Nr. 18
JUGEND
1902
Der Unerkannte
Im Münchner Lentralbahnhof wurde de, bayer-
ische Kammerpräsident Or. t>. Drterer vom Lon-
trolleur um seinen Zreifahrtsausweis gefragt. Aus
Entrüstung hierüber nannte er den Beamten einen
Dchsen.
Habt Ihr's gehört, was vorgefallen?
D Schmach für Bayern, arg und schwer!
verkannt in Münchens Bahnhofshallen
Ward unser Georg Drterer!
Lr kam mit andrer Menschen Masse
Zurück von einer kleinen Tour,
Die er, natürlich erster Klasse.
Als Landesbote gratis fuhr!
Beim Austritt frug ihn der Beamte,
Wie andres Volk, um sein Billet —
Wie da des Großen Zorn entflammte,
Das war schon beinah' nicht mehr nett!
Gr that ihn einen Dchsen schimpfen.
Den Mann, der nicht erkannte, daß
von all' den hohen Lentrumstrümpsen
Der höchste vor ihm stand, die Aß!
Der Mann, der unsres Lands Geschicke
So weise lenkt, so eminent,
Der Häuptling unsrer schwarzen Clique,
Der Kammer erster Präsident!
Wie? prangt denn nicht in jedem Zimmer,
So weit man bayrisch denkt und spricht,
In Glas und Rahmen festlich immer
Lin Bild von diesem Angesicht?
Dem Mißstand will die „Jugend" steuern,
Daß künftig Solches unterbleibt:
Hier habt ihr ihn, den Guten. Theuern,
In Zinkdruck, wie er lebt und leibt!
prägt fle Luch ein, die hehren Züge,
D'ran auch der Laie kennen muß,
Daß einst die Grazien in der Wiege
Gesegnet sie mit ihrem Kuß!
präg' sie Dir ein, verehrter Leser,
Die schöne Rase, drall und rund,
Die seelenvollen Brillengläser
Und den verführerischen Mundl
Den wohlgebauten Denkerschädel,
Mit dem er es so weit gebracht,
Dies ganze Antlitz, rein und edel
In reifer Mannheit stolzer Pracht'
Dies Bildniß, liebste Leser, schneidet
Aus dieser Rümmer, seht's Luch an
Damit Ihr einen Zoll vermeidet,
Wie jenen auf der Lisenbahn!
„Jugend“
Uloch ein jüdischer General!
Setjr geehrter Herr Redakteur!
Hurrah I Hnrrah! was sagen Se zum
cveiiera! Rosenberg? Sc werde» beiße»
u(T Granit, wenn Se wollen leugne, daß
er hat gehabt a grauße Befähigung sor
de L a v a l I e r i e! Bitte, ergänzen Se!
Schlome Veilchenblatt
Bravo! Bravo!
(Zeitungsnachricht: „Graf Bülow hat alle Schwierig Kelten, welche der Erneuerung des Drei-
bundes entgegenstanden, vortrefflich überwunden.")
Zum fliegenden Gerichtsstand
Deutsche Presse, Du duinmgurmüthtgce
Roter,
Gerechtigkeit erwartest Du von Deinen
Neidern und Feinden?
Verschaffe Dir A ch t u n g, — nicht jedem Trottel
Diene als Sprungbrett des Ruhmes und
Vorthcils;
Deine Spalten verschließe den Namen
und Schmerzen Jener
Die Dich hassen, — dann wird's besser!
Schorsch
Bus dem geistlichen Liederbuch des
Treiherrn von Schorlemer in Traunstein
„Titan beichtet, weil es sein muß; wenn man aber
dann ein schönes Mädchen sieht und bekommt es, nimmt
man es auch mit." Freiherr Hubert von Schorlemer
Man beichtet, weil man beichten muß;
Sonst thät inaic's sicher nicht.
Die Liebe ist ein Hochgenuß,
Das Beichten aber Pflicht.
