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Nr. 13


JUGEND

1902

Finger gegen den Fischleib. Der rührt sich nicht,
wie gebannt — dann einen Schneller — die Forelle
glänzte in der Luft, schlug gegen den Felsen, fiel
auf die Hütte. — Und der Iakl auf, mit einem
Sprung stand er in meinem See, haschte nach dem
zappelnden Fisch, fiel auf meine Hütte, meinen
Kahn, stieß, sich stemmend mit seinem Bergschuh,
einen Steiti los, der polternd in die Tiefe stürzte.
Der See lief aus, die Hütte war zerzaust, der Kahn
zerschmettert. Triumphirend hielt Iakl, mit sei-
ner Körperlänge inein ganzes Land bedeckend, die
zappelnde Forelle in seiner Faust.

Als er sich erhoben, war nichts geblieben, als
eine blutrothe Pfütze, auf der ein paar Holzstücke
schwammen.

Arme, kleine lvelt, tröste Dich, so ist es schon
vielen Großen gegangen. lNir griff es an's Herz.

Iakl warf die Forelle zu dem Aufbruch in die
purpurrothe Höhlung des Gemsleibes, — für die
Frau Försterin.

So innige Vereinigung haben sie wohl Beide
nie geträumt. •— Mir war nicht recht wohl den
Duschgraben hinab hinter dein Iakl. Die grünen
Lichter sahen mich so vorwurfsvoll an. — „vcr-
räther, gemeiner!''

Der ganze Duschgraben rief es mir zu!

Nienials inehr vertraue ich Dir ein Geheiin-
niß. — war das für den Iakl? Der See, die
Hütte, das Betz und der Kahn? — Ist cs was
für die große, lärmende Welt? — Auslachen wird
sie'Dich dainit.

Ich bestritt es ihm. Gerade weil sie so groß
und lärmeiid, sehnt sie sich immer mehr nach dem
Kleinen, Stillen, — nach Duschgrabenidyllen!
Sei so gut und hetz' mir's rein, — dann aber —

mit dein herciubetzeu hat es keine Gefahr. -
Den See, die Hütte und den Kahn hat der Iakl
vertreten, und bis ich was Neues finde — und
dann — ich werde mich hüten.

Ich bin nur neugierig, wer Recht hat mit der
großen, lärmenden lvelt, ich — oder der Dusch-
grabcn.

Oer japanische Ktembauer

Ein Klärchen von Itlultatuli

Es war einmal ein Mann, der schlug Steine aus
einem Felsen. Seine Arbeit war sehr schwer, und
er arbeitete viel, aber sein Loh» war gering und
zufrieden war er nicht.

Er seufzte, weil seine Arbeit schwer war. Und
er rief: „Ach, wäre ich reich und könnte liegen auf
einer Ruhebank mit einem Vorhang von rother Seide."

Und es kam ein Engel aus dem Himmel, der
sagte: „Dir geschehe, wie Du gesagt hast."

Und er war reich. Und er ruhte auf einer Ruhe-
bank und der Vorhang war von rother Seide.

Und der König des Landes zog vorbei, mit
Reitern vor seinem Wagen. Und hinter dem Wagen
waren auch Reiter und man hielt den goldenen
Sonnenschirm über das Haupt des Königs.

Und da der reiche Mann das sah, verdroß es
ihn, daß kein goldener Sonnenschirm über sein Haupt
gehalten wurde. Uird zusrieden war er nicht.

Und er seufzte und rief: „Ich wünschte, ich wäre
der König."

Und es kam ein Engel vom Himmel, der sagte:
„Dir geschehe, wie Du gesagt hast."

Und er war König. Und vor seinem Wagen
ritten viele Reiter, und auch hinter seinem Wagen
waren Reiter und über sein Haupt hielt man deil
goldenen Sonnenschirm.

Und die Sonne schien mit heißen Strahlen und
verbrannte die Erde, so daß das Gras verdorrte.
Und der König klagte, daß die Sonne ihm das An-
gesicht sengte und Macht hatte über ihn. Und zu-
frieden war er nicht.

Und er seufzte und rief: „Ich wollte, ich wäre
die Sonne."

Und cS kam ein Engel aus dem Himmel, und
der sagte: „Dir geschehe, wie Du gewünscht hast."

Und er war die Sonne. Und er sandte seine
Strahlen nach unten und nach oben, nach rechts
und nach links und überall hin.

