Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben (7.1902, Band 1 (Nr. 1-26))

Nr. 19 ^Redaktionsschluss: 30. April 1902)

JUGEND

1902



John Bull und die afrikanische Friedenstaube

„Vi, bi, bi, bi, bi!"-„Mi' stimmst, — fader Kerl, fader!"

Zur Viätenttage im Reichstag

„Diäten für des Reiches Boten 7"

So ruft die Reichsregierung — „Rein!

Da Kämen uns zuletzt die Rothen
Doch gar zu massenhaft herein!"

„Doch," denkt Graf Posadowsky-Wehner,
„Ls geht uns gar nicht contre coeur,
Bewilligt man zum Besten Jener,

Die fleißig find, ein klein' Douceur!

Mit solchen niedlichen Geschenken
Hält man die Freundschaft reg und wach
Und holt sich, nörgelnden Bedenken
Zum Trotz, sein Schäflein unter Dach.

Und hat man's über jene Schwelle,

Dann scheert man es in aller Ruh! —"
Das Dach — das find die neuen Zölle,
Zreund Michel! Und das Schaf — bist Du!

Hans

Die neue amtliche Rechtschreibung

wir dürfen jetzt zu Grunde gehn,

Zu gründe und zugrunde gehn —

Darum bedankt euch allsogleich

Beiin Reiche wie bei Desterrcich

Und bei der Schweiz, denn diese drei

Gestatten, daß auf dreierlei

Manier ein Selbstmordkandidat

Zum Mrkus waudle seinen Pfad. —

Das heißt in diesen schlechten Zeiten
Uns wenigstens doch Trost bereiten!

F)urrab polen!

Die „Gazeta Grudziadzka“ verlangt, daß die
polnische Sprache mit der deutschen mindestens
gleichberechtigt sei, daß man vor allen Behörden
schriftlich und mündlich die polnische Sprache ge-
brauchen Könne und daß die Beamten in den pol-
nischen Landestheiien geborene Polen sein müssen.

„Deutschland dem heiligen polcnbund!"

So schrcin die Edelsten Polens.

Psiacrew! Es muß der deutsche Hund
Drein fügen sich nolens volens!

wer deutsch spricht, dem muß man den Hai«
Mit kaltem Blute umdrehen.

Der Röntg nur darf allenfalls
Daneben auch deutsch verstehen.

Die Rünstler in der „Woche" Scherl«,

Die dürfen nur Polen malen,

Hingegen dürfen die deutschen Rcrls
Die Steuern alle bezahlen.

Erzpolnisch sei die Feuerwehr,

Die Schule, die deutsche Geschichte,

Der Wein, das Zuchthaus, der Liqucur,

Der Rarpfcn und alle Gerichte I
Der Pole trinkt im Schnaps voll wuth
Den Deutschen Tod und Verderben
Und doppelt tr>- rt er dann vor wuth,
wenn diese dc»noch nicht sterben!

JFrldo

Der berühmte PKhsiker Berthelot hat in der
französischen Akademie unlängst festgestellt, daß das
„echte Schweißtuch der Veronika" 3ümal exi-
stirt. — 39 Gelegenheiten für den Ungläubigen,
wegen Verhöhnung des katholischen Glaubens ver-
staatsanwaltet zu werden!

Au» clem

Ciederbucb für Centrumsmäitner

üerausacflcbett vom „Schwarzen flujust“
Toleranz-Lied

• O Toleranz, o Toleranz,

Wie fein sind Deine Blüthcn!

Du kämpfst nicht blos mit Gründen, nein!
Du wirfst sogar mit Krügeln drein,

O Toleranz, o Toleranz,

Wie fein sind Deine Blüthen I
O Toleranz, o Toleranz,

Du kannst mir sehr gefallen!

Schlägt man ihn mit dem Stuhle »m,

Wird auch der beste Gegner stumm —

O Toleranz, o Toleranz,

Du kannst mir sehr gefallen.

O Toleranz, o Toleranz,

Was soll Dein Klang uns lehren?

Daß Du ein bloßes „Fremd"wort bist
Und, wer Dir traut, ein Esel ist, —

O Toleranz, o Toleranz,

Das soll Dein Klang uns lehren.

Schönerer zur jftffaire Wolf — Schalk.

Von allen Geistern, die krakehlen,

Ist mir der Schalk am wenigsten verhaßt...

„Die Düsseldorfer haben ihr BiSmarckdenkma!
Verhunzt, indem sie es mit Schmierseife rei-
nigen wollten — das sind ja die reinsten Schild-
bürger —"

„Im Gegentheil, das sind die gescheidtesten Leute
von der Welt! Sonst ist es noch niemand gelungen,
den Bismarck einzuseisen oder anzuschmieren."

Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; Redaktion : F. v. 0STIN1, Dr. S. SINZHEIMER, A. MATTHÄI, F. LANGHEINRICH. Für die Redaktion verantwortlich : Dr. 8. SINZHEIMER.
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