Drum, wenn Dich mal der Hafer sticht,
Vergiß, mein Sohn, die Sehre nicht:
Zuerst zu lieben ist nicht edel.
Erst kommt die Beichte, dann das Mädel!
Man beichtet, weil's der Pfarrer sagt,
Und liebt, weil's gar so schön!
Drum sollst Du, wenn der Morgen tagt,
Zur heil'ge» Beichte gehn.
Doch Abends beim Laternenschein
Schleich sündenrein zum Stelldichein!
Zerbrich Dir weiter nicht den Schädel —
Erst kommt die Beichte, dann das Mädel!
Wllkc
Der neue Erlaß!
tnel trteien wir wo anders leichter als in der Kantine."
Mcltcbrontk der„Zugend"
Ls ward uns wiederum bekannt
So mancherlei aus manchem Land:
Zum Beispiel, daß ein Telegramm
Der Meister Wilhelm Busch bekam,
Worin der Kaiser ihm das Beste
Gewünscht zu seinem Wiegenfeste,
Was ehren und erfreuen muß
Den Dichter des „Antonius"
Und sicher minder hocherfreut
Die allverehrte Geistlichkeit!
Roch Liner kriegte eine fesche,
vergnügte Rordseefahrtdepesche.
Graf Bülow war der Adressat:
Gemeldet ward ihm — ohne Draht! —
Daß sich der hohe Adressant
Ganz ausgezeichnet wohi befand,
Dbwohl man ihn enorm verpflegt. —
Da sagte Bülow, froh erregt:
„Bei der Verpflegung, wie ich denke,
War auch vorzüglich das Getränke!"
Roch einem Dritten galt sodann
Lin Telegramm — 'nem todten Mann,
Der, ganz vom deutschen Reich abseits,
Geherrscht im altern Reuß-Greiz-Schlciz,
Heinrich der Zweiundzwanzigste.
Dbwohl nun freilich ganz ich steh'
Auf Preußens Seite im Lonflikt,
Hat mich die Meldung doch erquickt,
Daß fich's der Kaiser that versagen,
Dem todten Zeind was nachzutragen.
Und die Depesche macht ihm mehr
Als zwanzig Andre Ruhm und Lhr'! —
Die viel genannte Rat alle,
Ls heißt katholisch wurde sie;
Ls will die Königin der Serben
Die ew'ge Seligkeit erwerben
Und auch die irdische dabei:
Man sagt, sie rathet nächstens hei!
Mit der Zamilie, sag' ich blos.
Ist stets ein Bissel etwas los! —
Des Weitern starb in diesem Mond
Tin König, welcher nie gethront,
Lin Vater, der — wie wunderbar! —
Im Grunde neunmal keiner war!
Der Gatte war's, der offizielle.
Der Spanierfürstin Isabelle,
Der rex Zranziscus von Assisi
Ra ja! Oe mortuis nil, nisi...! -
2" Zinnland klopfen die Kosaken
Mal wieder aus des Volkes Jacken
Mit ihrem kaiserlichen Kantschu. -
In China haßt man jetzt die
„ . . , , „ Mandschu
Und borert wieder arg herum. —
<£& werden jene, welche dumm,
In Preußen immer noch nicht gar.
Dies ward durch Hermann
^ ,, Ganswindt klar,
Dem seine guten Zeitgenossen
«norme Summen vorgeschosscn.
weil er die herrliche Erfindung
von einer neuen Postverbindunq
Der Lrde mit dem Mars gemacht
Und Zlugmaschinen ausgedacht —
JUGEND
1902
Der Unerkannte
Im Münchner Lentralbahnhof wurde de, bayer-
ische Kammerpräsident Or. t>. Drterer vom Lon-
trolleur um seinen Zreifahrtsausweis gefragt. Aus
Entrüstung hierüber nannte er den Beamten einen
Dchsen.
Habt Ihr's gehört, was vorgefallen?
D Schmach für Bayern, arg und schwer!
verkannt in Münchens Bahnhofshallen
Ward unser Georg Drterer!