Und er versengte das Gras aus der Erde und
das Antlitz der Fürsten, die aus der Erde waren.

Und eine Wolke stellte sich
zwischen ihn und die Erde, und
die Strahlen der Sonne prall-
ten von ihr ab.

Und er wurde zornig, daß
seiner Macht widerstanden
ward, und er klagte, daß die
Wolke mächtiger war, als er.
Und zufrieden war er nicht.

Er wollte die Wolke sein,
die so mächtig mar.

Und es kam ein Engel vom
Himmel, der sagte: „Dir ge-
schehe, wie Du willst."

Und er wurde eine Wolke
und stellte sich zwischen Sonne
und Erde und sing die Strah-
len der Sonne auf, so daß das
Gras grün wurde.

Und die Wolke regnete in
großen Strömen auf die Erde
und ließ die Flüsse anschwellen
und Sturmflutheu schwemmten
die Heerde» hinweg.

Und er verwüstete die Fel-
der dnrch vieles Wasser.

Und er siel nieder auf einen
Fels, der nicht wich.

Und er goß in großen Men-
gen, doch der Fels wich nicht.

Und er wurde zornig, daß
der Fels nicht weichen ivollte,
und daß die Macht seiner Strö-
me vergebens war. Und zu-
frieden war er nicht.

Und er sagte: „Diesem Fel-
sen ist größere Macht gegeben,
als mir. Ich wollte, ich wäre
dieser Felsen."

Und es kam ein Engel vom Himmel, der sagte:
„Dir geschehe, wie Du gesagt hast."

Und er ivurde der Fels und er rührte sich nicht,
wenn die Sonne schien und nicht, wenn es regnete.

Und es kam ein Mann mit Hacke und spitzem
Meisel und einem schweren Hammer, der schlug Steine
aus dbm Felsen.

Und der Fels ries: „Was ist das? Dieser Manu
hat Macht über mich und schlägt Steine aus meinem
Körper?" Und zufrieden war er nicht.

Er sagte: „Ich bin schwächer, als dieser, ich wollte
ich wäre dieser Mann."

Und es kam ein Engel vom Himmel, und der
sagte: „Dir geschehe, wie Du gewünscht hast."

Und er war ein Steinhauer. Und er schlug Steine
ans dem Felsen, und er arbeitete schwer für wenig
Lohn. Und er war zufrieden.

(Deutsch von Henuie Fock)

Das liiebeslied

Iloch ilt mir nicht das eine Bied gelungen,

Das idi dir weihen dürfte, dir allein!

6s mühte sprechen, wie mit Gngelszungen,

Und mühte doch voll irdischer Sehnlucht fein.

6s mühte fein wie blaue Frühlingstage,

So seitlich heiter, träumerisch gerührt,

Und doch beklommen, wie des Baumes Klage,
Wenn ihm der Berblt das erste Blatt entführt,

Wie Hbendfonnenfchein auf grünen Matten,
Bevor die Sonne [ich in Schleier hüllt,

Und zärtlicher und fünfter, als der Schatten,
Der deines Bufens keusches ühal erfüllt.

6s mühte fein, wie meine ganze Liebe,

Und Augen haben, ftolz und bang und treu.

So müht' es fein.

Und wenn ich es dann schriebe,
Sch kenn' mein Lied, es bliebe ftumm und scheu!

Hugo Salus

Lenau

Schreit' ich zur Nacht im dunklen Kegen
Verstört durch's übergraute leid,

Kommt erdenthallend, dumpfgesellt,

Mir hügelab ein Schritt entgegen.

Zch Uehe still: da schweigt der Tritt,
lch schreite kort: Brdhall und Ulandern,
lfm schwarzen Ulegkreuz mit dem andern
Lukammendröhnt mein dumpfer Schritt.

Bin hauch, ein 6ruh und dann allein.
Und Kalte rauscht in meinem Blute,

Nie Hand, die in der meinen ruhte
Mit grauen Singern, war von Stein.

Mir selbst so iremd — hinauf, nach Hause!
Ba liegt ein aufgeschlagnes Buch,

Barin ein Schrei, ein Schmerz, ein 51uch —
Und an den SenBern Aindgebrause.

Leo ereilter

205
Index
Multatuli: Der japanische Steinhauer
Walter Caspari: Der Dichter
Leo Greiner: Lenau
Hugo Salus: Das Liebeslied
 
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