1902
JUGEND
Nr. 25
ehrenmünze: „In hoc slgno vinces!“
(für Verdienste um Wiedcrzulafsung der
Jesuiten)
Schwarzer ttadenorden mir clem Vtiess
des deutschen JvUcbels
(für Verdienste um Ausgestaltung der
Hierarchie)
Orden zum römischen Stern
(für Unterdrückung jeglicher Gcistesfrcihcit
und Aufkiärnng)
Strumptbandorden kür pkarrers-
Köchinnen
(für langjährige mit Treue und Liebe ge-
leistete Dienstzeit)
Nene Orden und Ehrenzeichen aus dem „Schwarzen Anjust"
ver Tsleranranttag
Im Reichstag gab es ein Turnier,
Die Glocke klang zum Streite.
Für Toleranz kämpft Bachem hier,
Herr Spahn steht ihm zur Seite.
Sie Kämpfen gegen jeden Zwang
Zur Freiheit der Gewissen.
Sie haben in den Freiheitsdrang
Fanatisch sich verbissen.
Sie fochten ohne Rast und Ruh
Zur diese Ideale.
Die ganze Welt steht staunend zu
Dem Kamps im Reichstagssaaie.
, »
Doch wenn Herr Bachem dann
Herrn Spahn
Trifft draußen auf den Fluren.
Dann seh'n sich beide lächelnd an.
Wie weiland die Auguren.
Hr» Viscount Kitebener
Run bist gegraft. Held Kitchener, Du
RUt 50.000 Pfund dazu.
Natürlich — wie es sich gebührt:
Du hast Transvaal ja annectirt.
Doch wird Dir werden noch ein Glück,
Daß Du nicht Roberts stehst zurück:
Für Knechtung vom Dranje-Land
Des Schwarzen Aar's Drange-Band!
r. v. k.
Streiflichter der „Jugend"
Ein uneheliches Kind in Bayern muß feiner
armen und geistig schwachen Großmutter, die es
bisher gepflegt hat, entzogen und in andere Hände
gegeben werden. Der natürliche Onkel des Kindes,
ein katholischer Realschullehrer, weigert sich, es bei
sich aufzunehmcn. Eine reiche Bremer Dame ist
erbötig, das Kind zu adoptiren, und verpflichtet sich,
obwohl sie selbst Protestantin ist, es katholisch er-
ziehen zu lassen. Das Bormundschastsgericht, das
dem Kinde das unverhoffte Glück nicht vorenthaltcn
will, willigt ein. Darüber große Entrüstung im Cen-
trum. „Das gestohlene Kind" macht die Runde
durch die Centrumsblätter. Im Landtag ivird eine
Haupt- und Staatsaktion eingeleitet und der Minister
zur Rechenschaft gefordert. Und als man sich bis
auf die Knochen blamirt hat, brüllt der Abgeordnete
Heim entrüstet: „Ein preußischer König hat nach
der Aufführung der Hugenotten das Lon-mot ge-
braucht, die Katholiken und Protestanten schlagen
einander tobt und der Jude macht die Musik dazu.
Jetzt kommt wieder eine solche Zeit. Ich habe den
Verdacht, als ob die Börse und die Spekulation jetzt
wieder einmal unbeobachtet sein wollten, weil man
so künstlich wieder einen Keil hineintreibt zwischen
die beiden Konfessionen." Und weiter: „Die ge-
steigerte Empfindlichkeit aus diesem Gebiete ist nicht
von unserer Seile, sondern von anderer Seite her-
vorgerufen." Und endlich mit dem Ausdruck echt
christlicher Wehmuth: .„Ich bedaure aufrichtig, daß,
nachdem 20 Jahre Ruhe war zwischen den beiden
christlichen Konfessionen, wieder der Geist'der Zwie-
tracht gesäet wird." Ja, du lieber Himmel, wer ist
denn dabei der Säemann? Und wer macht diesmal
die BUlsik, wenn sich Katholiken und Protestanten
herumschlagen? „Haltet den Dieb!" rufen die Lang-
singer, wenn sie sich von der Polizei erwischt glau-
ben. Verstehen Sie mich, Herr vr. Heim?
