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. JUGEND -

1902

nachträgliches von der Teier zur UollcndUtig der Siegesallee: Lin herrliches Bild militärischer, strammer Schulung gewährte zum Schluß der Feier der Parade
marsch, welcher von sämmtlichen Künstlern der Siegesallee ausgeführt wurde. Die anwesenden Militärs äußerten sich in Worten des höchsten Lobes über

die „ideale Richtung".

Aus dem lyrischen

LligkW des Leittliiinttz von Lersmih:

Zum Heidelberger Schlotz-Bau

Schön erst jeworden als abjebrannt,
Epheu sich drum jcsponnen,

Janzes Jebäude so unter Hand
INärchcncharakter jewonncn . ..

Ireulichcr Unfug, jeradzu Seandal,

Diesen durch Umbau zerstören!

Hoffe indessen, daß Deutsche hier mal
Einig, sich jcjen zu wehren!

Ewige Schande, wenn anders käm'l
Scheußlichster Anachronismusl
Un wenn selbst B es as das Ding unternahm —
Blieb' immer Vandalismus! —

Nein! Soll stehe» für alle Zeit,

Immer und ewig das jleichc:

Markstein von IrLßc un Herrlichkeit
Einstigem deutschen Reiche!

Soll auch — in zweiter Linie dann —
Immer vor Augen uns führen,
was man von Jallicr jcwärt'gcn kann:
Rann auch mal wieder passircn!

KunslvöUerei

Lrst las er einige Dramen von Laust,

(King in die Siegesallee hierauf,

Besah dann noch ein Gemälde von Knackfuß —
Das war zu viel, ihn traf ein Schlagfluß.

Troll

Provincia tripolitana

Daß Frankreich mit einem Geschenke
Italien bedenke,

Dem Sultan wird's erzählt,

Da fährt er mit einem raschen
Griffe nach seinen Taschen —

©b ihm nichts fehlt. Stettin

Reue Uniformen!

König Eduard ordnete durch Armee-
befehl einen vollständigen Wechsel in der
Unisormiruug der englischen Ossiziere an.
Die überreichen Gold- und Silbersticker-
eien, sowie die mit breiten Gvldlitzen be-
setzten, sehr kostspieligen sog. „Messejacken"
sollen wegfallen; an deren Stelle soll ein
einsärbiger, einfacher Wassenrock treten
und das englische Käppi durch eine Mütze
nach deutschem Muster ersetzt werden. Ge-
wiß ein gewaltiger Fortschritt. Der eng-
lische Monarch braucht jetzt nur noch i,
die deutschen Futterale deutsche Offi-
ziere zu stecken, und das Schicksal der
nmen Buren ist besiegelt. cri-Cri

Ausblicke In das .labr iqor

Nach dem glorreichen Beispiele August Scherl's
haben auch ivir eine Reihe hervorragender Männer
gebeten, dem neuen Jahr einige Geleilwörter aus
den Weg zu geben. Da sind sie:

Freiherr von Wangenheim

Ich sehe sehr trübe in die Zukunft! Unser Zoll-
tarif ist uns zwar sicher und wir Großgrundbesitzer,
das Fundament und die Säulen des Staates, wer-
den ja wohl ein paar lumpige Millionen mehr cin-
nehmen Pro Nase. Aber wird das vaterlandslose
Gesindel, das sofort Zeter schreit, wenn mau ihm
die Lebensmittelpreise verdreifacht, wird diese, jedes
Patriotismus' und jeder Noblesse baare Horde uns
auch zu ruhigem Genüsse des Wohlerworbenen kom
men lassen? Ich sürchte: Nein! Uns lversen Sie jede
Pulle Lxtra Dry und jedes Stiftei Importen vor —
aber wenn man von ihnen verlangt, sie sollen zu
Gunsten der Landwirthschast ans ihren Luxus, ihren
Liter Bier am Abend und ihre Pseise Taback ver-
zichten, dann ivird die Baude renitent und knurrt!
Und noch eins: wenn die Kleinbauern erst gemerkt
haben, daß sie mit unfern Zöllen gerade so lackirt
sind, wie die Baterlandslvsen, dann geht's da auch
los! Kann recht hübsch werden! Trübe, trübe Zeiten!

