche Ecke der Klostermauer:
das runde Treppenthürmcheu und der hölzerne Auf-
bau mit dem geschiveiftcn Bohlendach stammt aus
dem Jahre ltiO-f. In neuerer Zeit verfügt über den-
selben der Ephorus des evangelischen Seiuiiiars.
das seit 1558 seine» Sitz in dem ehemaligen Kloster
hat. Die Amtswohnung des Vorstands befindet sich
im ehemaligen „Herrenhaus." Dem Dichter des
„Ekkehard" hat es in seinem späteren Leben über-
haupt ein Vergnügen bereitet, sich gelegentlich in
den Stätten einzunipen, wo die Geister seiner Poesie
umgingen und für seinen eigenen Geist ein ge-
heimnißvoNes Leben sühnen, das er dann gc>„ be-
laufchte.

ver ibjäbrlge Josef Victor Scheffel



Gin 3ugendgedichf 3ofef Victor Scheffels

(ein den späteren badischen Finanzrath Otto Müller gerichtet)

SLS

Scheffel in Maulbronn

von Johannes Proelss

Wer auch nicht weiß, wie anmuthig die alte
Cisterzienserabtei Maulbronn zwischen den Wein-
und Waldbergen des Salzachthals >m nördlichen
Württemberg unweit Bretten gelegen ist und weiche
Fülle künstlerischen Genusses der Besuch der wohl-
erhaltenen, zum Theil prächtig restaurirten Klostcr-
rüume vermittelt, der Gedanke an heitere Festlust
stellt sich doch in ihm ein beim Hören des bloßen
Namens „Maulbronn"! Aus Scheffels Lied „Die
Maulbronner Fuge" ist ihm ja die Thatsache
bekannt, daß in der Eingangshalle zur Klosterkirche
"" die Buchstaben A. V.Ji. L W. H. fantint den

sich

No

Wten einer Fuge an die Wand gemalt fanden und
daß die Buchstaben als Initialen des Spruches
„All voll, Keiner leer, Wein her!" zu deuten
sind. Aus dem schonen Werk, das Eduard Paulus
der im Mittelalter hochberühmten 9lbtei gewidmet
hat, weiß Mancher wohl auch, daß diese Inschrift
über einer humoristischen, längst abgebröckelten
Malerei sich befand, welche einen merkwürdigen
Aufbau von Trinkgesäßen darstellt, wie sie im Mittel-
aller bei deutschen Zechern in Brauch und besonders

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Register
Joseph Viktor v. Scheffel: Neue Gedichte
[nicht signierter Beitrag]: Der sechzehnjährige Josef Viktor Scheffel
Johannes Proelß: Scheffel in Maulbronn
Joseph Viktor v. Scheffel: Faksimileabdruck eines Jugendgedichts
 
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