»hu
^Der arme Bülow! Nun fährt man ihn an von
rechts und links, von der Mitte ganz zu schweigen,
iveil er beit Kampf im Osten mit einer Conkurrenz
zwischen Hasen und Kaninchen verglichen hat. Zettel,
der Weber, in Posen und Bromberg und Jnowraz-
law, brüllt wie ein Löwe, weil er nicht für einen
Hasen gehalten sein will: und gar die andern, ob
ihrer bencidenswerthen Fruchtbarkeit Allegorisirten..
Was aber steckt denn hinter all dieser Entrüstung?
Ein Stück unserer konventionellen Heuchelei, die alle
unvermeidliche Härte in einer ethischen Sauce schmack-
haft machen will. Herr Hasse: tver beweist es uns,
daß es Uebermuth sei, tvenn ein Volk seine Zer-
theilung nicht vergessen mag? Herr Szuman: wer
Die tos von Rom Bewegung in Bayern
Rur so weiter an die Wand malen, —
dann kommt er schon!
beweist es uns, daß es Barbarei sei, wenn die
Weichsel germanisirt wird? Uebermuth! Barbarei!
Wertungen — Wertungen, die, ach! so wenig
heranreichen an die Größe der Thatsache, an die
elementare Gewalt des Rassenkampfes dort im Osten.
Das wissen viele kluge Leute zwar, aber sie sagen es
nicht. Graf Bülow sagte es, lächelnd und kühl. Wa-
rum schaltet ihr ihn? Ein Gramm blonder Bestie —
man sollte den loben, der es besitzt. Bleiben wir
human — gut, so lassen wir uns fressen; haben
wir aber dazu keine Lust, so müssen wir fressen —
und dann wollen tvir es laut sagen, daß ivir ge-
sunden Hunger, und deutlich zeigen, das; wir ge-
sunde Zähne haben. — y»tr —
Soeben lassen sich die Feinde der natürlicheren,
reichere Beziehungen zwischen den Geschlechtern
schaffenden „gemeinsamen Erziehung" — zu
denen in erster Linie das Centrum gehört — aus
Chicago berichten, daß es auch dort, just wie bei
uns, Leute gibt, denen das — Klosterleben als das
eigentliche letzte Ideal der Menschheit vorschwebt. Es
soll nämlich dort das Unerhörte, Abscheuliche vorge-
kommen sein. Laß „sogar" ein Professor ungeduldig
den Schluß des Schuljahres herbeisehnte, um eine
schöne Collegin oder Schülerin zu heirathen. Diese
liebende Ungeduld sei aber nicht die richtige Verfassung
für einen Lehrer und darum — hat man einen An-
trag auf Trennung der Geschlechter eingebracht! —
Es ist schiver, dabei ernsthaft zu bleiben. Daß diese
Leute noch nicht darauf verfallen sind, die Männer
auf die nördliche und die Frauen auf die südliche
Hälfte unserer Erdkugel zu verbannen, ist in der
That zu venvundern. Wie wäre es mit einem An-
trag an die himmlische Regierung, den ungeheuren
Mißgriff des Dualismus und der Anziehung der
Geschlechter doch endlich einmal überhaupt aufzu-
heben? — Wir, die das Leben lieben und gerade
in Mann und Weib den vollendeten Menschen sehen,
werden das. Heil nicht in Ausrottung der Leiden-
schaften und in prüder, künstlicher Trennung sehen,
sondern nur mitNictzsche fragen: „Wie vergeistigt,
wie vergoldet, wie vergöttlicht man eine
Begierde?" — vr. pbU. Helene Stöcker
englische deberset^ungskunst
Divide et impera! — Dividende und Welt-
herrschaft!
Scherzfrage
— welcher Unterschied besteht zwischen den ver-
einigten Staaten und dem Bayernlande? —
— Die Vereinigten Staaten haben ein weiße-
lzaus, Bayern dagegen ein schwarzes.
4-7
JUGEND
Nr. 25
ehrenmünze: „In hoc slgno vinces!“
(für Verdienste um Wiedcrzulafsung der
Jesuiten)
Schwarzer ttadenorden mir clem Vtiess
des deutschen JvUcbels
(für Verdienste um Ausgestaltung der
Hierarchie)
Orden zum römischen Stern
(für Unterdrückung jeglicher Gcistesfrcihcit
und Aufkiärnng)
Strumptbandorden kür pkarrers-
Köchinnen
(für langjährige mit Treue und Liebe ge-
leistete Dienstzeit)
Nene Orden und Ehrenzeichen aus dem „Schwarzen Anjust"
ver Tsleranranttag
Im Reichstag gab es ein Turnier,
Die Glocke klang zum Streite.