Paul Rieth

Wie sollen die Dame» zu Pferde filzen? Soviel der Herren
stsitz für manche Damen vor dem Seitensitz voraus habe» mag
csiehe Nr. 2 d. Jhrg.), so viel läßt sich, wie obige Zeichnung beweist,
auch gegen ihn einwenden. Resmnä: Die Eine sitzt am Schönsten
rittlings, die Andere seitlings zu Pferde — und die Dritte gar nicht!

Graf Rraxülinski

Was ich vom Jahre 1902 bestimmt erwarte, ist,
daß der alte Herrgott von Polen unserer güten Sache
endlich den Sieg verleihen, daß es ein Grvßpölen
geben wird vom Rhein bis an die russische Grenze,
von Trient bis an die Nordsee. M»u hat nicht um-
sonst in Wreschen das edle Blut von polnischen
Schulbuben und -Mädeln mit dem Tatzensteckerl
vergossen. Diese Schmach kann nur durch die Ver-
nichtung Deutschlands ausgetilgt werden und wird
es auch, im Jahre 1902 — oder später! Wir werden
die Patriotische Leidenschaft aller unserer Rotz-, Laus-,
Gassen-, Mist- und Schusterbuben entstammen gegen
den deutsche» Unterdrücker, der die Unverschämtheit
hat, in seinem eigenen Lande deulsch reden zu wollen!
Wir radiren Berlin aus der Geographie heraus
>vie einen Tintenklecks aus einem Schulheft! 1902
-oder später! Eine Sprache und ein Ungezieser
iür ganz Großpolen muß werden! Die Welt soll
sehen, wer das größte Maul in Europa hat! Und
der soll auch die größte Macht bekommen, 1902 —
oder später! Hoch der polnische Herrgott!

Mr. Ioe Lhamberlain
Wird der Krieg mit den Bocren in diesem Jahre
zu Ende gehen? Ich hoffe nein! Die Rebellen
nehmen den Truppen ihrer Majestät soviel Munition
weg, Laß unsere Patronensabriken vollauf zu thun
haben und an dem Wellblech für die Blockhäuser
läßt sich auch ein schönes Stück Geld verdienen, vom
Stacheldraht ganz abgesehen. Dieser Dewet ist doch
ein Mordskerl! Sagen darf ich's freilich nicht laut,
aber ich gäbe ihm gerne 20 % von der Sache, wenn
er das Geschäft noch ein paar Jahre hinaus ver-
längern möchte! Dann bin ich ein gemachter Mann
und wenn sie mich nach dem Kriege sortjagen wollen,
lasse ich mir erst noch eine Dotation schenken, wie
Roberts, und dann genieße ich otium oum dignitat«.
Sonst habe ich für dies Jahr nichts mehr zu wünschen,
als daß die ganze deutsche Nation blos einen
Hals hätte — für den entsprechenden Galgen-
Strick käme ich schon aus!

Reichstagsabgeoröncter Roeren
Mit düsteren Blicken sehe ich in die Zukunft!
Der frivole Kamps gegen die katholische Kirche
in Deutschland nimmt täglich an Frechheit zu!
Wochen vergehen, ohne daß die Liberalen zu un-
ser» Gunsten einen Fußtritt bekommen! So oft
wir der Freiheit in's Gesicht spucken, fällt die
atheistische Presse über uns her! Die Regierung
ertaubt sich — nicht oft zwar, aber doch manch-
mal — direkt gegen de» Wille» Roms zu han-
deln! Dem Austuri» der Gottlosen erlag die lex
Heinzei Da muß ja das Satanswerk, die Cultur,
überhand nehme». Wo ist die Parität zwischen
uns und den Lutherischen i» Deutschland? Aus
einen ultramontanen Gelehrten, Dichter, Künst-
ler, kommen hundert Anders- oder Garnichl-
gläubige! Die Zahl der Analphabeten, unserer
zuverlässigsten Anhänger, nimmt ab mit jedem
Jahr! Wo soll das noch hin? Entweder muß
uns der liebe Gott einen Schwefelregen schicken,
wie zu Sodom, der alle Feinde des Eentrums ver-
nichtet, oder die Jesuiten. Ersteres wäre das Beste.

ab
Register
Leutnant v. Versewitz: Aus dem lyrischen Tagebuch des Leutnants von Versewitz
Monogrammist Frosch: Finis coronat opus
Troll: Kunstvöllerei
Paul Stefan: Provincia tripolitana
Paul Rieth: Wie sollen Damen zu Pferde sitzen
[nicht signierter Beitrag]: Ausblicke auf das Jahr 1902
Cri-Cri: Neue Uniformen!
 
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