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Nr. 14

JUGBND

1902

Zu Äilhelm Bufd)en$ 70. Geburtstag

In meinem Bücherschrank am besten Platze
Sind Wilhelm Buschens Werke ausgestellt —

Ich zähle nämlich sie zum größten Schatze,

Den ich an Büchern habe auf der Welt!

Ich lange stets ein Bündchen mir herunter,

Drückt meine Seele irgendwo der Schuh,

Und unterm Lesen macht's mich wieder munter
Und unter Lachen mach ich's wieder zu!

Der thcnre Alaun dort nördlich, in Hannover,
Der allvcrchrte Meister Wilhelm Busch,

Zugleich ein Maler ist und Philosoph er
Und gleich gewandt mit Tinte wie mit Tusch!
Doch niemals stimmt uns seine Weisheit düster,
Er bietet Scherz und Ernst zu gleicher Zeit
Und seiner Wahrheit bittern Trank versüßt er
Mit den Lakritzen stiller Heiterkeit!

Der Knabe schon, der als enkimt terrible
Des Herrn Professors noch die Bank polirt,

Er kennt, wie der Herr Pastor seine Bibel, °
Bereits den „Max und Moritz" wie geschmiert.
Und wenn dem Jüngling dann ein stilles Sehnen
Den Busen schwellt im ersten Licbesglanz,

Dann liest er die Idylle mit Helenen
Im Schnabelbohnengrün mit Vetter Franz

Und wenn er dann, in voller Mannesstärke,
Politisch sich bekümmert um den Staat,

Wie köstlich wiirzt aus irgend einem Werke
Von Wilhelm Busch die Reden ein Citat!

Ja, seine Reime in den Mund zu nehmen
Mit burschikos jovialer Ironie,

Braucht sich der ernste Staatsmann nicht zu schämen,
Dem Majestät das Kanzleramt verlieh!

Und wenn der reife Mann beim Abendschoppen
Sich sanft erheitert durch ein Glas zu viel,

Wie freut er sich an Krökeln da und Knappen,

An Jungfer Grctcn, Döppen, Fritz und Zwicl!
Tenn Keiner hat noch je, wie dieser Meister,

So intensiv den Einfluß klargelegt,

Den je nachdem auf die verschiednen Geister
Die Macht des Fusels anszuiibcn pflegt!

Wie schildert er des Schicksals arge Tücken,
Das unsere Behaglichkeit bedroht
Mit Stechen, Schneiden, Brennen, Haue», Zwicken,
Mit coinplicirter grauenhafter Roth!

Mit Foltern durch des Zahnarzts böse Zangen,
Mit Mißerfolg und Unfall allerwärts,

Mit Gicht, Delirium, geschwollnen Wangen,

Mit Leib- und Ohren-, Zahn- und Nasenschmerz!

Nie hat ihm Mitleid Kummer da bereitet,

In des Gemiithes klarem Ebenmaß,

Und selbst den schlimmsten Todesfall begleitet
Er neckisch immer mit vergnügtem Spaß!

So bringt er uns verzuckert — siehe oben! —
Auf gute Art die herbe Lehre bei,

Daß man zum Jux nicht in die Welt geschoben
Und daß der Jammer das Normale sei!

Dies muß der Mensch vor allem Andern wissen,
Dann schlürft er, frei von kleinlichem Verdruß,
Als einen ausnahmswciscn Leckerbissen,

Des Glückes Auster erst mit Hochgenuß!

Und die Erkenntniß wird uns durch den wahren
Humor — der andre, glaubt mir! ist Gcpsnsch —
Drum vivat Hoch mit seinen siebzig Jahren
Der Künder solcher Weisheit, Wilhelm Busch'

Biedermeier mit «i
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Wilhelm Busch: Dekoration für ein Kasperltheater
Biedermeier mit ei: Zu Wilhelm Buschens 70. Geburtstag
 
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