Für Toleranz kämpft Bachem hier,
Herr Spahn steht ihm zur Seite.
Sie Kämpfen gegen jeden Zwang
Zur Freiheit der Gewissen.
Sie haben in den Freiheitsdrang
Fanatisch sich verbissen.
Sie fochten ohne Rast und Ruh
Zur diese Ideale.
Die ganze Welt steht staunend zu
Dem Kamps im Reichstagssaaie.
, »
Doch wenn Herr Bachem dann
Herrn Spahn
Trifft draußen auf den Fluren.
Dann seh'n sich beide lächelnd an.
Wie weiland die Auguren.
Hr» Viscount Kitebener
Run bist gegraft. Held Kitchener, Du
RUt 50.000 Pfund dazu.
Natürlich — wie es sich gebührt:
Du hast Transvaal ja annectirt.
Doch wird Dir werden noch ein Glück,
Daß Du nicht Roberts stehst zurück:
Für Knechtung vom Dranje-Land
Des Schwarzen Aar's Drange-Band!
r. v. k.
Streiflichter der „Jugend"
Ein uneheliches Kind in Bayern muß feiner
armen und geistig schwachen Großmutter, die es
bisher gepflegt hat, entzogen und in andere Hände
gegeben werden. Der natürliche Onkel des Kindes,
ein katholischer Realschullehrer, weigert sich, es bei
sich aufzunehmcn. Eine reiche Bremer Dame ist
erbötig, das Kind zu adoptiren, und verpflichtet sich,
obwohl sie selbst Protestantin ist, es katholisch er-
ziehen zu lassen. Das Bormundschastsgericht, das
dem Kinde das unverhoffte Glück nicht vorenthaltcn
will, willigt ein. Darüber große Entrüstung im Cen-
trum. „Das gestohlene Kind" macht die Runde
durch die Centrumsblätter. Im Landtag ivird eine
Haupt- und Staatsaktion eingeleitet und der Minister
zur Rechenschaft gefordert. Und als man sich bis
auf die Knochen blamirt hat, brüllt der Abgeordnete
Heim entrüstet: „Ein preußischer König hat nach
der Aufführung der Hugenotten das Lon-mot ge-
braucht, die Katholiken und Protestanten schlagen
einander tobt und der Jude macht die Musik dazu.
Jetzt kommt wieder eine solche Zeit. Ich habe den
Verdacht, als ob die Börse und die Spekulation jetzt
wieder einmal unbeobachtet sein wollten, weil man
so künstlich wieder einen Keil hineintreibt zwischen
die beiden Konfessionen." Und weiter: „Die ge-
steigerte Empfindlichkeit aus diesem Gebiete ist nicht
von unserer Seile, sondern von anderer Seite her-
vorgerufen." Und endlich mit dem Ausdruck echt
christlicher Wehmuth: .„Ich bedaure aufrichtig, daß,
nachdem 20 Jahre Ruhe war zwischen den beiden
christlichen Konfessionen, wieder der Geist'der Zwie-
tracht gesäet wird." Ja, du lieber Himmel, wer ist
denn dabei der Säemann? Und wer macht diesmal
die BUlsik, wenn sich Katholiken und Protestanten
herumschlagen? „Haltet den Dieb!" rufen die Lang-
singer, wenn sie sich von der Polizei erwischt glau-
ben. Verstehen Sie mich, Herr vr. Heim?
»hu
^Der arme Bülow! Nun fährt man ihn an von
rechts und links, von der Mitte ganz zu schweigen,
iveil er beit Kampf im Osten mit einer Conkurrenz
zwischen Hasen und Kaninchen verglichen hat. Zettel,
der Weber, in Posen und Bromberg und Jnowraz-
law, brüllt wie ein Löwe, weil er nicht für einen
Hasen gehalten sein will: und gar die andern, ob
ihrer bencidenswerthen Fruchtbarkeit Allegorisirten..
Was aber steckt denn hinter all dieser Entrüstung?
