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1902

j U GEN D

Nr. 17

(Brunnen in, Natiomilmuscum zu München)

Hubert Netzer (München)

wurde ausgcgriffen und ging wieder einmal, von
Allen liebkost, von Einem zum Andern ...

Um Sasubrina herum war es leer geworden.
Er stand allein da, wischte sich die Farbe vom
Schnurrbart und warf von Feit zu Zeit Blicke
auf den kleinen Kater, der auf Schultern und
Rücken der Arrestanten herumsprang; es schien
dies Allen viel Spas; zu machen, und das Lachen
tönte ununterbrochen ...

„Brüder!" lieh sich plötzlich Sasubrinas Stimme
hören, „wollen wir den Kater färben!" Das klang
wie eine Aufforderung und wie eine Bitte zu-
gleich ...

„Er wird ja krepirenl" bemerkte Einer aus
der Schaar.

„Bon der Farbe? .. Bist wohl nicht recht ge-
scheit I"

„Also — los, Sasubrina! Färbe den Kerl!"

Ein breitschulteriger Mensch mit fenerrothem
Bart rief lebhaft aus: „Seht doch nur an, was
der Satan ansgeheckt hat!"

Sasubrina hatte bereits den Kater an sich ge-
nommen und ging mit ihm auf den Eimer zu.

„Kinder, kommt ins Theater!"
sang er,

„Gefärbt wird ein rvther Kater,

Grün gefärbt mit Kops und Schwanz.

Kinder, schwinget Euch im Tanz!"

Tie Arrestanten hielten sich die Seiten vor
Lachen. Ich sah, wie Sasubrina den Kater beim

Schwanz nahm und ihn in den Eimer tauchte;
dabei tanzte er und sang:

„Kater, lab dein Miauen sei»!

Mach' dem Pathen keine Pein!"

Das Gelächter ward immer stärker und stärker;
einigen ging bereits der Athem aus.... Selbst
der dicke Aufseher lehnte sich mit dem Rücken an
die Wand, hielt sich seinen Schmeerbauch und lieb
in mächtigem Baß ein dröhnendes „Ha-Ha-Ha"
hören ... Sasubrina erging sich nun im National-
tanz und sang weiter:

„Sagt mir, ist's nicht wunderbar?..

Grau die Katzenmutter war.

Und ihr Sohn mit rot hem Fell —

Grün erscheint er aus der Stell'!"

„Genug! . . . Der Teufel soll Dich holen!" rief
der Rothbärtige stöhnend dazwischen. Aber Sasn-
brina war zu sehr im Zuge: um ihn herum dröhnte
tolles, wildes Gelächter, und er wußte es, daß e r
es war, der cs entfesselt hatte. Aus allen seinen
Bewegungen, aus jeder Miene seines beweglichen
Spaßmachcrgesichts war dies Bewußtsein heraus-
zulesen, und das Gefühl des Triumphes ließ seinen
ganzen Körper freudig erzittern .... Nun hielt er
den Kater am Kopf und schüttelte vom Fell den
Farbenüberfluß ab, fuhr aber, in einer Art von
Künstlerekstase, fort, zu tanzen und zu improvisiren:

„Brüder! Nun behender
Den Heiligenkalender!

Guckt hinein und sagt geschwind,

Wie wir's heißen, unser Kind!"

Die Arrcstantenschaar setzte ihr tolllnstiges
Lachen fort. . . Und auch rings um sie her lachte
Alles: cs lachte die Sonne ans den Scheiben der
vergitterten Fenster, es lächelte der blaue Himmel
über dem Hof; ja, selbst die alten, schmutzigen
Mauern schienen zu lächeln. Hinter den Fenster-
gittern der Frauenabtheilung tauchte» lachende
Frauengesichter ans . . . Die ganze Umgebung
war wie neugeboren und schien ihren gewohnten
trüben, grauen Ton abgeworfen zu haben — unter
der Wirkung diescs reinigenden Lachens, das,
gleich der Sonne, selbst den Schmutz zwang, sich
in besserem Lichte zu zeigen ...

Sasubrina legte jetzt den grünen Kater ins
Gras nieder, das inselähnlich zwischen den Pflaster-
steinen des Hofes hervorwnchs.. .

Nach und nach wurde es indessen stiller: es war
des Lachens zu viel gewesen, und es begann zu er-
müden ... Es traten Pansen ein, und endlich
gar Augenblicke, wo Alles schwieg, — ausge-
nommen Sasubrina, der nach wie vor tanzte und
sang, und den kleinen Kater, der kläglich miaute.
Er war vom Gras kaum zu unterscheiden und
kroch benommen — und wohl auch halb geblendet —
auf zitternden Pfötchen ziellos umher, hielt wieder
holt, wie angeklcbt, inne und miaute und miaute ..
„Schau nur, liebe Christenheit,

Kater Mischkas grünes Kleid!

Seht, er sucht ein Plätzchen sich,

Findet's aber nirgends »ich!"
kommentirte Sasubrina die Bewegungen des Katers.

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Hubert Netzer: Skulpturbrunnen: Narziss
 
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