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1902

Birchöfliches Vofiufciferl aus Oelferreich

uon Kassian Kluibcnschcdl, (Tultelemalcr
Zeitungsnachricht: „Das Präsidium der böhmischen
Statthalterei hat vor einiger Zeit einen vertraulichen Erlaß an
alle Bezirkshauptmannschaften, sowie an die Prager Polizeidirektion
hinausgegeben, wonach die in Versammlungen intervenirenden
landesfürstlichen Kommissäre beauftragt werden, genau Alles
zu notiren, was irgend ein Redner gegen einen Bischof oder Erz-
bischof vorbringt. Line Abschrift der Relation sei unverzüglich
der Staatsanwaltschaft zu übermitteln, welche dieselbe an die be-
treffende kirchliche Korporation zu leiten und von ihr die Er-
mächtigung zu erwirken hat, den Redner verfolgen zu können,"

Vielgcplagtcr Wanderer, beug' dein Rnie sofort und

rück' deinen Hur zum Gruß!
Denn allhicr in diesem Palast wohnet ein Episcopus!

Zu deutsch: eines Bischofs hochfürstlichc und hochwürdigste

Gnaden

mitRrummstab, Mitra, Schnallenschuh'» u. violetten Waden
wage cs im Umkreis von einer tNcilc ja zu husten,

spucken oder schneuzen nicht!
Sonst kommst du unvcrweilr wegen Mangel an

schuldiger Ehrerbietung vor's Strafgericht!
Sintemalen bei uns im lieben schwarzgelbcn Oesterreich
Ein Bischof keineswegs ist dem übrigen sterbliche» Pöbel gleich!
Drum fei, o Lhristcnmcnsch, kein so ungehobelter

respektloser Lackel

Und hilf durch die Beleidigung eines Bischofs nicht

vermehren dein schweres Sündcnpackell
Dicwcilcn man bei uns nicht wartet, bis dich dafür der

Teufel in der Hölle brat't,
Sondern dich früher noch gehörig bei deine» Ohrwaschcln

nimmt der Staat!

Du mußt bedenken, daß wir nicht mehr unter Pontius

Pilatus, dem römischen Landpflcgcr leben,
wo sich die Löbliche Regierung nicht einmal um den

Heiland sonderlich bekümmert eben,
Unserm Herrn hat man in's Antlitz gcspie'n und ihn

zum Rrcuzcstod geschlepper fort —
Jedoch seine Stellvertreter auf Erden darfst du kränken

mit keinem schiefen Wort!

Vielleicht kommt'« davon, daß der Herrgott ein hären

Gewand trug anstatt eines seidenen Dakar
Und leider auch noch kein staatlich beschützter Bischof war.

. JUGEND .

Nr. 16

6emütbKches aus Oesterreich

„3a, um Gotteswillen, Herr Abgeordneter wollen Äe gar aa no zu dö Buren,
so ausg'rnst fan?" — „A na! du »uns Zeug! 3,,s Parlament geh' i, kenna's dös nöt?"

Der neue plutarch

Ein Journalist und ein Sxrachgelehrter
kamen bei einem Ausflug in ein Dorf.

Einige Schweine liefen rathlos hin und
her, weil sie ihren Stall nicht fanden,

„Dös Dörfl," lachte der Journalist, „is
die reinste neue Orthographie —"
„wieso?" fragte der Gelehrte.

„No," war die Antwort, „da kennt sich
auch ka Sau mehr aus!"

Einführung der einheitlichen Rechtschreibung,
„I woaß nimmer, wo i mci Ha-ha-haupt hi»'
lege» soll! Ucbcrall Ham s' mi außig'schmisse»,
aus Tür und Tor —"

„was soll denn nacha i sagen, jammerte
das e. „mi Ham f überall drin lassen!
Da bin i erst recht 's fünft Rad am wagen
und ko mi blos blamisren!"

JJusser aller Loncurrenr!

Morant und Hancok — ohne Zweifel
Vernahmt Ihr diese Namen nie,

Doch seine Majestät der Teufel
Nennt heute schon Collegcn sie.

Gefang'ne ivehrlos nicdcrknallcn,

Nachdem die Taschen man geleert,

Das ist es wahrlich, was vor allen
Den Gentleman und Krieger ehrt!

Doch freilich, nicht ein jeder kann es,

Am wenigsten ein deutscher Tropf.

Sogar, der alte Schinderhannes,

Er schüttelte den grauen Kopf
Und gab sich einen Nasenstüber:

„Die Concurrenz ist jetzt enorm;

Doch sind uns Civilisten über
Die Herren dort in Uniform!"

Drum, Chamberlain, paß' auf, ich bitte,
Und halt im Reden Maß und Ziel!

Und lobst Du Krieg und Kricgcssitte,

So laß uns Deutsche aus dem Spiel!

Wozu nur falschen Ruhm erschleichen?

Die Wahrheit gilt ja mehr denn je:

„Es läßt sich schlechthin nichts

vergleichen

Mit Seiner Majestät Armee!"

Sin früblingsUed

Mein Rarer krümmt seinen faulen Buckel,
tMaur und winselt bei Tag und Nacht;
mein Distelfink zupft sich das Gefieder,

Die tNücken schwärmen und plagen mich wieder,
Die Tauben schnabcln sich auf dem Dache;
Breit »rächt sich die Sonne in meinem Gemache,
Das Zipperlein rührt sich in meinem Bein —
Hei —

Da muß cs ja Frühling sein!

Die Störche machen ihr Nest sich zurecht,

Sic bringen auch Rinder mehr als genug;
Die Spatzen spektakeln aus vollen Lungen,
Backfischlcin wandeln mit grünen Jungen;
Die Blumenmädchen mit vorlauten tNäulchcn,
Sic bieten uns Primeln und tNärzenveilchc»;
Aus Rindcrwagen tönt lautes Schrein —
Hei!

Da muß cs ja Frühling sein!

Nur in des bayrischen Landtags -Rammer
Herrscht noch die schwärzeste wintcrnacht,
mag auch die Sonne durchs Fenster blitzen —
Die dunklen Geselle», die dorren sitzen.

Die wollen Schule und Bildung knechten —
Ein dicker Nebel wehr von der Rechten,
Erstickend Licht und Sonnenschein —
Herrgott!

wann wird dorr einmal Frühling sein 7

lzugo JVlax

Uoti}!

Das Citelblatt diefer Ilummer Hf von .Hdolf Münzer,
von tdmmtlichen farbigen Zeichnungen der nummern der
»Zugend" find Sonderdrucke erhältlich.

Verlag der ITlünchner „Jugend“

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Register
Kassian Kluibenschädl: Bischöfliches Votivtaferl aus Österreich
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch"
Paul Rieth: Gemüthliches aus Österreich
Hugo Max: Ein Frühlingslied
Wespe: Außer aller Concurrenz!
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch
 
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