Lr kam mit andrer Menschen Masse
Zurück von einer kleinen Tour,
Die er, natürlich erster Klasse.
Als Landesbote gratis fuhr!
Beim Austritt frug ihn der Beamte,
Wie andres Volk, um sein Billet —
Wie da des Großen Zorn entflammte,
Das war schon beinah' nicht mehr nett!
Gr that ihn einen Dchsen schimpfen.
Den Mann, der nicht erkannte, daß
von all' den hohen Lentrumstrümpsen
Der höchste vor ihm stand, die Aß!
Der Mann, der unsres Lands Geschicke
So weise lenkt, so eminent,
Der Häuptling unsrer schwarzen Clique,
Der Kammer erster Präsident!
Wie? prangt denn nicht in jedem Zimmer,
So weit man bayrisch denkt und spricht,
In Glas und Rahmen festlich immer
Lin Bild von diesem Angesicht?
Dem Mißstand will die „Jugend" steuern,
Daß künftig Solches unterbleibt:
Hier habt ihr ihn, den Guten. Theuern,
In Zinkdruck, wie er lebt und leibt!
prägt fle Luch ein, die hehren Züge,
D'ran auch der Laie kennen muß,
Daß einst die Grazien in der Wiege
Gesegnet sie mit ihrem Kuß!
präg' sie Dir ein, verehrter Leser,
Die schöne Rase, drall und rund,
Die seelenvollen Brillengläser
Und den verführerischen Mundl
Den wohlgebauten Denkerschädel,
Mit dem er es so weit gebracht,
Dies ganze Antlitz, rein und edel
In reifer Mannheit stolzer Pracht'
Dies Bildniß, liebste Leser, schneidet
Aus dieser Rümmer, seht's Luch an
Damit Ihr einen Zoll vermeidet,
Wie jenen auf der Lisenbahn!
„Jugend“
Uloch ein jüdischer General!
Setjr geehrter Herr Redakteur!
Hurrah I Hnrrah! was sagen Se zum
cveiiera! Rosenberg? Sc werde» beiße»
u(T Granit, wenn Se wollen leugne, daß
er hat gehabt a grauße Befähigung sor
de L a v a l I e r i e! Bitte, ergänzen Se!
Schlome Veilchenblatt
Bravo! Bravo!
(Zeitungsnachricht: „Graf Bülow hat alle Schwierig Kelten, welche der Erneuerung des Drei-
bundes entgegenstanden, vortrefflich überwunden.")
Zum fliegenden Gerichtsstand
Deutsche Presse, Du duinmgurmüthtgce
Roter,
Gerechtigkeit erwartest Du von Deinen
Neidern und Feinden?
Verschaffe Dir A ch t u n g, — nicht jedem Trottel
Diene als Sprungbrett des Ruhmes und
Vorthcils;
Deine Spalten verschließe den Namen
und Schmerzen Jener
Die Dich hassen, — dann wird's besser!
Schorsch
Bus dem geistlichen Liederbuch des
Treiherrn von Schorlemer in Traunstein
„Titan beichtet, weil es sein muß; wenn man aber
dann ein schönes Mädchen sieht und bekommt es, nimmt
man es auch mit." Freiherr Hubert von Schorlemer
Man beichtet, weil man beichten muß;
Sonst thät inaic's sicher nicht.
Die Liebe ist ein Hochgenuß,
Das Beichten aber Pflicht.
Drum, wenn Dich mal der Hafer sticht,
Vergiß, mein Sohn, die Sehre nicht:
Zuerst zu lieben ist nicht edel.
Erst kommt die Beichte, dann das Mädel!
Man beichtet, weil's der Pfarrer sagt,
Und liebt, weil's gar so schön!
Drum sollst Du, wenn der Morgen tagt,
Zur heil'ge» Beichte gehn.
Doch Abends beim Laternenschein
Schleich sündenrein zum Stelldichein!
Zerbrich Dir weiter nicht den Schädel —
Erst kommt die Beichte, dann das Mädel!
