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Nr. IG

JUGEND

1902

$tudentcn-0ebote

was Millionen heilig nennen,

Schau auch Du mit Ehrfurcht an;

Eicht cler hohn zeigt Geistesfreiheit,
Eicht der Spott den edlen Mann!

Eicht jedem ift es befchieden,

Oer Kunst zu dienen hienieden;

Doch kannst Du sie nicht pflegen,

5o bring ihr Dein Herr doch

schattend entgegen!

Es fei als höchstes 6ut Dir
Die Mannesehre werth,

Und rein sollst Du sie halten
Mit reinem Speer und Schwert!

Sei fröhlich beim schäumenden Decher!
Das „ergo bibamus!“ stimm an;

Der sei Dir der liebste Lecher,

Der beim Trinken auch singen kann!

Zungsein und lieben — wer will es wehren?!
Liebe zu!

Aber Dir und dem Mädel zu Ehren
Liebe Du!

Wohl ziemt dem Manne Duhm und Preis,
Der sein Geschick zu tragen weih,

Doch wer mit dem Schicksal sich schlagen kann,
Zst besser als wer's nur tragen kann!

Sreundestreue — ein schönes Wort,
Werth, dafür zu glühen!

Aber auch ixber's Grab noch fort
Muh Ne weiter blühen!

Eod) ein Gebot, für das ein deutscher Mann
Mit Sreuden Gut und Leben mag verscherzen:
,,An's Vaterland, an; theure, schlieh Did) an,
Da; halte fest mit Deinem ganzen Herzen."

Die Mutter spricht:

Hnnuickkli lcmick, der üaehbar war hier,
Er war nicht bei mir, kam nur zu Dir,
Er könnt' ohne Dich nicht länger leben,
Du sollst ihm die weihen Bände geben.

Hnnurdika, folg’ mir und sei schön brav,
E; kommt keine Kusche, es kommt kein Graf.
DerllachbarhafSilbcrundSchminkeundSeide
Und nur ein Bett für Euch alle beide.

Glaub’ mir, im Mai find wir alle gleich,
Wollen den Prinzen vom goldenen Reich;
Aber ift der September gekommen,

Bat noch jede den Krämer genommen,

Sei meine zuckerne HnnuTchka,
häuf zum Berrn Dachbarn und sag' hübsch: ja;
Und sckick die wilden Bohnungen schlafen!
Für Dich sind Krämer und keine Grafen.

fians Müller

Me Leutchen

fiä?te kommen aus dem zoologischen Garten.

Arm in Arm. Arm in Arm schlängeln sie
sich langsam, mit äußerster Vorsicht durch den
Strom der sonntäglichen Menschen. Langsam
und behutsam, eins auf's andere gestützt, eins
das andere behindernd, beengend, — schwer-
fällig verankert in einander, wie zwei dem nahen
Tode geweihte Wracks. — Sie aber denken noch
lange nicht an den Tod. Im Gegentheil, sie
wollen leben, — noch lange! — Mit siebenund-
achtzig Jahren vor dem nahen, sicheren Ende
leben die alten Leutchen mit verdoppelter In-
brunst. Sie freuen sich an jedem Schmetter-
ling. An jedem stürmischen Rinde, das in der
kjitze des Spiels gegen sie anrennt und die
Wracks zum Erzittern bringt. — Sie hatten
ja auch einst so Kleines, Stürmisches um sich —
damals, vor fünfzig Jahren!! Sie erinnern sich

noch so gut der Zeit —-! „wie mich das

Iöhr blos an Paul erinnert-Ja, und

weißt Du noch, Permännchen spielte das auch

so mit Passion, dieses Paradieshüpfen"-

Paul und Permann sind längst handfeste perren,
in Amt und würden. Aber in der Erinnerung

der Alten Hüpfen sie iroch immer Paradies-

Die Erinnerung ist Alles, — bei alten Leut-
chen. Sie zehren von ihr. Sie stehen mit ihr

F. W. Voigt (München)
Register
Hans Müller: Die Mutter spricht
Elsbeth Meyer-Förster geb. Blaschke: Alte Leutchen
L. R.: Studenten-Gebote
Franz Wilhelm Voigt: Zierleiste
 
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