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i902

JUGEND

Nr. 20

Und Du erhältst — sei guter Dinge
Den „Streberstern an goldne

m Ringe".

6esang des alCen kitternieisr

„Seht, mit mir," schreit Bülow heiser,
„Uebereinstimmt voll der Kaiser!"

Resser, glaub ich, an man nimmt,

Daß er mit dem Kaiser stimmt!!

„Auf die Wohnungsgeldzuschüsse
lfm — hm — man verzichten müsse!"
lfm — was ist dabei denn da?!
lfm — Ministern langt es ja!!

lfeut spricht Bülow exemplarisch
Hier industriell-agrarisch,

Morgen an der andern Stell'

Dann agrarisch-industriell!

Eines macht mich doch fast lachend:

Daß alleineseligmachend
Sich die röm'sche Kirche heißt
Und mit Toleranz dann gleißt!!

falzkeslil

(Vql. dazu auch die „Trampelrezension" auf S. 329
dieser Nummer!)

Alfred Kerr bespricht in der „Neuen deutschen
Rundschau" Sudermann's Drama „Es lebe das
Leben!" Er schreibt: „Dieses Werk bietet den dra-
matischen Fatzkestil in voller Reinheit. Das
Wort ist nicht literarisch, aber das Werk auch nicht.
Es gibt nur eine deckende Bezeichnung: ,der dra-
matische Fatzkestil.' Anderes ist davon über-
haupt nicht zu sagen. Wildgewordener Frauen-
roman, Friseurideal, verplumpter Sardou. Kurz:
Sudermann."

Dein schönes Wort, Dein lieblich-süßes,

Bezieh' aus Dich, verehrter Herr:

Bei weitem besser, dünkt mich, hieß' es:

„Der Fatzkestil" — kurz: Alfred Kerr!

Si.

Schüttelreim

Der Sperling pickt die Möhren an,
Lueger ist ein Ehrenmann.

Das Ordens -Zeitatter

Kaum hat man Dich zur Welt gekriegt,

Dich blendet noch das Tageslicht —

Du wehrst Dich — doch Du hast bereits
Das „Preußische Begrüßungskreuz".

Zehst Du mit Seelenangst und Pein
sn's Abiturium hinein,
lnd weißt Dn gar nichts, lieber Mann,
io stimm den „Sang an Aegir" an •

Bethätigst Du Dich als Student

Schon für das lfeereskontingent,

wird Dir und ihr — 's ist kein scherzando

(Ein „Dank" von dem Bezirkskommando.

Ist gar das „Zweite" schon in spe,

Der Orden „pour f£condit<£“.

Fühlst Du Dich später, lieber Sohn,

Als Stütze von Altar und Thron,

Und spürst Du weiter keine Neigung
Zur außerehelichen Zeugung,

Läßt Dich vielmehr aus manchen Gründen
Noch kirchlich trauen und verbinden,

Wird Dir ein K u n st d i x l o m gesandt,
Entworfen von sehr hoher lfand.

(Zeistlickes Leickenbretlel

Don Ksssisn Hluibcnschcdl, tTulfelemaler

Aus der Budgetdebatte des österr. Reichs-
raths: Abg. Alalik (alldeutsch) will dem Finanz-
minister zeigen, wo er die Bedeckung für die ver-
schiedenen Forderungen finden könne. Redner ver-
weist auf das Vorgehen des Dechants von Leibniy,
der eine im verhältniß zu seinem thatsächlichen Ein-
kommen ganz geringfügige Summe einbekannt habe.
Ebenso wehre sich der Dr. Daum von St. Veit
gegen die Besteuerung, der auch die Geistlichen drückt,
seinen Kaplänen nichts zu essen gibt und
ihnen die Beheizung ihrer Wohnräume verweigert.
Wenn sic einhcizen wollen, sperrt er den Kamin mit
einem Schlüffe! ab. (Heiterkeit.)

Vix orimur, morimur! Raum daß uns ward
vergönnt, des Lebens Licht zu schauen,
Hat auch der Tod uns arme Erdenpilger

schon in seinen Rlauen.
Darum, o frommer Christ, sprich ja

de mortuis nil nisi bene
Und sende ein Stoßgcbctlein zum Himmel für.

die allhier bestatteten St. Veitcr Raplänc!
In vcrhältnißmäßig noch recht jungen Jahren
Mußten sie leider schon von dieser Erde

fahren.

Raum waren sie nach allen Regeln tonsurirr

und geschoren,

Sind sie mitten in Amt und würden rheils

verhungert und theils erfroren,
Dieweilcn ihrem pfarrherrn das Fasten viel
verdienstlicher als das Essen schien
Und als beste Vorbereitung für das Jenseits
ein ungeheizter Ramin.
Hoffen wir, daß dem hochwürdigcn parronus,
weil er hinicden mir Atzung und Hol; gegeizt,
Nach seinem seligen Abschcidcn drüben wird

um so ergiebiger cingchcizt!

(Zeichnungen von A. Schmidhammer)

Der neue Plutareh des .Schwarzen Unlust'

Am 3. Juli war in Sadowa Schlackzttag,

Der König, Moltke und Bismarck setzten
sich zum Skat, bis die Thurmuhe die festge-
setzte Zeit schlüge.

Ein Landwehrmann merkte, daß jene
still stand, und, als Schullehrer begeistert für
den niederen Rirchcndicnst, zog er sie auf.

Schon rückten die (vesterrcichcr an, da schlug
die Uhr 1/2 $, und die Helden eilten gerade
noch zur rechten Zeit zum Rricgsspicl.

Hktuelle I^etratbs-Hnnonce

Fräulein, welches als Mitgift einen größeren
Posten Fehldruckmarken „DEUTSCHES REICH“
besitzt, sucht sich zu verheirathen.

Der neue plutarch

Der sparsame Dr. von valler sucht
die Redewuth seiner Rollcgen nach Möglich
kcit cinzudämmcn.

„Heut' werd' ich's denen wieder steckcnl"
rief ein Fraktionsgenosse vor der Sitzung.

„Heut hältst dci' Maul!" bedeutete ihm
Daller streng. „Um halber zwölfe is
B o ck p r o b I"

So hatte der deutsche Schulmeister
die Schlacht bei Sadowa gewonnen.

33S
Register
Arpad Schmidhammer: Illustration zum Text "Der neue Plutarch des 'Schwarzen Aujust'"
Monogrammist Frosch: Illustration zum Text "Gesang des alten Bittermeier"
Monogrammist Frosch: Illustrationen zum Text "Geistliches Leichenbrettl"
Plutarch [Pseud.]: Der neue Plutarch des "Schwarzen Aujust"
[nicht signierter Beitrag]: Gesang des alten Bittermeier
Si.: Fatzkestil
[nicht signierter Beitrag]: Das Ordenszeitalter
Arpad Schmidhammer: Illustrationen zum Text "Das Ordens-Zeitalter"
[nicht signierter Beitrag]: Schüttelreim
Kassian Kluibenschädl: Geistliches Leichenbrettl
[nicht signierter Beitrag]: Aktuelle Heiraths-Annonce
 
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