Ein Stück unserer konventionellen Heuchelei, die alle
unvermeidliche Härte in einer ethischen Sauce schmack-
haft machen will. Herr Hasse: tver beweist es uns,
daß es Uebermuth sei, tvenn ein Volk seine Zer-
theilung nicht vergessen mag? Herr Szuman: wer
Die tos von Rom Bewegung in Bayern
Rur so weiter an die Wand malen, —
dann kommt er schon!
beweist es uns, daß es Barbarei sei, wenn die
Weichsel germanisirt wird? Uebermuth! Barbarei!
Wertungen — Wertungen, die, ach! so wenig
heranreichen an die Größe der Thatsache, an die
elementare Gewalt des Rassenkampfes dort im Osten.
Das wissen viele kluge Leute zwar, aber sie sagen es
nicht. Graf Bülow sagte es, lächelnd und kühl. Wa-
rum schaltet ihr ihn? Ein Gramm blonder Bestie —
man sollte den loben, der es besitzt. Bleiben wir
human — gut, so lassen wir uns fressen; haben
wir aber dazu keine Lust, so müssen wir fressen —
und dann wollen tvir es laut sagen, daß ivir ge-
sunden Hunger, und deutlich zeigen, das; wir ge-
sunde Zähne haben. — y»tr —
Soeben lassen sich die Feinde der natürlicheren,
reichere Beziehungen zwischen den Geschlechtern
schaffenden „gemeinsamen Erziehung" — zu
denen in erster Linie das Centrum gehört — aus
Chicago berichten, daß es auch dort, just wie bei
uns, Leute gibt, denen das — Klosterleben als das
eigentliche letzte Ideal der Menschheit vorschwebt. Es
soll nämlich dort das Unerhörte, Abscheuliche vorge-
kommen sein. Laß „sogar" ein Professor ungeduldig
den Schluß des Schuljahres herbeisehnte, um eine
schöne Collegin oder Schülerin zu heirathen. Diese
liebende Ungeduld sei aber nicht die richtige Verfassung
für einen Lehrer und darum — hat man einen An-
trag auf Trennung der Geschlechter eingebracht! —
Es ist schiver, dabei ernsthaft zu bleiben. Daß diese
Leute noch nicht darauf verfallen sind, die Männer
auf die nördliche und die Frauen auf die südliche
Hälfte unserer Erdkugel zu verbannen, ist in der
That zu venvundern. Wie wäre es mit einem An-
trag an die himmlische Regierung, den ungeheuren
Mißgriff des Dualismus und der Anziehung der
Geschlechter doch endlich einmal überhaupt aufzu-
heben? — Wir, die das Leben lieben und gerade
in Mann und Weib den vollendeten Menschen sehen,
werden das. Heil nicht in Ausrottung der Leiden-
schaften und in prüder, künstlicher Trennung sehen,
sondern nur mitNictzsche fragen: „Wie vergeistigt,
wie vergoldet, wie vergöttlicht man eine
Begierde?" — vr. pbU. Helene Stöcker
englische deberset^ungskunst
Divide et impera! — Dividende und Welt-
herrschaft!
Scherzfrage
— welcher Unterschied besteht zwischen den ver-
einigten Staaten und dem Bayernlande? —
— Die Vereinigten Staaten haben ein weiße-
lzaus, Bayern dagegen ein schwarzes.
4-7
Oha: Streiflichter der "Jugend"
Monogrammist Pfeilspitze: Die Los von Rom-Bewegung in Bayern
[nicht signierter Beitrag]: Der Toleranzantrag
Helene Stöcker: Streiflichter der "Jugend"
Monogrammist Pfeilspitze: Neue Orden und Ehrenzeichen aus dem "Schwarzen Aujust"
-ystr-: Streiflichter der "Jugend"
P. v. K.: An Viscount Kitchener
[nicht signierter Beitrag]: Englische Übersetzungskunst
[nicht signierter Beitrag]: Scherzfrage
Monogrammist Pfeilspitze: Die Los von Rom-Bewegung in Bayern
[nicht signierter Beitrag]: Der Toleranzantrag
Helene Stöcker: Streiflichter der "Jugend"
Monogrammist Pfeilspitze: Neue Orden und Ehrenzeichen aus dem "Schwarzen Aujust"
-ystr-: Streiflichter der "Jugend"
P. v. K.: An Viscount Kitchener
[nicht signierter Beitrag]: Englische Übersetzungskunst
[nicht signierter Beitrag]: Scherzfrage