Wllkc
Der neue Erlaß!
tnel trteien wir wo anders leichter als in der Kantine."
Mcltcbrontk der„Zugend"
Ls ward uns wiederum bekannt
So mancherlei aus manchem Land:
Zum Beispiel, daß ein Telegramm
Der Meister Wilhelm Busch bekam,
Worin der Kaiser ihm das Beste
Gewünscht zu seinem Wiegenfeste,
Was ehren und erfreuen muß
Den Dichter des „Antonius"
Und sicher minder hocherfreut
Die allverehrte Geistlichkeit!
Roch Liner kriegte eine fesche,
vergnügte Rordseefahrtdepesche.
Graf Bülow war der Adressat:
Gemeldet ward ihm — ohne Draht! —
Daß sich der hohe Adressant
Ganz ausgezeichnet wohi befand,
Dbwohl man ihn enorm verpflegt. —
Da sagte Bülow, froh erregt:
„Bei der Verpflegung, wie ich denke,
War auch vorzüglich das Getränke!"
Roch einem Dritten galt sodann
Lin Telegramm — 'nem todten Mann,
Der, ganz vom deutschen Reich abseits,
Geherrscht im altern Reuß-Greiz-Schlciz,
Heinrich der Zweiundzwanzigste.
Dbwohl nun freilich ganz ich steh'
Auf Preußens Seite im Lonflikt,
Hat mich die Meldung doch erquickt,
Daß fich's der Kaiser that versagen,
Dem todten Zeind was nachzutragen.
Und die Depesche macht ihm mehr
Als zwanzig Andre Ruhm und Lhr'! —
Die viel genannte Rat alle,
Ls heißt katholisch wurde sie;
Ls will die Königin der Serben
Die ew'ge Seligkeit erwerben
Und auch die irdische dabei:
Man sagt, sie rathet nächstens hei!
Mit der Zamilie, sag' ich blos.
Ist stets ein Bissel etwas los! —
Des Weitern starb in diesem Mond
Tin König, welcher nie gethront,
Lin Vater, der — wie wunderbar! —
Im Grunde neunmal keiner war!
Der Gatte war's, der offizielle.
Der Spanierfürstin Isabelle,
Der rex Zranziscus von Assisi
Ra ja! Oe mortuis nil, nisi...! -
2" Zinnland klopfen die Kosaken
Mal wieder aus des Volkes Jacken
Mit ihrem kaiserlichen Kantschu. -
In China haßt man jetzt die
„ . . , , „ Mandschu
Und borert wieder arg herum. —
<£& werden jene, welche dumm,
In Preußen immer noch nicht gar.
Dies ward durch Hermann
^ ,, Ganswindt klar,
Dem seine guten Zeitgenossen
«norme Summen vorgeschosscn.
weil er die herrliche Erfindung
von einer neuen Postverbindunq
Der Lrde mit dem Mars gemacht
Und Zlugmaschinen ausgedacht —
Redaktioneller Beitrag: Der Unerkannte
Schorsch, Schorschl (von Capus): Zum fliegenden Gerichtsstand
[nicht signierter Beitrag]: Aus dem geistlichen Liederbuch des Freiherrn von Schorlemer in Traunstein
Monogrammist Frosch: Bravo! Bravo!
Herodot [Pseudonym]: Weltchronik der "Jugend"
Erich Wilke: Der neue Erlaß
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Der Unerkannte"
[nicht signierter Beitrag]: Noch ein jüdischer General!
Schorsch, Schorschl (von Capus): Zum fliegenden Gerichtsstand
[nicht signierter Beitrag]: Aus dem geistlichen Liederbuch des Freiherrn von Schorlemer in Traunstein
Monogrammist Frosch: Bravo! Bravo!
Herodot [Pseudonym]: Weltchronik der "Jugend"
Erich Wilke: Der neue Erlaß
Monogrammist Frosch: Zeichnung zum Text "Der Unerkannte"
[nicht signierter Beitrag]: Noch ein jüdischer General!